FAQ: Das bedeutet eine Genossenschaft für den FC St. Pauli
Es ist ein Novum im deutschen Profifußball: Der FC St. Pauli gründet eine Genossenschaft, Starttermin ist der 10. November 2024. Die Idee gab es bereits vor einigen Jahren, wurde dann aber verworfen. Diesmal wird der Plan Realität. Doch warum gerade jetzt? Und welche Folgen hat dieser Schritt für den Bundesligisten? Die wichtigsten Fragen und Antworten bei NDR.de.
Worum geht es?
Mitglieder und Fans der Hamburger können ab dem 10. November Anteile für die "Football Cooperative Sankt Pauli 2024 eG" erwerben. Die Kosten belaufen sich laut des Kiezclubs auf jeweils 850 Euro. Durch den Verkauf der Anteile wollen die Braun-Weißen bis zu 30 Millionen Euro einnehmen. Die Zeichnungsphase soll voraussichtlich bis Ende Januar 2025 laufen.
Mit dem Geld möchte der Verein seine Corona-Hilfen sowie seine Darlehen für das Stadion vorzeitig tilgen. Die Genossenschaft soll zudem nach dem Ende der Zeichnungsphase die Mehrheit am Millerntor-Stadion übernehmen.
Genossenschaft: Was steckt dahinter?
In Deutschland gibt es rund 7.500 Genossenschaften in den verschiedensten Bereichen: Energie, Immobilien, Versorgung, Kreditwesen, Landwirtschaft, … Ziel ist es dabei nicht, möglichst viel Profit zu machen. Vielmehr sollen die Mitglieder der Genossenschaft gemeinschaftlich an einem Ziel arbeiten und auch gemeinschaftlich davon profitieren. Getreu dem Motto: Einer für alle - alle für einen!
Mitglied werden kann praktisch jeder, der einen oder mehrere Anteile an der Genossenschaft erwirbt. Das Besondere dabei: Unabhängig von der Zahl der Anteile und der Höhe der Investition hat jedes Mitglied bei Entscheidungen nur eine Stimme. Genossenschaften gelten auch deshalb als basisorientiert, demokratisch, nachhaltig und zudem als besonders krisenfest. Die Insolvenzrate liegt dank umfangreicher Prüfvorschriften gerade einmal bei 0,1 Prozent.
Was macht eine Genossenschaft für den FC St. Pauli so interessant?
Der FC St. Pauli benötigt Geld. Unter anderem für den geplanten Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums an der Kollau. Eine Möglichkeit wäre es, einen oder mehrere Investoren ins Boot zu holen und entsprechend Anteile zu veräußern. Dafür könnte zum Beispiel die Profiabteilung ausgegliedert werden. Angesichts der drohenden Abhängigkeiten und des externen Einflusses gilt diese Variante für den mitgliedergeführten FC St. Pauli aber als ausgeschlossen. Ebenso Sponsoring-Maßnahmen wie der Verkauf des Stadionnamens.
Das Genossenschaftsmodell könnte beim FC St. Pauli beide Lücken schließen: Zum einen das dringend benötige Kapital sicherstellen, zum anderen dafür sorgen, dass Entscheidungen auf einer möglichst breiten Mitglieder-Basis gefällt werden. Denn Genossenschaften richten sich primär an Kleinanleger, die unabhängig von ihrer Einlage mitbestimmen und sich einbringen möchten.
Warum benötigt der FC St. Pauli überhaupt Kapital?
Zwar betonte Präsident Oke Göttlich auf der jüngsten Mitgliederversammlung, die Genossenschaft sei keine Maßnahme, um kurzfristig Löcher zu stopfen. Fakt ist aber: Der FC St. Pauli hat für das vergangene Geschäftsjahr 2022/2023 ein Minus von 4,9 Millionen Euro ausgewiesen.
Das Eigenkapital von ehemals rund 14 Millionen Euro ist inzwischen nahezu aufgezehrt. Die Veräußerung von Genossenschaftsanteilen ermöglicht zum einen Investitionen, die der FC St. Pauli aus dem operativen Geschäft nicht leisten kann. Zum anderen stärken die Einnahmen aber auch das Eigenkapital und ermöglichen so bessere Kreditkonditionen bei Banken.
Wie viel Geld will St. Pauli über die Genossenschaft einnehmen?
