Nach wilden Walter-Jahren: Hat sich der HSV unter Baumgart verbessert?
"Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften", heißt es oft im Sport und Baumgart ist genau mit diesem Credo die Aufgabe beim HSV angegangen. Das jüngste 1:1 bei Greuther Fürth war das fünfte Spiel unter dem neuen Coach und ein weiterer Beleg für die Tatsache: Die wilden Walter-Jahre sind in Hamburg vorbei.
Beginnend mit dem Heimspiel am heutigen Sonnabend (13 Uhr, im NDR Livecenter) gegen den frisch gebackenen DFB-Pokal-Finalisten 1. FC Kaiserslautern zählen für den HSV im Aufstiegsrennen eigentlich nur noch Siege.
Es geht um das große Ziel "Direktaufstieg", wobei Platz zwei schon sieben Punkte entfernt liegt und Relegationsrang drei realistischer scheint. Die GSN-Datenanalyse der restlichen Saisonspiele sieht die Hamburger aktuell gar nur auf Platz vier der Endabrechnung.
"Wenn wir oben ran wollen, müssen wir Spiele gewinnen", sagt Baumgart, der sicher nicht für langweiligen Ergebnis-Fußball steht, aber ebenso wenig mit wehenden Walter-Fahnen untergehen will.
Weniger Gegentore unter Baumgart
Während sein Vorgänger im anspruchsvollen 4-3-3-System die totale Ball- und Spielkontrolle wollte und dabei oft von der Fehlerquelle Mensch ausgebremst wurde, hat Baumgart den Hamburgern mit seinem bevorzugten 4-1-3-2-System eine Stabilitätskur verordnet - vor allem durch einen defensiven Mittelfeldspieler vor der Viererkette.
Das trägt Früchte. Der Baumgart-HSV lässt im Schnitt weitaus weniger gegnerische Schüsse zu. Waren es vorher 12,36 pro Partie, sind es nun nur noch 7. Der Ligadurchschnitt liegt bei knapp 13. Da ist es fast logisch, dass die Hanseaten ihren eigenen Kasten zuletzt auch viel sauberer gehalten haben - 1,5 Gegentoren stehen nun nur noch 1,00 gegenüber, was deutlich unter dem Ligaschnitt liegt (1,56).
Beim HSV hakt zurzeit eher weiter vorne. Mit größerer physischer Präsenz (gestiegene Zweikampfwerte) und einem direkteren Spiel in die Doppelspitze (öfter lange Bälle) sollen Spiele gewonnen werden.
Vordergründig klappt das auch recht gut. Baumgarts Team erobert im letzten Drittel öfter als vorher den Ball - knapp viermal so oft wie unter Walter - und taucht häufiger im gegnerischen Strafraum auf (19 zu 17,73).
Weniger Chancen und Torabschlüsse der Stürmer
Unterm Strich produziert der HSV aber weniger Torgefahr. Die Angriffe mit Abschluss sind generell weniger geworden (von 14,23 auf 13,40 gesunken) und im Speziellen auch die Torabschlüsse der Stürmer (von 5,09 auf 3,60). Im Schnitt haben Baumgarts "Rothosen" gut zwei Torchancen weniger pro Partie.
Die "Expected goals" pro Spiel lagen bei Walters Wilden bei stattlichen 2,00. Mit Baumgart sind es nur noch 1,43 und damit weniger als der Ligaschnitt (1,61). Und: Bei Walter performte der HSV mit tatsächlichen 2,05 Toren pro Spiel über, im Baumgart-System mit 1,20 Treffern aktuell unter.
Glatzel fehlt auch gegen Kaiserslautern
Dabei führt die Spur unweigerlich zu Robert Glatzel. Hamburgs Top-Angreifer (16 Saisontreffer, sieben Vorlagen) könnte der entscheidende Faktor sein. Doch nachdem der 30-Jährige schon gegen Fürth wegen Oberschenkel-Problemen kurzfristig passen musste, wird er auch gegen Kaiserslautern ausfallen. "Er ist krank. Das ist jetzt der Hauptgrund. Alles andere ist auf einem guten Weg", sagte Baumgart am Donnerstag.
Ein herber Schlag für den HSV, der auf die individuelle Klasse Glatzels im Saisonendspurt angewiesen sein wird, wenn die Offensive zusammen mit der stabilisierten Defensive die "Meisterschaft" zumindest in Form des Relegationsrangs erringen soll.