Nach HSV-Pleite in Kiel: Walters seltsame Kritik an Torjäger Glatzel
Trainer Tim Walter vom Fußball-Zweitligisten HSV ist nach der 2:4-Pleite im Nordduell bei Holstein Kiel mit seinen Spielern hart ins Gericht gegangen. Das Zustandekommen der Niederlage bezeichnete der 48-Jährige als "dämlich" und monierte, dass sich sein Team nicht an den Plan gehalten habe. Neben der Abwehr kritisierte der Coach dabei explizit auch die personifizierte Lebensversicherung der Hamburger: Robert Glatzel.
Seit knapp zweieinhalb Jahren steht Robert Nesta Glatzel, so der vollständige Name des Angreifers, nun bei der HSV Fußball AG unter Vertrag. Die Bilanz des gebürtigen Münchners kann sich dabei fraglos sehen lassen. 51 Zweitliga-Treffer schlagen bis dato für den 29-Jährigen im Dress des einstigen deutschen Fußball-Schwergewichts zu Buche. Dass die Hanseaten am Sonnabend in Kiel nach lange lebloser Vorstellung und einem zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand wieder zurück ins Spiel kamen und auf einen Teilerfolg hoffen durften, lag insbesondere an dem hochaufgeschossenen Mittelstürmer. Mit einem Doppelpack sorgte "Bobby", wie er gerufen wird, für das 2:2.
"Wenn sich Spieler nicht an den Plan halten, dann kriegen sie die Quittung dafür." Tim Walter, Trainer des Hamburger SV
Dass der HSV am Ende den Gegner wieder einmal zum Toreschießen einlud und schließlich mit 2:4 verlor, es lag also nicht am früheren England-Legionär. Und doch war sein Coach mächtig sauer auf ihn. Walter nahm den Namen Glatzel zwar nicht in den Mund, erklärte aber unmissverständlich mit Blick auf den Spielverlauf: "Wir kommen sehr gut zurück, das ist eine Qualität der Mannschaft. Da war endlich das zu sehen, was ich von ihnen erwarte, dass der Stürmer in der Box bleibt. Das hat er dann getan und sich damit auch selbst belohnt. Aber wenn ich das nicht über 90 Minuten mache, dann bekomme ich dafür die Quittung."
Auf Nachfrage, ob er damit auf Glatzels Positionsspiel anspreche, bejahte Walter dies und unterstrich seine Kritik noch einmal: "Wenn sich Spieler nicht an den Plan halten, dann kriegen sie die Quittung dafür. Und wenn sie sich dranhalten, kriegen sie auch ihre Quittung dafür."
Glatzel: "Das war zu wenig"
Warum Walter die Vorstellung von Glatzel so übel aufstieß, es blieb ein großes Rätsel. Denn was hätte der in jeder Trainingseinheit und in jedem Spiel stets äußerst fokussierte Angreifer bis Mitte des zweiten Abschnitts des Duells mit der KSV denn anderes machen sollen, als zu versuchen, sich die Bälle im Mittelfeld abzuholen? Von den Hamburger Spielgestaltern Immanuel Pherai und László Bénes wurde er viel zu selten in Szene gesetzt. Und weil auch die Außen Jean-Luc Dompé und Bakery Jatta kaum brauchbare Hereingaben zustande brachten, stand Glatzel im Strafraum auf verlorenem Posten.
"Wir haben uns in der ersten Stunde viel zu wenige Chancen erarbeitet", monierte der Angreifer. Insgesamt sei es "einfach zu wenig" gewesen. "Wir haben es heute insgesamt nicht verdient, das Spiel zu gewinnen", erklärte der 29-Jährige.
Rückzugsverhalten weiter das große HSV-Problem
Erst nach dem 0:2 durch Benedikt Pichler in der 57. Minute regten sich beim HSV die Lebensgeister. Ein guter Zwischenspurt inklusive des Glatzel-Doppelpacks nährten kurzfristig die Hoffnungen auf den zweiten Auswärtssieg in dieser Saison. Dann aber ließen sich die Hanseaten nach einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung wieder einmal auskontern. In puncto Rückzugsverhalten scheinen Walters Schützlinge nahezu lernresistent zu sein. Von den 17 Gegentoren, die der HSV nach 13 Partien bereits kassiert hat, fielen viele nach demselben Schema.
Dieses Defizit ist nicht neu und wurde den Hamburgern bereits in den beiden Vorjahren im Aufstiegskampf zum Verhängnis. Der inzwischen beinahe sagenumwobene "Walter-Ball" hat seine Schwächen, bietet den Fans aber immerhin zumeist auch Spektakel.
Walter gehen die Verteidiger aus
Zu Beginn dieser Saison hatte es noch so ausgesehen, als habe der Trainer seinen Spielstil etwas modifiziert, das Team eine bessere Balance zwischen Angriff und Verteidigung gefunden. Das verbesserte Abwehrverhalten gründete allerdings auch darauf, dass in Dennis Hadzikadunic und Ignace Van der Brempt zwei für Zweitliga-Verhältnisse sehr gute Verteidiger verpflichtet wurden und Walter in der Defensive noch die Qual der Wahl hatte.
Aktuell sieht die Lage diesbezüglich viel schlechter aus. Kapitän Sebastian Schonlau, van der Brempt und Stephan Ambrosius fehlten gegen Holstein verletzt, Mario Vuskovic darf wegen seiner Doping-Sperre weiter nicht auflaufen und nun droht auch Guilherme Ramos erneut auszufallen. Der Portugiese, der wegen muskulärer Probleme bereits das vergangene Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg verpasste, musste in Kiel angeschlagen ausgewechselt werden.
Nach Länderspiel-Pause gegen Braunschweig
Bleibt Walter in Valon Zumberi derzeit noch ein einsatzfähiger etatmäßiger Innenverteidiger. Der 20-Jährige verfügt über die Erfahrung von exakt 14 Zweitliga-Minuten und sollte eigentlich im Sommer an einen anderen Club ausgeliehen werden. Nun könnte mangels Alternativen die Stunde des Deutsch-Kosovaren schlagen. Erst einmal ist jetzt aber Länderspiel-Pause, bevor der HSV dann am 24. November (18.30 Uhr) den Tabellenvorletzten Eintracht Braunschweig empfängt.
In der vergangenen Saison setzten sich die Hamburger gegen den BTSV mit 2:0 und 4:2 durch. Doppeltorschütze in beiden Partien war dabei übrigens jener Mann, der seinen Trainer inzwischen offenbar nicht mal mehr mit zwei Toren pro Spiel zufriedenstellen kann: Robert Glatzel.