"Wir würden uns über 30 Millionen Euro freuen", sagte Göttlich dem NDR. Einer Marktforschungs-Analyse zufolge seien bis zu 40 Millionen Euro drin. Der Club rechnet damit, dass 20.000 bis 30.000 Menschen einen oder mehrere Genossenschaftsanteile kaufen werden.
Was haben die Anleger von einer Genossenschaft des FC St. Pauli?
Es geht nicht um den Spielbetrieb oder die Profiabteilung. Im Gespräch ist eine Genossenschaft, die nach dem Um- und Neubau Anteile am Nachwuchs- und Leistungszentrum an der Kollaustraße umfasst. Das bisherige Zentrum in Schnelsen wird dafür aufgegeben.
Zudem soll die Genossenschaft auch über Anteile an der Millerntor-Stadion Betriebs GmbH und Co. KG verfügen. Dabei geht es vor allem um die Vermarktung bzw. Vermietung des Millerntorstadions u.a. an den FC St. Pauli. Weitere Einzelprojekte könnten später noch in die Genossenschaft einfließen, hieß es. Wie hoch die Rendite für die Anleger sein wird, ist offen.
Und die 50+1-Regel?
... gilt hier als problemlos. Denn die 50+1-Regel gilt für die Profimannschaften in den Vereinen, den Spielbetrieb. Der aber ist bei den aktuellen Plänen ohnehin nicht betroffen. Abgesehen davon sollte bereits bei früheren Planungen nur eine Minderheitsbeteiligung an der Millerntor-Stadion Betriebs GmbH und Co. KG in die Genossenschaft eingebracht werden. So dürfte es auch diesmal sein. Sprich: Der FC St. Pauli behält mindestens 50,01 Prozent der Stimmen. Allerdings nicht wegen der 50+1-Regel, sondern, um den Einfluss auf diesen Teil des Vereins nicht zu verlieren.
Wo ist der Haken?
Auch bei Genossenschaften kommt es aufs Kleingedruckte an. Werden Renditen an die Mitglieder ausbezahlt oder werden damit Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet? Gibt es so genannte Nachschusspflichten, wenn es nicht gut läuft? Sprich: Müssen die Mitglieder notfalls Geld nachschießen? Und welche Anteile umfasst die Genossenschaft überhaupt?
So war vor fünf Jahren im Gespräch, nur einen Minderheitsanteil an der Millerntor-Stadion Betriebs GmbH und Co. KG in die Genossenschaft einzubringen. Entsprechend gering wäre der Einfluss gewesen, weil der Verein weiterhin die Mehrheit gehalten hätte. Ex-Geschäftsführer Andreas Rettig hatte damals erklärt: Reich werden werde niemand. Versprechen könne er aber eine emotionale Rendite.
Und für den Verein? Der profitiert zunächst zwar von den Einlagen - aber nur einmalig. Ab dann zählt der Geschäftserfolg. Außer, es werden weitere Anteile ausgegeben. Ein zweiter Nachteil ist die Rücknahmepflicht. Sollten zahlreiche Genossenschaftsmitglieder ihre Anteile gleichzeitig zurückgeben wollen, könnte der Verein in eine schwierige finanzielle Lage geraten. Auch wenn die Anteile nur zum Nennwert - also dem Ausgabepreis - zurückgekauft werden müssen.
Die Idee ist einige Jahre alt. Warum jetzt?
Das hat vor allem steuerliche Gründe. Das Stadion steht zwar auf städtischem Grund, gehört aber dem FC St. Pauli. Und hier haben steuerliche Fristen dem früheren Plan von Ex-Geschäftsführer Andreas Rettig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Kern geht es dabei um den schrittweisen Umbau des Millerntorstadions, der offiziell als Rekonstruktion bezeichnet wurde.
Hätten die Finanzbehörden dagegen den Umbau der Südkurve, der Haupttribüne, der Gegengerade und der Nordkurve als Neubau gewertet, hätte eine Spekulationsfrist greifen können. Danach müssen Gewinne versteuert werden, sofern eine neue oder neu erworbene Immobilie nicht mindestens zehn Jahre gehalten wird. Erst danach sind Gewinne in der Regel steuerfrei.
Unterm Strich bestand also die Gefahr, dass der genossenschaftliche Verkauf von Stadionanteilen an Kleinanleger den FC St. Pauli viel Geld gekostet hätte. Diese Frist ist verstrichen.