Proteste und Fadenkreuz-Plakat: Kind und Behrens kritisieren 96-Fans
Das Niedersachsenderby zwischen Hannover und Eintracht Braunschweig musste mehrfach unterbrochen werden. Tennisbälle flogen, Pyrotechnik wurde gezündet und Innenministerin Daniela Behrens in einem Fadenkreuz gezeigt. Die Polizei ermittelt gegen die Fans von 96, die Fanhilfe wehrt sich.
Aufsichtsratschef Martin Kind von Hannover 96 hat die Vorkommnisse beim Derby massiv kritisiert. Dass Fans des Clubs den Kopf der niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) auf einem Plakat in einem Fadenkreuz gezeigt haben, sei "in vollem Umfang abzulehnen. Das geht gar nicht", sagte Kind am Montag. "Die aktive Fanszene missbraucht die Plattform Bundesliga-Fußball. Sie sollten ihren Verstand gebrauchen."
Behrens: Clubs lassen "gewaltbereiter Minderheit zu viel Spielraum"
Behrens selbst ging am Montag in einer Stellungnahme nicht auf das Plakat ein. Sie kritisierte jedoch ganz allgemein den Umgang der Fußballclubs mit vielen organisierten Fanszenen: "Einer gewaltbereiten Minderheit lässt man zu viel Spielraum."
"Bei den organisierten Fanszenen sind bislang leider keine Selbstreflexion und Abkehr von Gewalt und Randale zu erkennen." Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens
Über den Verlauf des Spiels am Sonntag sagte sie: "Derbys zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig sind ohne massiven Polizeieinsatz nicht möglich. Bei den organisierten Fanszenen sind bislang leider keine Selbstreflexion und Abkehr von Gewalt und Randale zu erkennen."
Der "exzessive Einsatz von Pyrotechnik" sowie die Gefährdung von anderen Zuschauern und beiden Mannschaften zeige, "dass es diesen Randalierern nicht darum geht, ihre Mannschaft durch friedlichen Support zu unterstützen", meinte Behrens. "Vielmehr geht es für diese Gruppe vor allem darum, Gewalt und Randale zu verüben. Das hat mit Sportsgeist nichts zu tun."
Bürgermeister sehen rote Linie überschritten
Zuvor hatten sich bereits die Oberbürgermeister der beiden Städte zu Wort gemeldet. Hannovers OB Belit Onay (Grüne) sagte dem NDR, er sehe eine rote Linie überschritten. Das sei der absolut falsche Weg, auf den sich die Fans gemacht hätten. Er wolle so etwas in Hannover nicht sehen. Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) nannte es inakzeptabel, die Ministerin persönlich mit Gewalt zu bedrohen. Das schade dem deutschen Fußball.
Die Polizei hatte nach dem Spiel mitgeteilt, dass sie nur "durch Einsatz einfacher körperlicher Gewalt" verhindern konnte, dass einige 96-Fans "in Richtung Gästeeingang im Süden vordringen". Deshalb sei es insgesamt eine "durchwachsene Bilanz".
96-Fanhilfe kritisiert Verhalten und Aussagen der Polizei
Die Fanhilfe von Hannover 96 widersprach der Darstellung der Polizei in einer Stellungnahme am Montag. Sie kritisierte insbesondere ein aus ihrer Sicht kurzfristig geändertes Einlassprozedere. Nur zwei von acht Eingängen seien geöffnet worden - angeblich "auf Anordnung der Polizeiführung", wie die Fanhilfe vom Ordnungsdienst erfahren haben will. Es sei deshalb "zu einem erheblichen Rückstau von mehreren hundert Fans" gekommen.
"Die gesamte Szenerie gestaltete sich aus Sicht der Fanhilfe Hannover als chaotisch, aber durchweg friedlich. Von einem Stadionsturm kann daher keine Rede sein", sagte Paula Mundt von der Fanhilfe Hannover. Nach Ansicht von Videomaterial sei festzustellen, "dass zu keinem Zeitpunkt die Behauptung der Polizei Hannover aus deren Pressemitteilung gestützt werden kann".
Polizei ermittelt gegen Fans von Hannover 96
Bereits am Sonntagnachmittag hatte die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Fußball-Fans von Hannover 96 wegen des Fadenkreuz-Plakats angekündigt. Das Verfahren wurde "von Amts wegen wegen Bedrohung" eingeleitet, heißt es in einer Mitteilung der Polizei.
Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck hatte die Begegnung in den ersten 30 Minuten drei Mal für jeweils mehrere Minuten unterbrochen. Zunächst wurde von 96-Fans auf der Gegengerade ein Spruchband ausgerollt mit der Aufschrift "Zehn Prozent Gästekontingent unverhandelbar", gefolgt von einem Plakat, auf dem zu lesen war: "Grenzüberschreitende Maßnahmen können wir auch". Wenig später flogen Rauchtöpfe auf den Rasen, Jöllenbeck schickte die Mannschaften in der zehnten Minute an die Seitenlinie vor die Trainerbänke. Nach sechs Minuten ging es weiter. Die Hannover-Fans zeigten auf der Tribüne dann jedoch das Fadenkreuz-Plakat. Kurz darauf flogen auch Tennisbälle auf den Rasen. Auf einem weiteren Spruchband stand: "Gästekontingente sind nicht euer Spielball".
Protest gegen beschränktes Gästekontingent
Bei den Duellen der beiden rivalisierenden Clubs war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei hatte deshalb einen Teilausschluss für Gästefans verordnet. Der Block mit den Braunschweig-Anhängern durfte nur zu maximal 60 Prozent ausgelastet werden. Bereits für das Hinspiel, das Braunschweig überraschend mit 2:0 gewann, war auf Initiative des niedersächsischen Innenministeriums ein Teilausschluss der Auswärtsfans angeordnet und damit auf die Vorfälle bei vorangegangenen Derbys reagiert worden.
Für diese Einschränkungen machen beide Fanlager Behrens verantwortlich, die erkennbar härter durchgreifen will. Die SPD-Politikerin hatte sogar damit gedroht, Gästefans künftig gänzlich auszuschließen.
