Wolfsburg und das Mittelmaß: Potenzial ist da - doch wer ruft es ab?
Der VfL Wolfsburg gehört noch immer zu den finanzstärksten Clubs der Fußball-Bundesliga. Dennoch werden die Niedersachsen wohl wieder die Europacup-Qualifikation verpassen. Wann ruft der VfL sein Potenzial endlich ab? Und kann dies mit Trainer Ralph Hasenhüttl gelingen? Das sagen die Daten.
Maximilian Arnold ist nicht nur Bundesliga-Rekordspieler des VfL Wolfsburg (372 Einsätze). Sondern auch derjenige, der mit großem Abstand die meisten Interviews direkt nach Abpfiff gibt, auch wenn es hierfür - fast schon überraschend - noch keine offizielle Statistik gibt.
Frage also an Arnold nach der aktuellen Lage bei den Niedersachsen: "Wenn es scheiße läuft, dann läuft es irgendwie auch scheiße." Gesagt nach dem 2:3 gegen RB Leipzig am vergangenen Spieltag, der vierten Niederlage in Serie. Am Sonnabend (15.30 Uhr) geht es zum 1. FSV Mainz 05.
Der VfL Wolfsburg, der noch immer üppig vom VW-Konzern alimentiert wird, wird sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wieder nicht für den Europacup qualifizieren und die vierte Saison in Folge im Bundesliga-Mittelfeld abschließen.
Hat Coach Hasenhüttl noch eine Zukunft beim VfL?
Was unweigerlich zur Frage führt, ob Ralph Hasenhüttl auch in der kommenden Spielzeit noch auf der Trainerbank sitzen wird. Geschäftsführer Peter Christiansen weicht Fragen zur Zukunft des Coaches zurzeit konsequent aus. In verschiedenen Medien werden bereits Nachfolger gehandelt, unter anderem St. Paulis Trainer Alexander Blessin.
Die Datenexperten von Global Soccer Network (GSN) haben den VfL Wolfsburg unter die Lupe genommen und kommen zu einer eindeutigen Einschätzung: "Wolfsburg zeigt in dieser Saison eine signifikante Unterperformance." Und zwar in allen Bereichen: "Das legt strukturelle Probleme nahe - etwa in der sportlichen Führung, im Coaching oder in der Kaderzusammenstellung und -führung", so die GSN-Einordnung der Lage am Mittellandkanal.
Nur kleine Schritte in die richtige Richtung
Der VfL hat den fünfthöchsten Etat der Liga und steht derzeit auf Rang zwölf. So weit liegen Anspruch und Wirklichkeit auseinander - und dies ist keine Momentaufnahme: Seitdem Trainer Oliver Glasner die "Wölfe" 2020/2021 in die Champions League geführt hat, landete der Club in der Bundesliga zweimal auf Platz zwölf und einmal auf Rang acht - pures Mittelmaß.
Hasenhüttl hat in seiner gut einjährigen Amtszeit durchaus Positives bewirkt, wie GSN betont: "Wolfsburg ist offensiv gefährlicher, effizienter und taktisch variabler geworden."
Aber: "Gleichzeitig bleiben strukturelle Defizite bestehen, insbesondere im Defensivverhalten und in der Spielkontrolle". Trotz der Verbesserungen ist der VfL taktisch noch relativ limitiert, zudem basiert die gute Offensivbilanz zu einem großen Teil auf den individuellen Fähigkeiten einzelner Spieler, beispielsweise Stürmer Mohammed Amoura, der mit zehn Treffern und zehn Vorlagen heraussticht.
Solide Grundlage ist vorhanden
Individualität in ein Gesamtkonzept einzubinden, Automatismen und klare Rollenverteilungen zu schaffen, für Ausgewogenheit auf dem Platz zu sorgen - an dieser Aufgabe ist Hasenhüttl bislang gescheitert. Erhält er in der kommenden Saison die Chance, für weitere Entwicklungsschritte zu sorgen und seinen bis 2026 datierten Vertrag zu erfüllen? Oder kommt die Clubführung zu dem Schluss, dass mit dem Österreicher keine entscheidenden Verbesserungen zu erreichen sind?
Ein aktionistischer Komplettumbau mit Trainerwechsel und zahlreichen Neuzugängen wäre laut GSN allerdings der falsche Weg, trotz der enttäuschend verlaufenen Saison. "Wolfsburg hat eine Grundlage, auf der aufgebaut werden kann", sagen die Datenexperten.
Drei Kaderbaustellen müssen bearbeitet werden
Das Gerüst des Kaders hat Qualität, die Spieler brauchen aber ein funktionierendes Konzept, oder noch besser: mehrere Konzepte, die das Team deutlich weniger ausrechenbar machen. Außerdem müssten laut GSN drei wichtige Kaderbaustellen bearbeitet werden.
In der Innenverteidigung braucht Wolfsburg einen klaren Chef. "Jemand, der die Abwehr nicht nur stabilisiert, sondern auch organisiert." Auch das defensive Mittelfeld benötigt einen klaren Leader: Jemanden, der Stabilität und Kreativität vereint - "ein Bindeglied zwischen Defensive und Aufbau".
Auf den Flügeln sollte sich Wolfsburg nach Spielern umsehen, die "sowohl im Eins-gegen-eins überzeugen als auch defensive Arbeit leisten - also moderne, beidseitig orientierte Flügelspieler".
Wer hat in der kommenden Saison das Sagen?
Lang ist die Liste nicht, wenngleich auch nicht einfach abzuarbeiten. Vor allem ein "Sechser" mit sowohl defensiven als auch offensiven Fähigkeiten steht bei so ziemlich jedem Verein ganz oben auf der Liste.
Doch der Werksclub hat ausreichend Geld, um gute Spieler zu verpflichten. Er müsste allerdings zunächst klären, wer dieses Geld ausgeben darf. Denn neben Hasenhüttl steht auch Sportdirektor Sebastian Schindzielorz möglicherweise zur Disposition. Weil Wolfsburg eben zum wiederholten Mal sein Potenzial nicht ausschöpft.
