Wiedersehen mit Unions Rothe: Stoppt Holstein Kiel den Shootingstar?
In Rendsburg geboren, in Hamburg aufgewachsen, bei Holstein Kiel den Durchbruch im Profi-Fußball geschafft: Heute kehrt Tom Rothe mit Union Berlin erstmals an die Förde zurück. Die "Störche" wollen ihren ersten Bundesliga-Sieg feiern.
Was einen Norddeutschen ausmacht, wird Rothe im Interview mit dem Club-TV der "Eisernen" nach seinem Wechsel in die Hauptstadt gefragt. Der 1,93-Meter-Mann, der Hamburg als seine Heimat bezeichnet, muss kurz überlegen und sagt dann mit einem breiten Grinsen: "Ich bin auf jeden Fall an schlechtes Wetter gewöhnt. An Wind, an Regen."
Der frischgebackene U21-Nationalspieler ist ein "Sonny-Boy", der mit seinen blonden Locken sicher auch als Surfer eine gute Figur machen würde. Doch der Mannschaftssport Fußball hatte es ihm schon früh angetan - und spätestens seit Kieler Tagen weiß der geneigte Fan, wie sehr Rothe es mag, "die ganze linke Seite für mich zu haben und da hoch- und runterzulaufen".
Union-Präsident Dirk Zingler sagte zuletzt sogar in der "Bild": "Tom wird sicherlich der zukünftige linke Außenverteidiger in der Nationalmannschaft sein. Er ist der beste 19-Jährige, den wir auf dieser Position haben." Heute (15.30 Uhr/im NDR Livecenter) kommt es im Holstein-Stadion zum Wiedersehen.
Remberg will Rothe heißen Empfang bereiten
"Ich grätsch' ihn mal um. Das weiß er, damit muss er umgehen können", kündigt Nicolai Remberg, genannt "Rambo", im Gespräch mit dem NDR an - nur halb im Spaß. Sie hätten vor dem Duell schon "ein bisschen gequatscht". Die Vorfreude sei groß.
"Ich grätsch' ihn mal um. Das weiß er, damit muss er umgehen können." Kiels Nicolai "Rambo" Remberg freut sich aufs Wiedersehen
"Tom ist ein sehr feiner Junge. Er hat eine super professionelle Einstellung zu der Geschichte und ein sehr gutes Mindset", fügt Trainer Marcel Rapp hinzu: "Wir sind sehr dankbar gewesen, dass er bei uns war."
"Der falsche Verein": Als HSV-Fan bei St. Pauli
Rothe stammt aus Rendsburg. Als er zwölf Jahre alt war, zog die Familie nach Hamburg um. Früh interessierte sich der HSV für das Talent des SC Nienstedten. Eigentlich schon die Erfüllung eines Traums - denn wie sein Vater war er Fan des HSV. Doch er entschied sich für die Freunde und gegen das Nachwuchsleistungszentrum.
Anders war es dann, als zwei Jahre später der FC St. Pauli anfragte. Rothe fühlte sich nun bereit für den nächsten Schritt hin zum Traum "Fußball-Profi". Eigentlich sei es "der falsche Verein" gewesen, aber er fühlte sich auch bei den Kiezkickern wohl.
Und er wusste zu überzeugen. Drei Jahre später bog er dann wirklich Richtung Profi-Karriere ab. Wechsel zu Borussia Dortmund - und damit weg von zu Hause. In der ersten Saison wurde er gleich deutscher A-Junioren-Meister. Und weil es bei den Profis grad Personalengpässe gab, feierte er im Alter von 17 Jahren im April 2022 bereits sein Bundesliga-Debüt.
Eine "unbeschreibliche" Premiere in der Bundesliga
"Das war unbeschreiblich", sagt Rothe. Knapp 80.000 Zuschauer im Dortmunder Stadion. Trainer Marco Rose schickte den Youngster gegen den VfL Wolfsburg von Beginn an aufs Feld - und er traf auch noch nach einer Ecke von Julian Brandt per Kopf zum 1:0. Endstand - 6:1 für den BVB.
