Anteile am Millerntor und Mitbestimmung: So plant St. Pauli seine Genossenschaft
Mini-Investoren statt Groß-Investor: Als erster Profi-Fußballverein gründet der FC St. Pauli eine Genossenschaft. Vor allem Fans sollen Mitglieder werden und können Anteile am Millerntor-Stadion kaufen. Der Startschuss soll Mitte Oktober fallen. Der Club hofft auf bis zu 30 Millionen Euro.
"Wir haben immer den Anspruch gehabt, eine Finanzierungsform zu finden, die wirklich zu uns als Verein passt", sagt St. Paulis kaufmännischer Geschäftsleiter Wilken Engelbracht. Die optimale Lösung aus Sicht des Bundesligisten: eine Genossenschaft. Eine Finanzierungsform, die als basisorientiert, demokratisch, nachhaltig und als besonders krisenfest gilt. Nicht ein Groß-Investor, sondern viele Mini-Investoren sollen St. Pauli künftig also wirtschaftlich voranbringen.
St. Pauli hofft auf bis zu 30 Millionen Euro
Die neue Genossenschaft verkauft Anteile für jeweils 750 Euro plus 100 Euro Zeichnungs- und Verwaltungsgebühr. St. Pauli rechnet damit, dass 20.000 bis 30.000 Menschen einen oder mehrere Genossenschaftsanteile kaufen werden. Dadurch sollen bis zu 30 Millionen Euro zusammenkommen. Mit diesem Geld übernimmt die Genossenschaft die Mehrheit an St. Paulis Stadionbetriebsgesellschaft und damit am Millerntor-Stadion.
Infrastruktur ausbauen und Kredite tilgen
Für St. Pauli hat das Modell mehrere Vorteile. Die wichtigsten Punkte: Mit dem Geld aus den Anteilsverkäufen können neue Infrastrukturprojekte, wie der Neubau des Trainingszentrums, angeschoben werden. Außerdem sollen alte Kredite vorzeitig getilgt werden. Starke finanzielle Belastungen durch hohe Zinszahlungen an Banken würden dadurch entfallen.
"Die Idee, dass alle Fans gemeinsam - jede und jeder mit einer gleichwertigen Stimme - den Verein wirtschaftlich tragen, ist großartig und einzigartig im Fußball." Genossenschafts-Vorstand Andreas Borcherding
Aktuell müssen allein für den Neubau des Millerntor-Stadions, der vor fast zehn Jahren abgeschlossen wurde, noch Darlehen in Höhe von 15 Millionen Euro zurückgezahlt werden. Dazu kommen weitere Kredite aus der Coronazeit. Im vergangenen Geschäftsjahr verbuchte St. Pauli auch wegen der hohen Zinsbelastungen ein Minus von fast fünf Millionen Euro.
Nur eine Stimme, egal wie viele Anteile
Mit der Genossenschaft will St. Pauli auch ein Zeichen setzen. Die "Football Cooperative St. Pauli" (FCSP eG) soll ein Gegenentwurf zur Macht der Großinvestoren und zum Ausverkauf des Profi-Fußballs sein. "Die Idee, dass die Fans gemeinsam den Verein wirtschaftlich tragen, ist einzigartig im Fußball", meint der Genossenschafts-Vorstand Andreas Borcherding. Mit viel Geld kann man zwar auch bei St. Paulis Genossenschaft viele Anteile kaufen - mehr Einfluss bekommt man dadurch aber nicht. Jeder Anteilseigner hat genau eine Stimme, auch wenn er mehrere Anteile besitzt.
Ziehen andere Clubs nach?
Das Interesse an der Idee ist bereits riesig. Für die erste Informationsveranstaltung zur neuen Genossenschaft wurde der FC St. Pauli mit Anmeldungen überschwemmt. Auch andere Profivereine beobachten das Projekt des Millerntorclubs genau. Engelbracht sieht die Vorreiter-Rolle von St. Pauli positiv: "Wir wollen nicht der einzige Verein mit einer Genossenschaft bleiben und haben großes Interesse daran, dass es Nachahmer gibt."
"Emotionale" und echte Rendite
Für die Anteilseigner soll die Genossenschaft eine solide Geldanlage werden. Die Einnahmen durch Stadionverpachtung und Sonderveranstaltungen sind abschätzbar. Ebenso die Ausgaben für den laufenden Betrieb. St. Pauli rechnet deshalb damit, dass die Genossenschaft eine Rendite erwirtschaften wird. Anteilseigner können mit etwa zwei Prozent Zinsen kalkulieren.
Startschuss soll Mitte Oktober fallen
Dazu kommt das, was der Verein als "emotionale Rendite" bezeichnet: Ab Mitte Oktober - Wunschdatum des Clubs wäre in Anlehnung an das Gründungsdatum der 19.10. - sollen St. Pauli-Fans und Mitglieder die Möglichkeit haben, einen Teil "ihres" Stadions zu erwerben. Die Zeichnungsfrist soll bis zum kommenden Frühjahr laufen. Falls die Genossenschaftsanteile nicht schon vorher vergriffen sind.