Wie gut passt Trainer Steffen Baumgart zum HSV?
Der neue Trainer Steffen Baumgart soll Fußball-Zweitligist HSV in den verbleibenden zwölf Partien zum Aufstieg in die Bundesliga führen. Wie gut passen Stil, Taktik und Philosophie des neuen Coaches mit dem Kader der Hamburger zusammen? Das sagen die Daten.
"Wenn jetzt einer von mir die Null erwartet: Ich glaube, wer meine Spiele beobachtet hat, wird selten erleben, dass man zu null spielt." Klingt nach Tim Walter? Gesagt hat das allerdings sein Nachfolger als HSV-Trainer bei seiner Präsentation am Dienstag als Antwort auf die Frage nach seinem Spielstil.
"Aber man wird in der Lage sein, vielleicht drei oder vier Torchancen mehr sich zu erarbeiten", fügte der gebürtige Rostocker noch hinzu. Die Zahl der Torgelegenheiten - selbst die der erzielten Treffer - aber ist aktuell nicht das Problem der Hamburger. Mit zwölf Toren im Kalenderjahr 2024 haben sie die zweitbeste Offensive hinter Hannover 96.
Die Schwierigkeiten bestehen am anderen Ende des Feldes: Gemeinsam mit Fortuna Düsseldorf hat der HSV mit elf Gegentreffern die schlechteste Rückrunden-Defensive der Liga. Durchschnittlich 2,2 Mal klingelte es in den fünf Partien im Januar und Februar im Kasten der "Rothosen". Zuviel für eine Mannschaft, die im sechsten Jahr endlich den Aufstieg in die Bundesliga schaffen will.
Ist Baumgart ein Walter 2.0?
Ist Baumgart also ein Walter 2.0? Zumindest werfen seine Aussagen die Frage auf, wie der 52-Jährige zu Kader, Spielstil, aber eben auch Defensivverhalten des Clubs passt. Wie hat er einst den SC Paderborn in die Bundesliga gehievt und zumindest temporär Erfolge mit dem 1. FC Köln gefeiert, bevor es nach einer desaströsen Hinrunde im vergangenen Dezember zur einvernehmlichen Trennung kam?
HSV-Sportvorstand Jonas Boldt hatte nach dem Rauswurf von Walter ausgerufen, "keine 180-Grad-Drehung" vollziehen zu wollen. Eine der größten Stärken Baumgarts ist seine Fähigkeit, einen starken Teamgeist zu fördern und eine positive Mentalität innerhalb seiner Mannschaften zu etablieren. Die GSN-Daten zeigen, dass er in dieser Hinsicht ein sehr gutes Match für die Hanseaten ist (88 Prozent Übereinstimmung).
In puncto Mentalität passt Baumgart sehr gut zum HSV
Dies könnte besonders wertvoll für den HSV sein, der in den vergangenen Jahren nach Konstanz und mentaler Stärke strebte. Baumgarts Ansatz könnte dazu beitragen, das Selbstvertrauen und die Entschlossenheit des Teams zu stärken, was in kritischen Momenten entscheidend sein kann.
Baumgart kommt mit der Erfahrung aus Bundesliga und 2. Liga in die Hansestadt. Sein GSN Trainer Index liegt bei knapp 71. Er steht damit an der Schwelle vom guten Bundesligatrainer zur internationalen Klasse. Eine Rückkehr ins Unterhaus stellt den Daten zufolge aufgrund seines Wissens um die spezifischen Anforderungen der Liga keine Schwierigkeit dar. Im Gegenteil: Seine Fähigkeit, Mannschaften für den Aufstiegskampf zu motivieren und taktisch auf Gegner einzustellen, kann für den HSV wertvoll sein.
Der neue Trainer steht für schnelles, vertikales Spiel
Die Daten zeigen zudem, dass Baumgarts offensive Ansätze sehr gut nach Hamburg passen können. In dieser Facette des Spiels gehen die Ideen des 52-Jährigen und die Anforderungen der Norddeutschen zu knapp 83 Prozent übereinander.
Mit seiner Präferenz für ein schnelles, vertikales Spiel könnte er helfen, die Effektivität linienüberspielender Pässe zu verbessern. In dieser Hinsicht ist der Tabellendritte aktuell im Ligavergleich Letzter.
Baumgarts Fokus auf Gegenpressing zielt darauf ab, den Ball schnell nach einem Verlust zurückzuerobern. Auch hier ist der Aufstiegsaspirant aktuell Schlusslicht der Liga. Sein Ansatz bei Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte könnte das deutlich verbessern.
Hohe physische und mentale Disziplin gefordert
Dieses intensive Pressing erfordert allerdings auch eine hohe taktische, physische und mentale Disziplin vom gesamten Team, insbesondere aber auch der Angreifer. Denn deren Einbindung in die Defensivarbeit ist ein Schlüsselelement seines Ansatzes. Dies würde den HSV in der ersten Verteidigungslinie stärken, aber es stellt auch hohe Anforderungen an die Stürmer, die offensiv wie defensiv viel leisten müssen. Eine Überlastung der Angreifer könnte deren Effektivität im Spiel nach vorne beeinträchtigen.
Und gesamtmannschaftlich gilt: Fehlen die Koordination oder die Kondition, könnte dies zu Lücken in der Defensive führen - insbesondere gegen Teams, die schnell umschalten können. Zumal das defensive Positionsspiel sowohl in Paderborn als auch in Köln eine der Schwachstellen in Baumgarts System war. Ein Grund, weshalb er hinsichtlich des Verteidigungsansatzes den Daten nach nur zu rund 65 Prozent zum HSV passt.
Baumgarts allgemeiner Fokus auf Offensive und Pressing könnte also bedeuten, dass spezielle Defensivtrainings und individuelle Anweisungen notwendig sind, um diese Schwachstellen anzugehen und Koordination und Kommunikation im Defensivverhalten der gesamten Mannschaft zu verbessern. Mit den Abständen untereinander hat er zumindest eines der Probleme am Dienstag bei seiner Vorstellung direkt adressiert.
Mit welcher Formation lässt Baumgart spielen?
Baumgart ließ viel im 4-4-2 (Paderborn) und 4-2-3-1 (Köln) spielen. Spannend wird zu sehen sein, ob er beim offensiven 4-3-3 des HSV bleibt, das unter Vorgänger Walter gesetzt wurde. In Köln hat er diese Formation gar nicht genutzt, in Paderborn nur selten.
Noch spannender aber wird wohl sein, wie er eine defensive Disziplin entwickelt. Denn Teams, die gut im Konterspiel sind und die erste Pressingreihe überspielen, könnten - nehmen Baumgart und sein neues Team keine Anpassungen vor - die offensiven Ambitionen des HSV ausnutzen und die bereits hohe Anzahl an Gegentoren weiter erhöhen. Bei seinem Debüt gegen die SV Elversberg (1:0), die genau das beherrscht, hatte seine Mannschaft zwar ein paar Mal gewackelt, sich insgesamt defensiv aber verbessert gezeigt.