Jubel bei Jean-Luc Dompe und Laszlo Benes (v.l.) vom Hamburger SV © Witters Foto: Ulrich Hufnagel

Sachlich und seriös statt spektakulär - Der HSV kann auch "langweilig"

Stand: 21.01.2024 14:39 Uhr

Der HSV hat seine Aufstiegsambitionen durch den 2:0-Erfolg am Samstagabend beim FC Schalke 04 untermauert. Genau so wichtig wie die drei Punkte dürfte für die Hamburger die Erkenntnis sein, dass ihr modifizierter Spielstil auf Dauer wohl erfolgsversprechender ist als der bisherige Hurra-Fußball.

von Hanno Bode

Wie muss es sich wohl für einen Towart anfühlen, wenn sein Innenverteidiger bereits nach ein paar Spielminuten schon auf der Linksaußen-Position rumturnt? Oder wenn seine Vorderleute auch bei einer eigenen Führung so weit aufrücken, dass ein simpler Befreiungsschlag schon zu einer Großchance des Gegners oder einem Gegentor führt? Oder was soll ein Keeper davon halten, im Schneetreiben und auf einem unebenen Boden einen Rückpass von einem Teamkameraden zu bekommen, den er dann unglücklicherweise in die eigenen Maschen befördert?

Die Antworten auf diese Fragen könnte Daniel Heuer Fernandes liefern. Der 31-Jährige hat all das - und viel mehr - hautnah miterlebt. Als Keeper des Hamburger SV musste der Deutsch-Portugiese in der Vergangenheit nicht selten die Sperenzchen seiner Mitspieler ausmerzen. Selbige waren allerdings überwiegend dem Umstand geschuldet, dass Coach Tim Walter die Mannschaft sehr offensiv ausrichtete und risikoreiches Aufbauspiel forderte.

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HSV besonnener, überlegter und kompakter als zuvor

Mit dem Hurra-Fußball der vergangenen zweieinhalb Jahre - so lange ist der Trainer nun im Amt - scheint jetzt aber Schluss zu sein. Auf Schalke agierte der HSV besonnener, überlegter und kompakter als in den meisten Auftritten zuvor in der Walter-Ära. Auch drei Schalker Aluminium-Treffer konnten den guten Defensiv-Auftritt der Hanseaten nicht schmälern.

"Meine Jungs haben das total geil wegverteidigt", sagte Walter im NDR Interview. Das sei ein "souveräner, reifer Auftritt" gewesen. "Aber wir haben trotzdem noch Luft nach oben", ergänzte der 48-Jährige.

Walter modifiziert riskanten Spielstil

Hatte es bis zum Jahreswechsel noch den Anschein gehabt, als sei der Fußballlehrer Tim Walter geradezu lernresistent, scheint er sich vor Beginn der Rückrundenvorbereitung dazu entschlossen zu haben, seinen Spielstil doch etwas anzupassen. Das mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass die Kritik an dem Coach nach der nicht zufriedenstellenden Hinrunde lauter geworden war. Und auch eine groß angelegte Analyse der ersten 17 Spiele dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben.

Und dann ist da ja noch ein Mann namens Steffen Baumgart, der dem HSV-Coach imaginär im Nacken sitzt. Der jüngst beim 1. FC Köln entlassene Trainer galt schon einmal als Wunschkandidat der Hamburger. Und der frühere Stürmer hat auch selbst nie ein Geheimnis daraus gemacht, sich ein Engagement an der Elbe gut vorstellen zu können: "Ich bin von Kind auf immer ein bisschen HSV-Fan gewesen."

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Heuer Fernandes: "Defensivarbeit hat brutal gestimmt"

Walter, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausläuft, steht dementsprechend fraglos unter der Beobachtung seines Vorstands Jonas Boldt - und unter Druck. Ob er seinen vom Boulevard so getauften "Walter-Ball" nun eher widerwillig modifiziert hat oder nicht, es wird vermutlich sein Geheimnis bleiben. Fakt war zumindest am Samstagabend auf Schalke: Das etwas defensivere und weniger risikobehaftete Vorgehen tat dem HSV gut.

"Wir haben clever verteidigt, waren nicht wild", sagte Heuer Fernandes. Obwohl Schalke deutlich häufiger Richtung Tor schoss als die Hamburger, hatte der Keeper nicht wirklich viel zu tun. Zahlreiche Bälle flogen über oder neben das Tor, dreimal retteten Latte oder Pfosten. "Über 90 Minuten bin ich sehr zufrieden, weil auch die Defensivarbeit brutal gestimmt hat", sagte Heuer Fernandes.

Kopfballtraining mit Hrubesch macht sich bezahlt

Für die in den vergangenen Jahren arg strapazierten Nerven des Ballfängers dürfte die Schalke-Partie ein Segen gewesen sein. Endlich einmal spielten seine Vorderleute mit Köpfchen - und trafen sogar mit dem Kopf. Immanuel Pherai nickte in der 22. Minute eine Flanke von Ignace Van der Brempt in die Maschen. "Wenn man so frei steht im Strafraum, dann darf der Ball auch reingehen", sagte der Mittelfeldakteur. An seinem dritten Saisontor hatte auch ein Mann Anteil, der derzeit Deutschlands Frauen trainiert: Horst Hrubesch.

"Wir haben mit Horst Hrubesch in der vergangenen Woche Kopfball-Training gemacht. Und darum hat 'Manu' sein erstes Kopfballtor gemacht", sagte Walter. Ob Nachwuchschef Hrubesch, aktuell auch Interimscoach der DFB-Frauen, nun in den Trainerstab aufrückt, erscheint zwar eher unwahrscheinlich. Die Aktion stellt jedoch unter Beweis, dass der HSV noch enger zusammengerückt ist.

Pherai: "Spielweise deutlich verfeinert"

An der Sylvesterallee werden die Kräfte für das große Ziel Aufstieg offenbar gebündelt. Den Grundstein dafür, dass es im sechsten Anlauf mit der Bundesliga-Rückkehr endlich klappen soll, legte der HSV aber im spanischen Sotogrande. "Wir haben im Trainingslager wirklich sehr hart gearbeitet, häufig mit vier Einheiten am Tag. Auch die Defensive stand im Fokus. Das hat heute gut funktioniert", sagte Verteidiger Stephan Ambrosius. Pherai schlug in dieselbe Kerbe: "Die Art und Weise, wie wir spielen, hat sich deutlich verfeinert."

Die Hamburger sehen sich also auf dem richtigen Weg - haben aber noch einen weiten vor sich bis zum ersehnten Aufstieg. Immerhin: Durch Walters Anpassungsmaßnahmen scheinen die Norddeutschen nun das richtige Schuhwerk zu tragen, um den Tabellengipfel zu erklimmen...

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Sportclub | 21.01.2024 | 22:50 Uhr

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