Holstein Kiel heute gegen Bayern München - Wirklich keine Chance?
Bundesliga-Neuling Holstein Kiel empfängt heute den FC Bayern München. Hinten Beton anrühren und vorne hilft der liebe Gott, diese simple Strategie wird für das Fußball-Wunder nicht reichen. Aber wie kann den "Störchen" die Sensation gegen das Starensemble von der Säbener Straße gelingen? Die Daten liefern einen Matchplan für das Team von Trainer Marcel Rapp.
Dribbel-Gott Jamal Musiala, Top-Torjäger Harry Kane oder auch Ausnahme-Keeper Manuel Neuer: Kommen die Bayern, haben sie Weltklasse im Gepäck. Das Münchner Starensemble hat einen Marktwert von über einer Milliarde Euro, Holstein Kiel liegt bei knapp 50 Millionen. Soviel zur Ausgangslage vor dem ersten Kräftemessen der "Störche" mit dem Rekordmeister in der Bundesliga am heutigen Sonnabend (18.30 Uhr, im NDR Livecenter) vor 15.000 Zuschauern im ausverkauften Hostein-Stadion.
Stellt sich die Frage: Wie kann Kiel die Bayern schlagen? Hinten Beton anrühren und vorne hilft der liebe Gott wird als Marschroute für die mit zwei Niederlagen in die Saison gestarteten Schleswig-Holsteiner nicht ausreichen. Die Daten von Global Soccer Networks (GSN) helfen da schon eher weiter, wenn es um einen mögliche Matchplan für den krassen Außenseiter geht.
"Alle Leute wollen die Sensation. Wir wollen sie auch. Ob jetzt Harry Kane da steht oder ein anderer, ist egal. Wir versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten, damit es ein gutes Spiel wird." Kiels Trainer Marcel Rapp
Präzises Passspiel der Bayern stoppen
Dem Gegner die Stärken nehmen und die eigenen ausspielen, lautet das Motto. Bei Bayern München gar nicht so einfach. Das Team von Trainer Vincent Kompany tritt ob seiner individuellen Klasse extrem dominant auf. Joshua Kimmich und Co. kontrollieren das Spiel durch Ballbesitz und effizientes Passspiel. Von den im Schnitt 646 Pässen pro Partie kommen 88 Prozent an - Ligaspitze. Diese Präzision bringt die überragenden Offensivspieler wie Kane und Musiala immer wieder in gute Abschlusspositionen, die sie dann eiskalt ausnutzen. Vor allem zentral vor dem gegnerischen Tor.
Die Bayern können aber auch anders. Mit 36,5 Dribblings pro Spiel sind sie ligaweit führend und nutzen ihre individuelle Klasse, um Verteidigungslinien zu durchbrechen. Auch progressive Läufe - also Läufe, die das Spiel vorantreiben und den Ball in gefährliche Zonen bringen - haben die Münchner im Repertoire.
"Störche" brauchen Überzahl auf den Flügeln
So ein bisschen Beton muss Kiel also doch anrühren, sprich im Defensivverhalten aus der Dreier- eine Fünfer-Abwehrkette machen. So können die "Störche" auf den Flügeln Überzahl schaffen, um die schnellen Außen der Bayern zu stoppen.
Im Zentrum wird es ebenfalls nicht ohne etwas Zement gehen. Die Abstände zwischen Abwehr und Mittelfeld müssen eng gehalten werden, damit die "Mia san mia"-Passmaschine ins Stottern kommt. Kiel kann zudem seine Stärke bei Defensivzweikämpfen, von denen die Schleswig-Holsteiner 65 Prozent gewinnen (Rang sieben im Ligavergleich), in die Waagschale werfen.
Schnell und vertikal zum Drei-Punkte-Jackpot?
Eine kompakte Abwehr ist die halbe Miete, die Messe auf dem Weg zu drei Sensations-Punkten wird aber offensiv gelesen. Während es hinten für Kiel ums Ausbremsen der Bayern geht, ist vorne Schnelligkeit gefragt - vor allem im Umschaltspiel nach Ballgewinnen in der gegnerischen Hälfte. Davon werden die Kieler sicher einige haben, denn hier liegt eine der großen Bayern-Schwächen, die 41 Prozent ihre Ballverluste im eigenen Drittel verzeichnen. Mit schnellen, vertikalen Pässen hinter die zumeist weit aufgerückte Münchner Abwehr kann die Rapp-Elf den Drei-Punkte-Jackpot knacken.
"Wir sind Holstein Kiel, aufgestiegen aus der 2. Liga. Es ist klar, dass wir nicht den Stürmer haben, der aus 0,5 Expected Goals zwei Tore macht. Das ist eher Harry Kane, der 100 Millionen Euro Ablöse gekostet hat." Marcel Rapp
"Ich bin froh, dass unsere Stürmer die Chancen haben und dann auch überzeugt, dass sie Tore schießen werden. Am Schluss ist es eine Qualitätsfrage und wir brauchen vielleicht ein oder zwei Chancen mehr als andere Teams", so Rapp.
Vielleicht liegt aber auch im ruhenden Ball die Kraft für den Kieler Freudentaumel. Das Rapp-Team hat in der Liga mit 67 Prozent gewonnenen Kopfbällen eine der höchsten Erfolgsquoten in der Luft. Flanken, vor allem von links, Ecken und Freistöße versprechen Torchancen für die kopfballstarken Kieler.
KSV-Coach Rapp fehlt gesperrt - Bremer übernimmt
"Bayern München daheim ist das Spiel schlechthin", sagte Rapp. "Bammel haben wir nicht, sondern eher Freude, sich mit ihnen zu messen." Der Holstein-Coach muss nach seinem Platzverweis gegen den VfL Wolfsburg (0:2) auf der Tribüne Platz nehmen. Das sei zwar "ärgerlich, für die Jungs ist das aber kein Problem". Eine halbe Stunde vor und eine halbe Stunde nach der Partie darf er keinen Kontakt zur Mannschaft haben. Er wird an der Seitenlinie von Co-Trainer Dirk Bremser vertreten.
Erinnerungen an den Pokalcoup gegen die Bayern
Einige Kieler haben eine bereits Erfahrung darin, wie man die Bayern packt. Finn Porath, Marco Komenda und Thomas Dähne waren am 13. Januar 2021 dabei, als der damalige Zweitligist den haushohen Favoriten in der zweiten DFB-Pokalrunde sensationell nach Elfmeterschießen bezwang.
"Bundesliga in Kiel gegen Bayern, das müssen die Spieler mit Freude und Enthusiasmus angehen und einfach Bock auf das Spiel haben." Fin Bartels
Fin Bartels erzielte damals das zwischenzeitliche 1:1 und verwandelte auch den entscheidenden Elfmeter. Der Fußball-Rentner weiß, worauf es neben all den taktischen Finessen ankommt. "Man muss auch einfach daran glauben", sagte der 37-Jährige dem NDR. "Respekt ja, aber keine Angst. Bundesliga in Kiel gegen Bayern, das müssen die Spieler mit Freude und Enthusiasmus angehen und einfach Bock auf das Spiel haben." Weltklasse-Gegner hin oder her.
Mögliche Aufstellungen:
Holstein Kiel: Weiner - Johansson, Erras, Ivezic - Becker, Knudsen, Holtby, Bernhardsson, Porath - Pichler, Machino
Bayern München: Neuer - Kimmich, Dier, Upamecano, Guerreiro - Joao Palhinha, Pavlovic - Olise, T. Müller, Musiala - Kane