Das Wunder von Kiel: THW feiert "magische Nacht" des Handballs
Der deutsche Handball-Rekordmeister THW Kiel hat den nicht mehr für möglich gehaltenen Einzug ins Final Four der Champions League dank eines 31:21 über Montpellier doch noch geschafft. Dafür brauchte das Team von Trainer Filip Jicha eine "magische Nacht" und einen Etappen-Plan.
Als Torhüter Tomas Mrkva den letzten Wurf parierte, brachen in der Kieler Arena alle Dämme. Völlig ungläubig sank Nationalspieler Rune Dahmke nach der famosen Aufholjagd auf den Boden und fiel Kapitän Domagoj Duvnjak erschöpft um den Hals.
Weder Coach Jicha noch seine Spieler konnten im ersten Moment glauben, dass der eigentlich für unmöglich gehaltene Halbfinaleinzug doch noch Realität wurde. "Das war heute eine magische Nacht", sagte Jicha nach dem emotionalen Höllenritt.
"Es ist absolut verrückt, was hier passiert ist. Das ist mit Sicherheit einer der schönsten Tage in meiner Karriere. Ich habe so etwas noch nie erlebt." THW-Spieler Rune Dahmke
Mit dem Sieg gegen den französischen Top-Verein machte der deutsche Handball-Rekordmeister die 30:39-Pleite im Viertelfinal-Hinspiel wett und fährt nun doch noch zum Finalturnier in Köln (8. und 9. Juni).
Als Dahmke seine Stimme wiedergefunden hatte, versuchte er, die zurückliegenden 60 Minuten in Worte zu fassen. "Ich habe keine Ahnung, wie das möglich war. Dieser Sport ist absolut krank", sagte der Linksaußen, der seine gesamte Profikarriere beim THW verbracht hat und dennoch resümierte: "Es ist absolut verrückt, was hier passiert ist. Ich habe so etwas noch nie erlebt."
Außergewöhnliche Atmosphäre trägt die "Zebras"
Auch Kapitän Duvnjak, der bereits seit zehn Jahren beim THW spielt, fand kaum Worte: "Ich bin schon lange im Verein. Aber ich habe sehr selten so eine Atmosphäre erlebt." Die Atmosphäre mag außergewöhnlich gewesen sein, doch die Leistung der Spieler war es noch viel mehr.
Rückraumspieler Harald Reinkind befand: "Seitdem ich hier bin, habe ich noch nie gesehen, dass so viele Spieler so sehr gekämpft haben."
Der langjährige Dominator durchlebt eine schwierige Saison. Im DHB-Pokal scheiterte Kiel bereits im Oktober an der HSG Wetzlar. Auch in der Bundesliga hinken die "Zebras" den Erwartungen hinterher. Die deutsche Meisterschaft und auch die Champions-League-Qualifikation sind längst außer Reichweite.
Der THW kann seine Saison im Final Four retten
Das Final Four der Königsklasse war praktisch die letzte Gelegenheit, um diese Saison doch noch zu retten. "Es war der größtmögliche Dämpfer, dass wir das Hinspiel mit neun Toren verloren hatten", sagte Dahmke. Es habe ein bis zwei Tage gedauert, um die Enttäuschung zu verarbeiten und wieder nach vorn zu blicken.
"Meine große Anerkennung gilt Filip Jicha, der uns da wieder herausgeholt und uns Tag für Tag aufgebaut hat, sodass wir im Rückspiel wieder alles gegeben haben. Das war nur im Verbund möglich", erklärte Dahmke.
Kiels erfolgreicher Etappen-Plan
Ein Erfolgsschlüssel war, dass Mannschaft und Trainer nicht immer an den Neun-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel dachten, sondern sich Etappenziele setzten. "Unser Ziel war, dass wir jede zwölfte Minute mit zwei Toren gewinnen", erklärte Duvnjak. Dies hätte zwar nicht immer funktioniert: "Aber mental hat es geholfen, von Schritt zu Schritt zu denken."
Sicher ist, dass die Herangehensweise von Jicha die richtige gewesen ist. Als er die Halle verließ, klatschte er euphorisch mit den Zuschauern ab und schlug danach vor Freude gegen die Tür. "Ich bin glücklich und stolz auf meine Spieler. Am Ende zahlt sich harte Arbeit aus. Wir hatten so einen starken Glauben daran, dass wir das schaffen können", sagte der frühere Welthandballer, der als Spieler mit dem THW zweimal die Champions League gewann.
Nun hat er im Juni in Köln die Chance, das auch als Trainer der "Zebras" zu schaffen. Dort sind neben den Kielern Ligakonkurrent und Titelverteidiger SC Magdeburg, der FC Barcelona sowie der dänische Topclub Aalborg Handbold dabei.