Aber: "Vielleicht habe ich danach meine Erwartungen zu hoch gesetzt", blickt er zurück. Bei den Profis konnte sich der "Schlacks" damals noch nicht durchsetzen. Mehr als ein paar Joker-Einsätze waren nicht drin. "Es ging alles sehr schnell, aber ich habe meine Schlüsse daraus gezogen. Der Herrenbereich ist ganz anders als die Jugend - viel körperlicher und intensiver."
Und um sich schneller daran zu gewöhnen, ging er einen Schritt zurück. In der U23 bekam er in der Dritten Liga die Einsatzzeit, die er brauchte. Und die Anfrage von Zweitligist Holstein Kiel im folgenden Frühjahr kam auch wie gerufen.
Rothe in Kiel eine Win-Win-Situation
Wie schnell es fortan für ihn bergauf gehen würde, dürfte sich Rothe aber nicht mal in seinen kühnsten Träumen ausgemalt haben. Der "Schienenspieler" war unter Rapp sofort gesetzt - und zahlte zurück. 33 Liga-Einsätze waren es am Ende, mit vier Toren und zehn Vorlagen!
"Wenn eine Mannschaft so gut funktioniert, funktioniert man ja auch selber noch mal besser. Es lief schon sehr, sehr gut." Tom Rothe über seine Zeit bei Holstein Kiel
Die Kieler hätten ihren Leihspieler gern gehalten, doch der Shootingstar war dem kleinen Kiel bereits entwachsen. Ein neuer Versuch in Dortmund stand im Raum. Aber seine Lieblingsposition gibt es im Dortmunder 4-5-1-System nicht. Außerdem wollte Rothe vor allem eines: spielen! Und so führte sein Weg in diesem Sommer zu Union.
Als sein Wechsel feststand, habe er eine Nachricht seines Kieler Mitspielers Steven Skrzybski bekommen, der selbst einst im Trikot der "Eisernen" gespielt hat. "Stevie hat geschrieben: Geiler Verein, freu dich drauf. Das wird super", erzählte Rothe, dessen Spielpraxis-Plan in Kiel "auf jeden Fall aufgegangen ist. Und wir hatten mit der Mannschaft ein Top-Jahr. Das war der Bonus."
Rothe passt ideal ins System von Union-Coach Svensson
In Berlin ist Rothe genauso schnell angekommen wie vor einem Jahr in Kiel. Am ersten Spieltag war er noch Zuschauer. In den folgenden fünf Spielen stand der Norddeutsche jedes Mal in der Startformation von Trainer Bo Svensson, bei dem der junge Mann für die linke Außenbahn genau ins System passt.
Mit St. Pauli und Borussia Dortmund hat Rothe in der noch jungen Saison bereits gegen zwei seiner Ex-Clubs gespielt - und mit dem 1:0 gegen die Hamburger und dem 2:1 vor der Länderspielpause zwei Siege davongetragen.
Kiel hofft auf ersten Bundesliga-Dreier der Geschichte
Sein Kieler Kumpel "Rambo" Remberg hofft, dass Rothe nicht auch noch gegen den dritten Ex-Club gewinnt. Gastgeschenke in Form von Punkten soll es auf keinen Fall geben. "Wir werden mal schauen, wie das Spiel ausgeht", so der 24-Jährige vielsagend.
Das klare Ziel ist es, am 7. Spieltag endlich den ersten Bundesliga-Sieg der Vereinsgeschichte einzufahren: "Wichtig ist es allemal. Und es wäre natürlich auch schön, hier zu Hause den Dreier zu holen."
Das sensationelle 2:2 bei Meister Leverkusen vor der Länderspielpause hat Lust auf mehr gemacht. Und dem Ex-Kollegen Rothe, der seit dem Sommer eher an Wannsee und Spree unterwegs ist, und seinem neuen Club wollen die "Störche" zeigen, wie stark der Wind an der Ostsee wehen kann.
Mögliche Aufstellungen
Holstein Kiel: Weiner - Ivezic, Erras, Geschwill - T. Becker, Gigovic, Knudsen, Holtby, Porath - Machino, Pichler
Union Berlin: Rönnow - Doekhi, Vogt, Diogo Leite - Trimmel, Kemlein, R. Khedira, Rothe - Jeong, Vertessen - Hollerbach