St. Pauli: Vorläufiges Ende eines Machtkampfes
Corny Littmann ist Theatermacher, also ein Experte in Sachen Inszenierung und Dramaturgie. Eine Fähigkeit, die durchaus auch im Vereinsleben von Vorteil sein kann, wie sich auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des FC St. Pauli am Sonntag zeigte. Über 1.500 Mitglieder waren in das Congress Centrum Hamburg (CCH) gekommen, um der Entscheidung im Machtkampf zwischen Präsidium und Aufsichtsrat beizuwohnen. Fast alle rechneten mit einer Abstimmung über das Kontrollgremium. "Ich oder die" beziehungsweise "er oder wir" hatten beide Seiten in ihrer seit Monaten anhaltenden Dauerfehde immer wieder betont. Am Ende kam es anders, und das Ergebnis überraschte Mitglieder und Berichterstatter. Littmann bleibt im Amt, wird allerdings künftig von Stefan Orth, Carsten Pröpper und Andreas Wasilewski, Wunschkandidaten des Aufsichtsrats, flankiert. Das Kontrollgremium schrumpft bis zur nächsten ordentlichen Jahreshauptversammlung im Herbst dieses Jahres von sieben auf vier Mitglieder.
Lauter Applaus bei Littmann-Rede
Mit Beginn der Versammlung wurde klar: Der Verein ist in zwei Lager gespalten. Die Anhänger Littmanns waren zwar in der Mehrzahl. Ob dies jedoch für eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Abwahl der Aufsichtsräte reichen würde, schien fraglich. Doch Littmann beherrscht die komplette Klaviatur der Rhetorik und gab sich kämpferisch. Verstöße gegen die Satzung? Sicher habe es die gegeben, aber natürlich nur zum Wohle des Vereins. Probleme beim Stadionneubau? Der Verzögerungstaktik des Aufsichtsrats geschuldet. "Ich bin kein Softie und Leisetreter, sondern ein Macher", rief Littmann ins Auditorium und überreichte seinem scheidenden Vizepräsidenten Markus Schulz unter lautem Applaus eine Lebensdauerkarte. Der Aufsichtsrat versuchte Littmanns emotionale Rede mit der Aufzählung von Fakten zu kontern. Obwohl durchaus klar wurde, dass Littmanns Planung in Sachen Stadionumbau keineswegs so reibungslos verlaufen war wie behauptet, punkteten die Kontrolleure mit ihrem Auftritt nicht. Zu theoretisch wirkte der Vortrag.
Lange Diskussion über Kompromiss-Vorschläge
Bei der anschließenden Aussprache erntete jeder, der die Begriffe "Kompromiss", "Einigung" oder "Geschlossenheit" in den Mund nahm, lauten Beifall. Kassenprüfer Lars Sörensen sprach kurz nach 19.00 Uhr erstmals von einer Idee, die scheinbar unversöhnlichen Parteien noch zusammenzubringen. Littmann zog sich danach mehrmals mit der befreundeten Grünen-Politikern Krista Sager zurück, der Aufsichtsrat schüttelte zu den Vorschlägen nur den Kopf. Erst als Orth erklärte, er könne sich eine Zusammenarbeit mit Littmann vorstellen, kam Bewegung in den Aufsichtsrat. "In einer verfahrenen Situation kommt man an den Punkt, an dem man sich nicht mehr verweigern kann", betonte Chef-Kontrolleur Michael Burmester. Ganz freiwillig entstand der Kompromiss indes nicht. Die Stimmung im CCH hatte sich klar zu Gunsten Littmanns gedreht, eine Abwahl der Aufsichtsräte wäre bei einer anschließenden Abstimmung wahrscheinlich gewesen.
Aufsichtsrat "muss Kröte schlucken"
Kurz vor 22.30 Uhr versuchten die Beteiligten, vor allem einen Sieger aus dem Machtkampf zu präsentieren: den FC St. Pauli. "Eine gute Lösung, mit der alle leben können", so Littmann. "Hätten wir nicht zugestimmt, hätten wir den Club endgültig gespalten", erklärte Tay Eich. Dem schärfsten Littmann-Kritiker waren die Strapazen deutlich ins Gesicht geschrieben. "Es wird schwer, überhaupt noch vier Leute zu finden, die erstmal im Aufsichtsrat weitermachen", erklärte der Rechtsanwalt. "Wir mussten die Kröte zum Wohle des Vereins schlucken", so Burmester. Von Seiten des Aufsichtsrats dürfte Littmann also in Zukunft weniger Gegenwind ins Gesicht wehen. Der Theaterchef muss sich nun in der Öffentlichkeit und bei seinen neuen Präsidiumskollegen an den offensiven Aussagen zum Stadionneubau messen lassen. "Wir können jetzt unmittelbar anfangen", betonte Littmann. Eine neue Südtribüne würde nicht nur die die Baulücke am Millerntor schließen, sondern wohl auch manch tiefe Wunde zwischen den Funktionären.