Adrian Maleika - Der tragische Tod eines Fans
Am 17. Oktober 1982 starb der Bremer Fußballfan Adrian Maleika nach einem Hooligan-Überfall in der Nähe des HSV-Stadions. Sein Tod markierte eine Zäsur. Die Hamburger wurden jüngst mit einer Diskussion um den damals beteiligten rechten Fanclub "Die Löwen" von den Schatten der Vergangenheit eingeholt.
Am 16. Oktober 1982 besiegte der Hamburger SV in der zweiten Runde des DFB-Pokals Werder Bremen mit 3:2. Horst Hrubesch und Lars Bastrup (zwei) erzielten die Tore für die "Rothosen" bei Gegentreffern von Thomas Schaaf und Johnny Otten. 20.000 Zuschauer waren im Hamburger Volksparkstadion - ein junger Bremer Fan wäre auch gerne dabei gewesen, doch er erlebte den Anpfiff des Spiels nicht: Adrian Maleika wurde auf dem Weg ins Stadion von HSV-Hooligans überfallen und von einem Stein am Kopf getroffen. Der 16 Jahre alte Glaserlehrling starb am Tag darauf im Altonaer Krankenhaus.
Sein Tod bedeutete eine Zäsur in der Hamburger und Bremer Fußball-Fanszene. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Verhältnis zwischen den Werder- und HSV-Anhängern als recht normal gegolten. Bremer Fan-Veteranen charakterisieren es rückblickend sogar als "teilweise fast freundschaftlich".
Gedenktafeln an den Stadien
Werders langjähriger Manager Willi Lemke betonte stets, der Tod Maleikas sei der traurigste Moment seiner Amtszeit gewesen - doch mit der Erinnerung an die Tragödie im Hamburger Volkspark taten sich beide Clubs lange schwer. Vor rund zehn Jahren blieb die Sucheingabe auf den Homepages noch ohne Treffer - durchforstete man die Foren der Vereinswebsites, gab es immerhin den einen oder anderen Eintrag. Das Adrian-Maleika-Gedächtnisturnier wird seit 2004 nicht mehr ausgetragen - auch, weil die Angehörigen mit den gut gemeinten Veranstaltungen ihre Probleme hatten.
30 Jahre nach dem Ereignis, am 20. Oktober 2012, enthüllte Werder Bremen aber eine Gedenktafel in der Osttribüne des Weserstadions. Am 40. Todestag tat dies am Volksparkstadion auch der HSV. "Auch als Mahnung für die Zukunft", wie es heißt.
"Darf nicht in Vergessenheit geraten"
"Uns ist die legitime Kritik bewusst, dass es 40 Jahre brauchte, damit der Tod von Adrian auch in Hamburg ein würdiges Gedenken erfährt. Auch wenn die aktuell verantwortlichen Personen nichts dafür können, dass dazu zu lang geschwiegen wurde, liegt es umso mehr in unserer Verantwortung, Lehren daraus zu ziehen und zukunftsgewandt zu agieren", sagte der HSV-Fanbeauftragte Cornelius Göbel auf der Homepage des Vereins.
Auch Werders Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald betonte: "Die Geschichte von Adrian darf nicht in Vergessenheit geraten. Sie ist Mahnung, trotz aller sportlichen Rivalität und Konkurrenz die Grenze der körperlichen Unversehrtheit niemals zu überschreiten." Er habe allerdings "den Eindruck, dass aufgrund der langen Zeitspanne von nun vier Jahrzehnten diese Mahnung verblasst. Gerade deshalb ist das Gedenken von großer Wichtigkeit."
Hinterhalt im Volkspark
Was genau geschah am 16. Oktober 1982? Mit seinem Fanclub "Die Treuen" hatte sich Adrian Maleika aufgemacht zum Pokalauswärtsspiel beim HSV. Was heute unter den "Ultras" verpönt ist - nämlich gespickt mit Vereinsemblemen, Wappen und sonstigen Erkennungszeichen herumzulaufen -, war damals gang und gäbe. Es war die Zeit der Jeans-Kuttenträger. Doch Maleika hatte auf Fankluft verzichtet, war in Zivil unterwegs. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bremer Fans stieg die Maleika-Gruppe eine Station zu spät aus der S-Bahn und suchte sich vom S-Bahnhof Eidelstedt ohne jeglichen Polizeischutz den Weg zum Stadion.
Im unübersichtlichen Volkspark gerieten die knapp 150 jungen Leute in einen Hinterhalt. Der rechtsradikal unterwanderte HSV-Fanclub "Die Löwen", um den es unlängst beim HSV wegen eines Banners wieder Diskussionen gab, sowie Skinheads beschossen sie mit Gaspistolen und Leuchtraketen. Dann flogen dicke Mauersteine. Die Bremer flohen. Adrian Maleika, der im Gebüsch Schutz suchte, wurde jedoch am Hinterkopf von einem Stein getroffen und brach zusammen. Stunden später wurde sein bewusstloser Körper gefunden. Am nächsten Tag starb der 16-Jährige an den Folgen eines Schädelbasisbruchs und schwerer Gehirnblutungen.
Steinewerfer wurde nie ermittelt
Der öffentliche Aufschrei war groß. Zur Beerdigung kamen 600 Menschen, darunter die Bremer Mannschaft sowie die Vereinsmanager Lemke und Günter Netzer vom HSV. Der Steinewerfer wurde nie ermittelt. Acht Hamburger wurden angeklagt, drei wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Rädelsführer erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Die Hamburger Sportjugend rief mit Unterstützung der Hansestadt das bis heute bestehende HSV-Fanprojekt ins Leben. Verdienst dieses (sozial-)pädagogischen und jugendpolitischen Projekts ist es unter anderem, dass Teile der rechtsradikalen Szene zurückgedrängt wurden, die in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren im Umfeld des HSV aufgetaucht war. Die strikte Trennung der Fangruppen, in den 1980ern nicht üblich, wurde ebenso zur Regel wie die Videoüberwachung in den Stadien.
Rivalität zwischen Werder und HSV hält an
Bis heute überschattet Maleikas Tod das Verhältnis der Fanlager. Daran änderte auch der "Frieden von Scheeßel" im Januar 1983 nichts, bei dem beide Seiten auf Racheaktionen verzichteten. Die Bremer Fanszene sieht das Geschehen heute mehrheitlich als "äußerst tragischen Unglücksfall". Der Name Adrian Maleika ist noch immer präsent - leider auch, weil ihn einige Unverbesserliche beim Nordderby 2004 als Schmähung ("Adrian Maleika - die Steine fliegen weiter") skandierten. Die Antwort der Bremer war ein Plakat, auf dem Bomber-Flugzeuge über Hamburg zu sehen waren.
So brennt sich die Rivalität weiter bei den beiden Anhänger-Gruppen ein. Und das, obwohl eine Fan-Generation vorher eigentlich die richtigen Lehren aus dem Tod Maleikas gezogen worden waren. Lemke fährt immer noch regelmäßig durch die Reihenhaus-Siedlung in Bremen, in der Adrian Maleika mit seiner Familie wohnte. "Wir waren früher fast Nachbarn", sagte Lemke 2022 dem Portal "Deichstube", vor dem ehemaligen Haus von Maleika wird ihm dann immer "schwer ums Herz. Bis heute lässt mich die Sache einfach nicht los."