Tim Walter, Trainer des Fußball-Zweitligisten Hamburger SV © IMAGO / Zink

Der HSV und die "W"-Frage: Weiter mit dem "wilden" Walter?

Stand: 17.12.2023 17:03 Uhr

Beim HSV steht in den kommenden Tagen die Analyse der insgesamt durchwachsenen Hinrunde in der 2. Liga an. Trotz des 2:0-Erfolges am Sonnabend beim 1. FC Nürnberg und dem Überwintern auf Relegationsplatz drei ist die Zukunft von Coach Tim Walter bei den Hamburgern offen. Sportvorstand Jonas Boldt vermied nach der Partie beim "Club" ein Bekenntnis zu dem Trainer.

von Hanno Bode

So richtig besinnlich dürften die Vorweihnachtstage an der Sylvesterallee wohl nicht werden. Denn beim dort beheimateten Traditionsclub Hamburger SV - in längst vergangenen Tagen ein Schwergewicht im deutschen Fußball - werden die Verantwortlichen die ersten 17 Spiele in der nun bereits sechsten Zweitliga-Saison des früheren Bundesliga-"Dinos" sezieren. Dass die Hinrunde nicht nach seinem Gusto war, hat Jonas Boldt, Vorstand Sport und Kommunikation der HSV Fußball AG, bereits vor dem offenbar ergebnisoffenen Gedankenaustausch erklärt.

"Der Stand der Dinge ist relativ nüchtern betrachtet, dass wir 31 Punkte nach 17 Spielen haben. Ich glaube, dass sind ein paar Punkte zu wenig für unseren Anspruch. Und deswegen werden wir jetzt ganz in Ruhe überlegen, was der Hintergrund dafür war, was wir besser machen können und wie wir mit voller Energie in der Rückrunde angreifen können", sagte der 41-Jährige am Sonnabend nach der Partie in Nürnberg.

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Die Hamburger Vorstellung bei den Franken war ein Abbild ihrer Hinrunde. Im Rückzugsverhalten und der Arbeit gegen den Ball zeigte das Team wieder einmal Defizite und hatte bei drei Nürnberger Aluminium-Treffern Fortune, nicht in Rückstand zu geraten. Offensiv lief bei den Gästen auch lange nicht viel zusammen. Am Ende war es einmal mehr die individuelle Klasse ihres Torjägers Robert Glatzel, der das wichtige 1:0 erzielte, sowie ein Treffer des eingewechselten Jean-Luc Dompé, die dem HSV den zweiten Auswärtssieg in dieser Saison bescherten.

HSV-Trainer Tim Walter © picture alliance/dpa
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Mit "Mund abputzen - weitermachen", hatte ein ziemlich berühmter früherer deutscher Nationaltorwart solche glücklich zustandegekommenen Arbeitssiege einmal tituliert. Dass am Volkspark nun aber einfach so weitergemacht wird, darf bezweifelt werden.

Boldt vermeidet Treuebekenntnis zu Walter

Auch wenn Boldt Walter nicht öffentlich kritisierte, scheint der allmächtige Vorstand inzwischen Zweifel an seinem Trainer zu haben, den er zweieinhalb Jahre lang bei jeder Gelegenheit stützte. "Ich habe immer eine Richtung im Kopf. Wir wissen, dass Fußball ein dynamisches Geschäft ist", sagte der 41-Jährige dem "kicker". Was genau der Manager mit der Formulierung "dynamisches Geschäft" meinte, blieb im Dunkeln. Sprach er damit auf ständige Veränderungen in einer sehr schnelllebigen Branche an? Oder meinte er, dass gerade im Ergebnissport Fußball gewisse Dinge wie Personalentscheidungen eine Eigendynamik gewinnen können?

Funkel und Breitenreiter potenzielle Nachfolgekandidaten?

