Datencheck: Passen Eintracht Braunschweig und Trainer Härtel zusammen?
Jens Härtel soll Eintracht Braunschweig in der kommenden Saison aus dem Abstiegskampf der zweiten Fußball-Bundesliga heraushalten. Der neue Trainer hat ein klares Profil. Ob das zu den "Löwen" passt, zeigt die Datenanalyse.
Wie Klassenerhalt in der Zweiten Liga geht, weiß der 54-Jährige, hat er doch vor einem Jahr Hansa Rostock nach dem Aufstieg souverän in der Liga gehalten. Trotzdem hält sich Härtels Zweitliga-Erfahrung in engen Grenzen. Denn nach nur 15 Spieltagen der gerade beendeten Saison und obwohl er die "Kogge" konsequent oberhalb der Abstiegszone gesegelt hatte, musste Härtel gehen. Schnell vergessen waren die Erfolge an der Ostsee seit seinem Amtsantritt im Januar 2019.
Bei seiner vorigen Station beim 1. FC Magdeburg hatte ihn dieses Schicksal sogar noch früher ereilt: überzeugender Aufstieg in die Zweite Liga 2018, Beurlaubung nach gerade einmal 13 Zweitliga-Spielen (9 Punkte). Kein Wunder, dass der Mittelsachse bei seiner Präsentation sagte: "Ich will so lange in Braunschweig bleiben wie möglich."
Jens Härtel - ein Coach mit Bundesliga-Potenzial
Auf den ersten Blick überzeugen seine nackten Zweitliga-Zahlen nicht: Liegt seine Siegquote in der Dritten Liga noch bei fast 50 Prozent (48,56), gewannen seine Teams eine Etage höher kaum mehr als jedes vierte Spiel (25,81). Gerade einmal 1,08 Punkte pro Partie weist seine Zweitliga-Bilanz aus. Die Zahlen überraschen allerdings nicht - Aufsteiger haben es in der Regel schwer. Und der GSN-Index bescheinigt Härtel mit 63,54 Punkten sogar Bundesliga-Potenzial.
Härtel setzt auf Konter und aggressives Pressing
GSN beschreibt Härtels taktischen Stil als "dynamisches Kontern". Härtel lässt normalerweise im Raum verteidigen, setzt allerdings auch auf aggressives Pressing. Nach Ballgewinn geht es schnell nach vorn - eher durch die Mitte, denn über außen. In der Regel lässt der Mittfünfziger mit Viererkette verteidigen, wobei die letzte Reihe sehr tief steht. Die Daten zeigen allerdings deutlich, dass Härtel in der Lage ist, seine Taktik während des Spiels den Gegebenheiten anzupassen.
"Jeder Trainer hat seine Ideen. Ich will aktiven Fußball spielen lassen, der auch vorsieht, dass wir ganz früh pressen. Aber wir wollen auch mit Ball mutig spielen. Aus einem guten Positionsspiel versuchen, in die Räume zu kommen", beschrieb Härtel seine Vorstellungen.
Sind Härtel und Eintracht Braunschweig kompatibel?
Härtels Vorliebe für die Viererkette und das Konterspiel passen zur Eintracht, die in der vergangenen Saison so am stärksten war. Auch das Spiel durch die Mitte passt zum aktuellen Kader, in dem bis dato die starken Außenbahnspieler fehlen.
Genau an dieser Stelle hakt es allerdings bei der Beantwortung der Frage, ob der Fußball-Lehrer zu den "Löwen" passt. Denn natürlich muss es das Ziel - besonders von Manager Peter Vollmann - sein, die Schwachstellen des Aufgebots auszubessern. Was Vollmann am Montag auch schon angekündigt hat.
Ein möglicher Abgang von Immanuel Pherai (Vertrag bis 2024) würde allerdings auch noch mal vieles verändern. Der Transfer könnte aber auch wichtiges Geld in die Kasse spülen. Gut für die Eintracht: Härtels System ist nicht von einem Spielmacher abhängig.
Einige Baustellen im Kader des BTSV
Fest steht allerdings, dass dem Kader ein kreativer Mittelfeldspieler auf jeden Fall gut tun würde. Auch wenn Härtel viel Wert auf Ordnung und Disziplin legt, machte er zum Einstand deutlich, sich auch auf Freigeister einstellen zu können: "Einige Spieler haben besondere Gaben, denen muss man Freiräume lassen." Ganz entbunden wird bei ihm allerdings niemand von der Abwehrarbeit - der Coach sprach von einem "defensiven Gewissen", das die Mannschaft als ganze entwickeln müsse.
"Wir müssen einen Fußball spielen, der zur Mannschaft passt. Man muss sehen, was damit möglich ist." Trainer Jens Härtel
Die Datenanalyse zeigt, dass dem Kader neben Ron-Thorben Hoffmann ein zweiter Torhüter mit Zweitliga-Qualität fehlt. Der Innenverteidigung hat in der vergangenen Saison Filip Benkovic Halt gegeben. Sein Leihvertrag (Udinese) läuft allerdings Ende des Monats aus.
Die Schwächen auf den Außenbahnen sind bekannt: Auf der rechten Abwehrseite klafft eine Lücke. Links fehlt ein Spieler, der Offensiv- und Defensivstärke kombiniert. Eine Reihe weiter vorn fehlen ebenfalls Klasse und Tempo. Und im Sturm stehen bisher nur die "Zielspieler" Anthony Ujah und Luc Ihorst im Kader.
Holt Härtel alles aus der Mannschaft raus?
Vollmann berichtete bei der Vorstellung des Trainers, dass einige Transfers, die zeitnah vollzogen werden sollen, lange vor der Verpflichtung Härtels besprochen worden seien. Die Möglichkeiten des Neuen, gestalterisch einzugreifen, begrenzen diese Entscheidungen natürlich.
Härtel gab sich allerdings pragmatisch: "Wir müssen einen Fußball spielen, der zur Mannschaft passt. Man muss sehen, was damit möglich ist."
An dieser Stelle dürfte sein Vorgänger Minuspunkte gesammelt haben. Denn die Daten zeigen, dass er nicht alles aus der Mannschaft herausgeholt hat.
Pluspunkte für Härtel dürften derweil seine Flexibilität beim System während des Spiels, das Nutzen von Standards und das aggressive Pressing sein. Geht es nach dem GSN-Index ist Härtel für Braunschweig eine Verbesserung im Vergleich zu Schiele. Wobei auch der beurlaubte Coach mit 60,48 Punkten knapp Bundesliga-Potenzial hat.