"Sind so weit": Boldt glaubt an Zweitliga-Aufstieg der HSV-Frauen
Heute können die Fußballerinnen des HSV einen ersten großen Schritt Richtung zweite Bundesliga machen. Im Aufstiegshinspiel empfangen die Hamburgerinnen den FC Viktoria Berlin. Für beide Teams ist der Modus allerdings alles andere als vorteilhaft.
Es könnte so einfach sein: Ein Team gewinnt die Meisterschaft und steigt in die nächsthöhere Liga auf. Nicht so bei den Fußballerinnen des HSV. Die Hamburgerinnen sind in der Regionalliga Nord souverän Meister geworden und müssen trotzdem zwei weitere Spiele bestreiten, um in die zweite Bundesliga aufzusteigen.
Am heutigen Sonntag um 13 Uhr empfängt das Team von Trainer Lewe Timm im Hinspiel im Eimsbüttler Stadion den FC Viktoria Berlin - den Meister der Regionalliga Nordost. Eine Woche später (18. Juni, 17 Uhr) steigt das entscheidende Rückspiel in Berlin.
Aufstiegsmodus macht Regionalliga-Meisterschaft wertlos
Dass die Frauen beider Teams als Meisterinnen überhaupt Aufstiegsspiele bestreiten müssen und nicht direkt aufsteigen, ist der 2018 eingeführten eingleisigen Zweiten Liga geschuldet. Durch sie gibt es nur drei Aufsteiger. Ungerecht, wie HSV-Sportvorstand Jonas Boldt findet und eine Änderung des Systems vorschlägt.
"Eine Idee ist, die Liga größer zu machen. Eine weitere wäre, in Zukunft auf Zweitvertretungen zu verzichten. Ähnlich, wie es im Männerbereich in der Ersten und Zweiten Liga auch ist", sagte Boldt dem NDR. "Das muss man natürlich noch weiter durchdenken. Aber das sind für mich keine Hürden, die nicht überwindbar sind."
"Der Wille ist unfassbar, dass wir es dieses Jahr endlich schaffen." Sarah Stöckmann, Kapitänin HSV-Frauen
So eine Lösung würde Regionalliga-Meisterinnen den Aufstieg erleichtern. Denn der Weg über den bisherigen Modus ist steinig, diese schmerzliche Erfahrung mussten die HSV-Fußballerinnen bereits machen. 2022 haben sie im ersten Anlauf den Aufstieg in die Zweite Liga verpasst. Damals feierten sie zwar ungeschlagen und mit 16 Punkten Vorsprung den Meistertitel. Doch in den beiden Aufstiegsspielen unterlagen sie Nordost-Meister Turbine Potsdam II.
Genau wie im Vorjahr gewann der HSV auch in dieser Saison wieder die Meisterschaft, lag drei Spieltage vor dem letzten Saisonspiel schon uneinholbar vorn und ließ lediglich gegen den Lokalrivalen Eimsbüttler TV Punkte liegen. Nun folgen wieder zwei Extraspiele um den ersehnten Aufstieg.
Boldt glaubt fest daran, dass es die HSV-Frauen dieses Mal schaffen: "Weil wir letztes Jahr die Erfahrung gemacht haben und dieses Jahr so weit sind." Doch auch, wenn sich im Verein alle einig sind, dass sich das Schicksal vom Vorjahr nicht wiederholen soll - der Gegnerist ein ganz spezieller.
Traditionsclub trifft auf Modellprojekt
Der FC Viktoria 89 ist ein Fußballprojekt aus Berlin mit der früheren Nationalspielerin Ariane Hingst als Gründerin an der Spitze. Vor gut einem Jahr gliederten Hingst und ihre fünf Mitstreiterinnen - allesamt Unternehmerinnen aus Wirtschaft, Sport und Medien - das Frauenteam aus dem Hauptverein aus und gründeten eine GmbH.
87 Investorinnen und Investoren beteiligen sich an dem Projekt, darunter namhafte wie Ex-Schwimmerin Franziska van Almsick, Comikerin Carolin Kebekus und Journalistin Dunja Hayali. Das Geld fließt ins Team.
"Es ist die gleiche Sportart, es ist die gleiche Liga. Die Ansätze der Vereine sind durchaus unterschiedlich." Jonas Boldt, HSV-Sportvorstand
Beispielsweise haben die Spielerinnen Verträge erhalten - was im Frauenfußball und vor allem in den unteren Ligen keine Selbstverständlichkeit ist. Damit sind sie in der Berufsgenossenschaft versichert. Das ganz große Ziel: 2027 sollen die Berlinerinnen Erstligist sein.
Boldt: "Fehler von vor gut zehn Jahren wettmachen"
"Viktoria stellt sich als Start-up in der Fußballszene auf. Sie bewerben ganz offensiv, dass sie irgendwann eine schwarze Zahl schreiben wollen", sagt Boldt. "Der HSV ist ein traditionsreicher Club, der verschiedene Sparten hat und auch eine gesellschaftliche Verantwortung, den Wandel in diesem Bereich erkannt hat - und den Fehler von vor gut zehn Jahren wettmachen möchte."
HSV stellte Frauen auf Abstellgleis
Mit dem Fehler meint Boldt die überraschende Abmeldung der Frauen aus der Bundesliga 2011. Denn während die Berlinerinnen ganz unten gestartet sind, sind die HSV-Frauen auf dem Weg, sich dahin zurückzukämpfen, wo sie einst herkamen.
Bei den Männern klafften damals Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Der damalige Bundesliga-Dino machte Jahr für Jahr Millionenverluste. Um Geld zu sparen, strichen die Verantwortlichen eine niedrige sechsstellige Summe zur Finanzierung der Frauenmannschaft, die ohne das Geld im Jahr 2012 von der Bundesliga in die drittklassige Regionalliga zwangsabsteigen musste.
"Der HSV ist ein traditionsreicher Club, der den Wandel in diesem Bereich erkannt hat und den Fehler von vor gut zehn Jahren wettmachen möchte." Jonas Boldt
Die Frauen auf das Abstellgleis zu stellen, soll der Vergangenheit angehören, die Regionalliga nur eine Durchgangsstation Richtung Bundesliga sein. Der Verein ist darum bemüht, Aufmerksamkeit auf die Frauen zu lenken.
"Fühlen die Rückendeckung vom gesamten Verein"
Bei den Zweitligaspielen der Männer wurden während der Saison vor Heimspielen immer mal wieder Interviews mit Spielerinnen geführt oder auf Partien der HSV-Frauen hingewiesen. Zum Meistertitel wurden die Spielerinnen vor knapp 60.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Vorfeld des Duells mit dem SC Paderborn geehrt.
"Das Team fühlt sich sicher. Wir fühlen die Rückendeckung vom gesamten Verein und haben da mittlerweile wieder sehr professionelle Strukturen aufgebaut", sagt Kapitänin Sarah Stöckmann. "Das gibt uns eine gewisse Sicherheit und das fühlt sich gut an."
HSV-Fanmarsch zum Stadion
Noch besser würde sich der Aufstieg anfühlen. Auf die HSV-Fans können sich die Frauen dabei verlassen. Vor der Partie gegen den FC Viktoria wird es einen Fanmarsch der Anhänger geben. Per Instagram rief die Nordtribüne dazu auf, gemeinsam von der U-Bahnstation Lutterothstraße zum Stadion zu laufen. Schon bei den Männern hatten die Fans bewiesen: An ihrer Unterstützung mangelt es nicht - egal, welchen Ausgang die Partie haben wird.