Hrubesch will mit deutschen Fußballerinnen zu Olympia: "Auch zu Fuß"

Stand: 15.01.2024 09:27 Uhr

Horst Hrubesch hat die Frauenfußball-Nationalmannschaft wieder stark gemacht. Sogar Olympia in Paris ist noch möglich. Was ist das Geheimnis des 72 Jahre alten Interimstrainers, der einst als "Kopfball-Ungeheuer" mit dem Hamburger SV erfolgreich war?

von Andreas Bellinger

Er hat es wieder getan. Nicht weil er muss. Auch nicht, weil er es kann. Nein, Horst Hrubesch hat die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft als "Retter in der Not" zum zweiten Mal übernommen - weil er es will. Warum in Gottes Namen tut er sich das an, mögen manche fragen.

Nicht so der 72-Jährige, der seine Motivation im NDR Sportclub schlicht "eine Herzensangelegenheit" nennt, die "mich auch gereizt hat". Wer wollte es ihm nicht glauben? Einen wie Hrubesch lässt der Fußball nicht los - und wenn Hilfe gefragt ist, zumal im Jugend- und Frauenfußball, lässt sich der Nachwuchschef des Hamburger SV nicht zweimal bitten.

Nur noch ein Sieg bis Olympia

Schon Anfang 2018 war "Hotte", wie viele den uneitlen Sympathieträger nennen, für Steffi Jones eingesprungen, bis er das Zepter Ende desselben Jahres an Martina Voss-Tecklenburg weiterreichte. Für die nach einer desaströsen Weltmeisterschaft erkrankte und später abgelöste Bundestrainerin übernahm er am 7. Oktober 2023 dann abermals als Interimstrainer.

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Horst Hrubesch köpft 1978 den Ball, links Kevin Keegan. © Imago Images

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Nach drei Siegen in vier Spielen seither ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris das erklärte Ziel, das mit einem Sieg im Nations-League-Halbfinale in Frankreich (23. Februar) sicher erreicht wäre. Hrubesch glaubt fest an seine "Mädels": "Ich weiß, welche Qualität und Mentalität in der Mannschaft steckt."

Popp: Mehr als ein Feuerwehrmann

"Er ist ein kleiner Menschenfänger", beschreibt Kapitänin Alexandra Popp die Qualitäten des Erfolgstrainers, der nicht nur mit der U20 und U19 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Europameister bei den Männern wurde, sondern auch 2016 mit Spielern wie Serge Gnabry, Nils Petersen oder Davie Selke die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro geholt hat. "Er hat mehrfach bewiesen, dass er weit mehr kann, als nur den Brand zu löschen", so die Wolfsburgerin. Mit den DFB-Frauen will Hrubesch nun wieder zu Olympia: "Dafür würde ich auch zu Fuß nach Paris gehen."

"Er kann Menschen begeistern, Vertrauen geben und damit die letzten Prozente herausholen." Nationalspielerin Svenja Huth

Nach der verpatzten WM hat er den Vize-Europameisterinnen wieder Selbstvertrauen eingeflößt. "Er kann Menschen begeistern, Vertrauen geben und damit die letzten Prozente herausholen", sagt Popps Teamkollegin Svenja Huth. Einfach, aber wirkungsvoll. Seine unkapriziöse Art - ein Erfolgsrezept.

"Bei aller Ersthaftigkeit, allem Fokus, aber auch harten Worten hat er immer einen lustigen Spruch parat", ergänzt Popp. Denn Hrubesch weiß: "Ohne Spaß kannst du Leistung nicht umsetzen." Und sagt es der Mannschaft gebetsmühlenartig - gepaart mit seinem Lieblingsspruch: "Und ich sag's euch noch mal!"

Ein Team formen - die große Kunst

"Macht ruhig Fehler; dann sehen wir, was geht und was nicht", hat er ihnen eingebläut. "Am Ende des Tages ist es doch so: Wenn ich Fehler mache, muss ich hinterherlaufen und mir den Ball zurückholen." Die Spielerinnen hören ihrem Chef gerne zu - und vertrauen ihm. "Weil er es authentisch, sympathisch und ehrlich rüberbringt", so Huth. Für Hrubesch eine klare Geschichte: "Ich kann ja nichts verkaufen, was nicht klappt. Dann glauben sie mir nicht." Tun sie aber - getreu seinem Leitsatz: "Bei eurer Qualität ergibt es keinen Sinn, Spiele zu verlieren."

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Ein Motto, sein Motto, könnte man sagen. Verantwortung zu übernehmen, gehört auch dazu: "Ich habe im Leben immer Verantwortung übernommen", sagt der gelernte Fliesenleger und Dachdecker, der seine Bodenständigkeit auch damit erklärt. "Aber es geht auch darum, Verantwortung weiterzugeben, an die Spielerinnen oder früher auch an die jungen Spieler." Sie sind die besten des Landes und müssen funktionieren - aber auch als Team. "Daraus eine Mannschaft zu bilden, ist die Kunst bei der Geschichte", die ihm nach eigener Einschätzung "wohl ganz ordentlich gelingt".

Hrubesch und Popp - Kopfball-Ungeheuer unter sich

Dass er selbst als Spieler ganz ordentlich funktioniert hat, Europameister (1980), Vize-Weltmeister (1982), dreifacher Deutscher Meister und Europapokalsieger der Landesmeister mit dem Hamburger SV wurde, darauf gründet seine Reputation. "Das honorieren alle", so Popp und wissen, dass er mit seiner Art schon als Spieler unvergleichlich war.

Ein Kopfball-Ungeheuer eben. "Wir philosophieren oft über unsere Kopfbälle", so die Spielführerin, die sich manchmal auch ärgert, wenn der Trainer ihr nicht nur das ein oder andere erklärt, sondern "mich eher beschimpft, wenn ich meinen Kopf zu weit drehe. Das weiß ich tatsächlich meistens auch selbst", sagt sie und lacht dabei.

Hrubesch mag es einfach und effektiv

Die Replik der "Ausnahmespielerin" (Hrubesch), die ihre sportliche Zukunft noch immer offenhält, folgt prompt. "Er musste doch nur seine Rübe hinhalten." Die Bananen-Flanken von Manfred Kaltz fanden meistens seinen Kopf, was das "Ungeheuer" im NDR einst unnachahmlich so beschrieb: "Manni Banane, ich Kopf - Tor".

Hrubesch mag es einfach und effektiv. Sicher spricht der 72-jährige nicht immer die gleiche Sprache wie seine jungen Spielerinnen, von denen manche seine Enkelinnen sein könnten. Aber Hrubesch versteht die Sprache des Fußballs, die mitunter viel einfacher ist, als manche Laptop-Trainer meinen.

Ein Trainer-Exemplar wie aus der Zeit gefallen

"Fußball ist nach wie vor ein einfaches Spiel. Der Platz hat sich nicht verändert", beschreibt Hrubesch sein Trainer-Dasein unaufgeregt. "Du musst in der Lage sein, Eins-gegen-Eins zu spielen, musst Tore verhindern und Tore erzielen. Das ist der Schwerpunkt des Spiels."

Die "Süddeutsche Zeitung" nennt ihn einen "wohltuend antiquierten Anachronisten in einer von zunehmend eitlen Selbstdarstellern bevölkerten Branche". Olympia wäre ein weiteres Meisterstück und krönender Abschluss für ein Trainer-Exemplar wie aus der Zeit gefallen. Hrubesch ruht in sich: "Ich bin ganz zufrieden mit mir."

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Sportclub | 14.01.2024 | 23:05 Uhr

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