Marcel Hartel in den USA: Premieren-Saison okay, aber der Titel ist das Ziel
St. Paulis Aufstiegsheld Marcel Hartel hat mit seinem neuen Club St. Louis City SC die Play-offs in der US-Profiliga MLS verpasst und kann bald Urlaub machen. Am liebsten schon in der kommenden Saison soll es aber ganz nach oben gehen.
Das eher beschauliche St. Louis statt der Millionenmetropole Hamburg, die eher als zweitklassig verschrieene MLS statt Bundesliga oder sogar Champions League - als Hartel im Sommer seinen Wechsel vom FC St. Pauli in die USA bekannt gab, schüttelten viele Beobachter und nicht zuletzt die Fans den Kopf. Ein bisschen kann der 28-Jährige die Verwunderung wohl auch verstehen, wenn er die Qualität der Liga als "überraschend gut" bezeichnet. Nach einem Vierteljahr betont Hartel aber: "Im Großen und Ganzen hat es jetzt perfekt gepasst."
Pfannenstiel: "Die MLS hat ihn einfach interessiert"
Der Offensivmann hatte mit 17 Toren und 13 Vorlagen sehr großen Anteil an St. Paulis Bundesliga-Rückkehr nach langer Abstinenz. Sein Vertrag lief aus. Die Kiezkicker hätten ihn liebend gern gehalten. Es soll aber auch Interesse von anderen Bundesligisten und von Erstligisten aus dem europäischen Ausland gegeben haben.
St. Louis' Manager Lutz Pfannenstiel bezeichnet Hartel "als einen der am meisten gefragten Spieler auf dem deutschen Markt". Der Bayer mit einer Vergangenheit als Funktionär bei der TSG Hoffenheim und Fortuna Düsseldorf erklärt: "Mit Sicherheit hatte Marcel viele Angebote aus Europa, aber die MLS hat ihn einfach interessiert. Ich bin sehr froh, dass er nicht in Frankreich bei einem Champions-League-Verein spielt oder irgendwo in der Bundesliga, sondern hier bei uns."
Mit der Verpflichtung von Hartel, der im US-Bundesstaat Missouri einen Vier-Jahres-Vertrag unterschrieben hat, ist dem 51-Jährigen ein Coup geglückt. Der Spieler erklärt seinen Traum von den USA als Triebfeder für den Wechsel über den großen Teich. Die Vereinigten Staaten seien "immer ein Ziel von meiner Frau und mir" gewesen. Als Spieler in die MLS zu wechseln, sei zwar nicht der Grundgedanke gewesen. Aber diese Chance war dann doch zu verlockend.
Zwölf Spieler mit "deutscher Vergangenheit" im Kader
St. Louis hat in der vergangenen Saison die Western Conference gewonnen, scheiterte dann aber in den Play-offs überraschend in Runde eins. Zahlreiche Verletzungen und ein Trainerwechsel haben in dieser Spielzeit dazu geführt, dass schon das Erreichen der Play-offs schnell außer Reichweite geriet. Seit Hartel, aber auch Cedric Teuchert (ehemals Hannover 96) zum Team gestoßen sind, ist allerdings ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen. Vier der vergangenen acht Partien wurden gewonnen, es gab nur zwei Niederlagen. Teuchert kommt in dieser Zeit auf fünf Tore und vier Vorlagen, Hartel auf zwei Treffer und sieben Vorlagen.
"Natürlich hat die MLS jetzt nicht den besten Ruf, aber die Liga ist sehr gut. Die Qualität ist überraschend gut. So habe ich es vorher nicht erwartet, das sage ich auch ehrlich." Marcel Hartel
Statt der Play-offs folgt nach dem eigenen letzten Saisonspiel am 19. Oktober schnell der Urlaub. Inklusive einer Reise nach Deutschland, wo besonders Hartel Senior trauert, nicht mehr jedes Spiel seines Sohnes besuchen zu können.
Dennoch hat Hartel in seinem Team massig Unterstützung aus der Heimat. Insgesamt elf Spieler mit Erfahrung im deutschen Profifußball (wie Torhüter Roman Bürki) oder mit deutschem Pass (darunter auch Eduard Löwen oder Jannes Horn) stehen im Kader.
Ist Hartel das fehlende Puzzle-Stück zum Erfolg?
Pfannenstiel legt Wert darauf zu betonen, dass "wir keine Spieler holen, weil sie deutsch sind oder aus der Bundesliga kommen. Es muss einfach zu unserer Spielphilosophie passen, die stark an das Hoffenheim von vor einigen Jahren angelehnt ist: Hochintensives Pressing und Gegenpressing stehen im Vordergrund, aber trotzdem wollen wir mit dem Ball guten und attraktiven Fußball spielen. Und Spieler, die das aus ihren vorherigen Vereinen kennen, helfen uns."
Da passt natürlich einer wie Hartel perfekt ins Bild. Unter Trainer Fabian Hürzeler, der St. Pauli ebenfalls den Rücken gekehrt hat, hat der gebürtige Kölner sein Spiel auf ein neues Level gehoben. Nie zuvor hatte er in seiner Karriere auch nur im Ansatz solche Scorer-Zahlen vorzuweisen.
St. Louis geht in der Liga einen Sonderweg
St. Louis geht in der MLS allerdings einen besonderen Weg. Viele Clubs versuchen, durch die Verpflichtung großer, aber oft auch alternder Stars Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Lionel Messi bei Inter Miami war für die Liga ein Katalysator ungekannten Ausmaßes und sorgte für Rekorde bei TV-Abos, Trikotverkäufen und Eintrittskarten. Aber auch die Verpflichtungen der französischen Ex-Weltmeister Hugo Lloris und Olivier Giroud von Los Angeles FC oder zuletzt der Transfer von Marco Reus zu Los Angeles Galaxy folgen diesem Prinzip.
"Unser Beuteschema sieht anders aus. Wir holen Spieler, die vielleicht 26 oder 27 Jahre alt sind. Wir haben wenig Spieler über 30", sagt Pfannenstiel, der in seiner aktiven Zeit als erster Profi-Fußballer überhaupt in allen sechs Kontinentalverbänden gespielt hat. "Einen Topstar aus der Premier League oder der Bundesliga in dem Alter bekommst du nicht hier her. Ich hole dann eben lieber Spieler, die uns besser machen und hungrig auf Erfolg sind, eben einen wie Marcel."
Hartel: "Ich will die MLS gewinnen"
Die aktuelle Saison soll eine Art "Vorbereitung auf die kommende Spielzeit" sein. Platz zwölf von 14 in der Western Conference bedeutet trotz des Aufschwungs insgesamt ein enttäuschendes Abschneiden. Aber die neuen Spieler wissen jetzt, was auf sie zukommt. Für Hartel steht nach seiner Premieren-Teilsaison fest, dass die MLS zu Unrecht "nicht den besten Ruf hat. Die Liga ist sehr gut. So habe ich es vorher nicht erwartet, das sage ich auch ehrlich."
Aber das US-Abenteuer sollte für ihn, der ja anders als die großen Stars ohnehin "im besten Fußballer-Alter" ist, sowieso nicht ein entspanntes Karriere-Ende einläuten. Hartel wird bei der Formulierung seines Ziels sehr deutlich: "Ich will die MLS gewinnen."