Hannover 96: Geduld ist gefragt! Oder doch nicht?
Hannover 96 wartet nach dem 1:1 bei Fortuna Düsseldorf nunmehr seit sechs Zweitliga-Spielen auf einen Sieg. In der Vergangenheit reagierte Club-Boss Martin Kind meist mit einem Trainerwechsel auf Krisen. Ist es bei Jan Zimmermann nun anders?
Angesichts der schweren Verletzung des ehemaligen Hannoveraners André Hoffmann wurde Spielern, Fans und Funktionären einmal mehr bewusst, dass es eigentlich Wichtigeres als Fußball gibt. 96-Kapitän Marcel Franke schickte nach dem Spiel als Erstes Genesungswünsche in die Uniklinik und auch Hannovers Coach Zimmermann sagte: "In solchen Situationen gerät alles andere, was wir hier machen, in den Hintergrund. Ob wir Spiele gewinnen oder verlieren, da geht es einfach nur um die Gesundheit."
Der Abwehrchef der Fortuna war nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Verdacht auf Brüche am Kiefer und an der Halswirbelsäule in die Düsseldorfer Uni-Klinik gebracht worden. Am Sonntagmorgen meldete die Fortuna, Hoffmann sei stabil, müsse aber weiter im Krankenhaus bleiben.
Doch Fußball ist Tagesgeschäft. Und auch wenn aufgrund der Länderspielpause für Hannover erst am 19. November zu Hause gegen den SC Paderborn das nächste Spiel ansteht, dürfte es bis dahin am Maschsee hoch hergehen. Die "Roten" haben nach 13 Zweitliga-Spieltagen 13 Punkte auf dem Konto, die spielfreie Zeit verbringen sie auf Rang 15. Und einen Platz hinter ihnen liegt Sandhausen, das wegen der Corona-bedingten Spielabsage gegen St. Pauli noch eine Partie in der Hinterhand hat.
Herbst 2021: Steife Brise statt Aufbruchstimmung
Allen Beteiligten war schon vor Saisonbeginn klar gewesen, dass es eine schwierige Spielzeit werden würde. Nach dem Zweitliga-Abstieg 2019 hatte der Club trotz großen finanziellen Aufwands als Tabellen-Sechster und -Zwölfter zweimal deutlich die angepeilte Rückkehr in die Bundesliga verpasst. Besonders das schlechte Abschneiden 2020/2021 wurmte 96-Boss Martin Kind: "Das war völlig unbefriedigend." Schließlich sei Hannover "mit einer der teuersten Mannschaften in die Saison gegangen".
Für viele überraschend verpflichtete Kind im Sommer den als Trainer im Profibereich unerfahrenen Zimmermann, der nach seinem feststehenden Wechsel, noch den TSV Havelse in die Dritte Liga führte. In Marcus Mann kam ein für den Managerposten ebenfalls recht unbeschriebenes Blatt.
Die neuen, frischen Gesichter sollten in Niedersachsens Landeshauptstadt trotz sehr starker Konkurrenz in der Liga und finanzieller Einschnitte für Aufbruchstimmung sorgen. Zimmermann als bekennender Förderer von Talenten bei 96 eine Neuauflage der "jungen Wilden" initiieren. Doch auch weil es eine Fehleinschätzung war, Lukas Hinterseer könnte den für über drei Millionen Euro nach Bremen transferierten Marvin Ducksch als Torjäger ersetzen, ist die Stimmung bei den "Roten" mittlerweile sehr getrübt.
96-Boss Kind: "Wir wollen Jan helfen"
Kind hatte nach Zimmermanns Verpflichtung im NDR Interview von einer mittelfristigen Planung gesprochen. Auf einer "Zeitachse von drei Jahren" wolle Hannover wieder aufsteigen. Eine neue Weitsicht, die Zimmermann nun in Ruhe arbeiten lässt? Ausgerechnet in Hannover, wo es eigentlich üblich ist, dass bei solch einer Talfahrt in der Liga der Trainer ausgewechselt wird?
Die Statements der vergangenen Tage vermitteln einerseits den Eindruck, sind aber auch widersprüchlich. Kind kündigte zwar bereits vor der Partie beim "Sportbuzzer" eine kritische Analyse an, betonte aber auch: "Wir wollen Jan helfen." Und Mann erklärte bei "sky" wenige Minuten vor dem Anpfiff in Düsseldorf, eine Trainerdiskussion gebe es in Hannover nicht. Warum? Weil der Club mit der Arbeit Zimmermanns sehr zufrieden sei.
Zimmermann: Manchmal reichen wenige Worte
Dass es auch anders, eben erfolgreicher, geht, hatte die Mannschaft in der Vorwoche im Pokal gezeigt, als sie ausgerechnet gegen Düsseldorf zu einem ungefährdeten 3:0-Erfolg gestürmt war. Beim Wiedersehen im Rheinland verschlief 96 dann fast die gesamte erste Hälfte. Das Fan-typische "Wir wollen euch kämpfen sehen" sprach Bände.
"In der zweiten Halbzeit haben wir ein anderes Gesicht gezeigt, da waren wir Hannover", sagte Florent Muslija, ohne dessen Geniestreich in der Nachspielzeit der Punktgewinn (Zimmermann: "Den nehmen wir gerne mit.") trotzdem nicht möglich gewesen wäre.
Wieso sein Team erst so spät in die Partie gefunden hatte, konnte sich Zimmermann nicht erklären. "Grundsätzlich fällt mir eigentlich immer relativ schnell viel ein, heute muss ich schon ein bisschen länger überlegen." Um dann zum Abschluss auf Nachfrage zu erzählen: "Ich habe Flo Muslija einfach gesagt, dass für mich nur zählt, dass er ein Tor schießt. Das hat er gemacht. Das hätte ich vielleicht mal ein paar Wochen früher machen sollen."
Manchmal reichen wenige Worte. Bei der "kritischen Analyse" wird Zimmermann sicher mehr zu sagen haben. Und dann dürfte er auch gegen Paderborn noch auf der 96-Bank sitzen. Sofern die Verantwortlichen zu ihren Worten stehen.