Seltsam jedenfalls ist, dass ausgerechnet vor dem Hinrunden-Finale in Nürnberg erstmals in der Amtszeit von Walter Gerüchte über potenzielle Nachfolgekandidaten aufkamen. So berichtete die "Sport Bild" davon, dass Boldt bereits mit Trainer-Routinier Friedhelm Funkel sowie André Breitenreiter gesprochen habe. Funkel dementierte am Sonntag gegenüber dem NDR den Kontakt zum HSV.

Auch Vorstand Boldt hatte dies vor der Begegnung beim "Club" dementiert, sagte dann aber auch diesen etwas merkwürdigen Satz: "Ich habe die Diskussion nicht aufgemacht und ich sehe auch keinen Grund, sie in die eine oder andere Richtung totzumachen."

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"Sind wir auf dem richtigen Weg?

Mit einem klaren Bekenntnis zu Walter hätte Boldt die Diskussion um seinen leitenden Angestellten beenden können. So wie er es im vergangenen Sommer getan hatte, als er nach dem Scheitern in der Relegation gegen den VfB Stuttgart erklärte, dass Walter "selbstverständlich" Trainer bleibe. Ein halbes Jahr und zu viele bedenklich schwache Auftritte später scheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Vorstand die Reißleine zieht.

"Wo haben wir uns verbessert? Wo können wir uns weiter verbessern? Man muss gucken, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder vom Weg abgekommen sind, und was wir brauchen, um endlich unser Ziel zu erreichen", sagte er mit Blick auf die anstehende Analyse.

Aufsichtsrat und Anteilseigner Kühne schweigen

Während Boldt immerhin Rede und Antwort stand - ohne dabei allerdings etwas wirklich Konkretes zu sagen -, herrscht ansonsten beim HSV das große Schweigen. Der Aufsichtsrat äußert sich seit gefühlten Ewigkeiten nicht zur sportlichen Situation. Und Anteilseigner Klaus-Michael Kühne, der in der Vergangenheit das Herz auf der Zunge trug ("Der HSV ist ein Phänomen, weil die Luschen immer hier hängen bleiben"), hat sich ebenfalls lange nicht zu Wort gemeldet.

Man kann beinahe den Eindruck gewinnen, dass sich Kühne und Co damit arrangiert haben, dass der früher einmal so ruhmreiche Club nun ein normaler Zweitligist ist. Oder es braut sich gerade etwas zusammen über dem Volkspark.

"Walter-Ball" hat an Attraktivität verloren

Natürlich ist es auch Walter nicht entgangen, dass sich der Wind an der Sylvesterallee gedreht hat. Vor der Nürnberg-Partie sprach er etwas kryptisch davon, dass er wisse, "was Sturm in Hamburg bedeutet". Der Erfolg bei den Franken hat nichts daran geändert, dass ihm weiter eine steife Brise um die Ohren weht. Zum einen, weil die Hinrunden-Ausbeute wie von Boldt klar kommuniziert unbefriedigend ist. Zum anderen kann er nach dem vergangenen Halbjahr nicht einmal mehr mit Überzeugung argumentieren, dass sein Team zumindest immer spektakulär Fußball gespielt habe.

Zu viele Auftritte waren langatmig, einige sogar langweilig. Der "Walter-Ball", zwei Jahre lang Alleinstellungsmerkmal der Hamburger in der Zweiten Liga, hat an Wucht und Attraktivität verloren.

"Haben unseren Anspruch nicht immer ganz erfüllt"

"Unser Anspruch ist hoch, den haben wir nicht immer ganz erfüllt", gab der Trainer nach dem Hinrunden-Abschluss zu. Dem 48-Jährigen ist bewusst, dass seine Arbeit kritisch beäugt wird: "Wir tun gut daran, uns darüber zu unterhalten, was wir besser machen können. Das ist unser Anspruch. Wir wollen besser sein, wir wollen mehr Siege - und wir wollen letztendlich dann auch aufsteigen."

Bleibt allerdings die Frage, ob die HSV-Verantwortlichen ihm überhaupt noch zutrauen, ein "Bessermacher" zu sein...

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 17.12.2023 | 23:35 Uhr

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