Stand: 11.02.2020 11:53 Uhr

St. Paulis Luhukay: Hilflos in der Krise?

von Johannes Freytag, NDR.de
St. Paulis Trainer Jos Luhukay blickt mürrisch. © imago images / Jan Huebner
Die Bilanz von Trainer Jos Luhukay beim FC St. Pauli ist ernüchternd.

Blicken wir kurz zurück. Vor zehn Monaten, am 6. April 2019 verlor der FC St. Pauli bei Holstein Kiel mit 1:2 - es war das letzte Spiel von Trainer Markus Kauczinski. Der Verein entließ ihn und installierte Jos Luhukay als Nachfolger: "Es herrscht eine lethargische Stimmung im und um den Verein, so als stünden wir im Abstiegskampf. Wir haben nur versucht, Spiele nicht zu verlieren und nicht, sie zu gewinnen", erklärte Präsident Oke Göttlich damals. Luhukay trat die Aufgabe beim Tabellensechsten optimistisch an: "Alles ist noch möglich. Träumen ist erlaubt", sagte der Niederländer bei seiner Vorstellung angesichts des geringen Rückstandes auf die Top-Ränge. Der Aufstieg wurde bekanntermaßen verpasst. Spätestens seit der gestrigen erneuten 1:2-Niederlage in Kiel rückt am Millerntor in dieser Saison der Albtraum Abstieg in die Dritte Liga immer näher - und Luhukay wirkt zunehmend hilflos.

Ernüchternde Punktebilanz unter Luhukay

Der Abstand auf den ersten Abstiegsplatz beträgt für den Tabellen-15. nur noch zwei Zähler. Die sportliche Wende hat es bei den Kiezkickern also tatsächlich gegeben - nur nicht in die Richtung, die sich der Verein erhofft hatte. "Man darf nicht die Augen verschließen. Wir müssen zusehen, dass St. Pauli in der Zweiten Liga bleibt", gab Luhukay nach dem Kiel-Spiel ernüchtert zu Protokoll. Seine Bilanz bei den Kiezkickern ist - gelinde gesagt - enttäuschend: 27 Punkte holten die Hamburger saisonübergreifend bislang in den 27 Partien, in denen der 56-Jährige an der Seitenlinie stand. Lediglich sechs Siege gelangen in der Zeit. Zum Vergleich: Kauczinski holte in der vergangenen Saison bis zu seiner Entlassung in 28 Spielen 44 Zähler.

Verwirrende Personal-Entscheidungen

Luhukay überraschte schon vor Saisonbeginn mit einer Brandrede, in der er seinem Kader die Zweitligatauglichkeit beinahe abgesprochen hatte ("hammerschwerer Weg"). Als St. Pauli am achten Spieltag auf Rang sechs stand, schien Luhukay mit seinen deutlichen Worten den richtigen Effekt erzielt zu haben.

Doch immer wieder sorgten auch personelle Entscheidungen für Verwunderung. So wurde beispielsweise Dimitrios Diamantakos - mit sechs Treffern zusammen mit Henk Veerman St. Paulis bester Torschütze - aus dem Kader für die Kiel-Partie gestrichen. Die Begründung Luhukays fiel ein wenig kryptisch aus: "Warum ein Spieler nicht im Kader ist, hat zunächst nur sportliche Gründe, aber das ist hier vielleicht nicht der Fall, aber da will ich nicht zu sehr in die Tiefe gehen." Möglicherweise gab es also einen teaminternen Vorfall, den Luhukay ahndete. Diamantakos saß aber nach auskuriertem Muskelfaserriss auch schon in den ersten beiden Spielen des neuen Jahres nur auf der Bank und war nicht eingewechselt worden. Stattdessen kam in Kiel zum dritten Mal in Folge Boris Tashchy - und blieb zum wiederholten Male wirkungslos.

Disziplinarische Gründe dürfte es bei Rico Benatelli nicht gegeben haben. St. Pauli erster Sommer-Neuzugang 2019 wurde stets gelobt für sein Verhalten abseits des Platzes, den er allerdings erst am letzten Hinrunden-Spieltag erstmals in einem Pflichtspiel betreten durfte. Als er Anfang Februar gegen den VfB Stuttgart (1:1) das erste Mal in der Startelf stand, war er einer der besten St. Paulianer.

Leistungsträger auf dem Abstellgleis

33 Spieler hat Luhukay in dieser Saison - auch verletzungsbedingt - bereits eingesetzt, eine Mannschaft geformt hat er indes noch nicht. Stattdessen beginnt die in der Winterpause kolportierte gute Atmosphäre nach dem misslungenen Restrundenstart (ein Punkt aus drei Spielen) schon wieder zu bröckeln. So sorgt angeblich inzwischen auch clubintern die Personalie Matt Penney für Unverständis. Der junge Engländer bekam trotz durchwachsener Leistungen immer wieder Bewährungschancen in der wackeligen St.-Pauli-Defensive, Alternativen wie Philipp Ziereis oder Jan-Philipp Kalla hingegen schmorten auf der Bank oder zählten nicht einmal zum Kader.

Einstige Leistungsträger wie der erfahrene Marvin Knoll oder Christopher Buchtmann haben derzeit einen schweren Stand und sind nur noch zweite Wahl. Das gilt auch für Nachwuchs-Talent Finn-Ole Becker, der anfangs noch permanent in der Startelf gestanden hatte. Stammkeeper Robin Himmelmann wurde von Luhukay öffentlich kritisiert.

Wie reagiert die Vereinsführung?

Immer deutlicher wurde in den jüngsten Partien, dass seit dem Abgang von Mats Möller Daehli in St. Paulis Offensivspiel die Kreativität fehlt. Man werde die "sportlich große Lücke" intern schließen können, hatte Sportchef Andreas Bornemann den Verzicht auf Neuverpflichtungen verteidigt. Bornemann hatte sich Anfang Dezember auch hinter Luhukay gestellt und von einem "großen Vertrauen" in dessen fachliche Kompetenz gesprochen. Angesichts der andauernden sportlichen Talfahrt ist das möglicherweise eine ebensolche Fehleinschätzung wie der Trainerwechsel vor zehn Monaten. Das kommende Heimspiel am Freitag (18.30 Uhr, im NDR Livecenter) gegen Schlusslicht Dynamo Dresden, bei dem sein Vorgänger Kauczinski inzwischen Trainer ist, könnte für Luhukay schon zum Endspiel werden.

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Eine Fußballtabelle vor eine Fußballmotiv © Colourbox Foto: Pressmaster

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Hamburg Journal | 11.02.2020 | 19:30 Uhr

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