Kylian Mbappé (r.) im WM-Finale gegen Argentinien © IMAGO / Shutterstock

Tempo-Fußball total: Wie sich das Spiel verändert hat

Stand: 14.02.2023 09:39 Uhr

Im Profifußball haben sich nicht nur die Rahmenbedingungen mit immer mehr Wettbewerben verändert, sondern auch das Spiel selbst. Die NDR Datenanalyse des europäischen Spitzenfußballs der vergangenen fünf Jahre zeigt, dass die Intensität auf Topniveau teilweise extrem gestiegen ist und auch Weltmeister macht.

von Matthias Heidrich, Tom Gerntke und Sebastian Ragoß

Niko Kovac hat über 500 Spiele in seiner fast zwanzigjährigen Profikarriere gemacht, 83 Mal das kroatische Nationaltrikot getragen und als Trainer unter anderem Eintracht Frankfurt, Bayern München oder die AS Monaco zu Erfolgen gecoacht. Wenn der 51-Jährige im NDR Interview sagt, dass "im Fußball schnelles und intensives Laufen sehr wichtig ist", klingt das banal. Aber Kovac weiß wie kein Zweiter, wovon er spricht und hat nicht von ungefähr den VfL Wolfsburg aktuell zu einer der fittesten Mannschaften in der Bundesliga gemacht.

"Ich habe das Gefühl, zu ersticken"

Abseits des Rasens werden immer kühnere (Spiel-)Pläne für noch mehr Fußball geschmiedet. Das bedeutet noch mehr Spiele und lässt Top-Profis wie den französischen Weltmeister Raphaël Varane die Reißleine ziehen.

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Raphaël Varane am Boden © IMAGO / Shutterstock

Topstars am Limit? Analyse zur Belastung im Profifußball

72 Spiele in einer Saison oder knapp 100 Minuten im Schnitt pro Partie auf dem Platz: Die NDR Datenanalyse zeigt, dass die Belastung auf Topniveau immens ist. mehr

Aber auch auf dem Rasen hat sich der Fußball verändert. Er fordert den Spielern in puncto Tempo und Intensität viel mehr ab als zu Kovac-Zeiten, aber auch im Vergleich zu vor fünf Jahren. "Es sind sehr viel mehr Sprints und intensive Läufe geworden", sagt der VfL-Coach und vermutet, dass "die Gesamtlaufdistanz nicht so viel mehr geworden ist."

Tatsächlich ist diese allgemeine Tendenz aus den GSN-Daten für die fünf europäischen Topligen und die Champions League herauszulesen. Es wird nicht mehr, aber intensiver gelaufen und im allerhöchsten Tempo agiert. Gleichzeitig geht es weniger körperlich zu.

Niemand ist schneller als der Ball, selbst Mbappé nicht

Die spanische Primera Division ausgenommen, fallen die Top-Speed-Werte überall höher aus als noch vor fünf Jahren. Am deutlichsten ist der Anstieg in der Champions League - von 33,8 km/h in der Saison 2017/2018 auf 36,70 km/h in der Spielzeit 2021/2022. Kylian Mbappé und Co. lassen grüßen. Und trotzdem wird nicht nur Kovac der alten Fußball-Weisheit beipflichten: Niemand ist schneller als der Ball.

Kylian Mbappé liegt am Boden © Witters
AUDIO: Topstars am Limit? Überbelastung im Fußball (2 Min)

Das Spieltempo, gemessen an den Pässen pro Minute, ist flächendeckend gestiegen. Die Ausnahme bildet auch hier nur Spanien. Den Höchstwert liefert wiederum die "Königsklasse" mit 18,94 aus der Saison 2020/2021. Die französische Ligue 1 steigerte sich am deutlichsten von 17,68 (17/18) auf 18,56 (21/22).

Sprinten bis der Arzt kommt

Welche Entwicklung der Spitzenfußball genommen hat, zeigt vor allem die Sprint-Statistik der vergangenen Jahre. In der Bundesliga sind es im Vergleich 2017/2018 (rund 443 Sprints pro Partie) zur Saison 2021/2022 (459) pro Spiel 16 Sprints mehr. In der Premier League, die zu Recht als das Nonplusultra beim Thema Tempo gilt, sind es 58! Auch die intensiven Läufe sind auf der Insel in diesem Zeitraum um 51 pro Partie am stärksten gestiegen.

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Kylian Mbappé liegt am Boden © Witters

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Gleichzeitig ist die Intensität gemessen am Anteil von Fouls bei Zweikämpfen eher gesunken oder auf gleichbleibendem Niveau. Zweikämpfe werden in allen Ligen und auch in der Champions League immer weniger geführt.

Sprint-WM Katar - Argentinien intensiv zum Sieg

Das ist bei den Daten der drei jüngsten Weltmeisterschaften ebenso zu sehen. Gerade bei den Sprints - 435 pro Partie 2014 in Brasilien gegenüber 500 in Katar - fällt der Anstieg am deutlichsten aus. Im Vergleich der beiden Finalisten hatte das unterlegene Frankreich (317 Sprints pro Partie) gegenüber Argentinien (309) die Nase vorn. Mbappé grüßt erneut. Die Südamerikaner glänzten allerdings bei intensiven Läufen (665 zu 632), Spieltempo und auch der Gesamtlaufleistung (118 km zu 115).

Messi passt in kein Schema

Lionel Messi reißt gemessen an seinen 39 Spielen der laufenden Saison im Schnitt knapp 60 intensive Läufe und 30 Sprints pro Partie ab. Herausragende Werte für den 35 Jahre alten Weltmeister

Wer das wilde Finale der Winter-WM verfolgt hat, kann sich allerdings nicht von dem Gedanken freimachen, dass Daten den Fußball nicht vollends erklären können. Und dass Spieler wie Messi auf eine Art und Weise sprinten, intensiv laufen und passen, die keine Statistik erfassen kann und die das Spiel trotzdem grundlegend verändert.

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Symbolbild Fußball-Daten © Imago / STPP

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 14.02.2023 | 10:17 Uhr

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