Kiel schafft die Sensation und wirft die Bayern aus dem Pokal
Holstein Kiel hat den 20-maligen Champion aus dem DFB-Pokal geworfen: Der Zweitligist setzte sich am späten Mittwochabend mit 8:7 (1:1, 2:2, 2:2) nach Elfmeterschießen gegen Bayern München durch.
Mit einer beeindruckenden Nervenstärke hatten die Schleswig-Holsteiner einen Elfmeter nach dem anderen verwandelt. Hauke Wahl, Ahmet Arslan, Janni Serra, Jae-Sung Lee und Niklas Hauptmann mussten immer wieder nachlegen, weil die Bayern mit dem Elfmeterschießen anfangen durften. Doch dann hielt Torhüter Ioannis Gelios den Versuch von Marc Roca - und Fin Bartels schoss die Kieler ins Pokal-Achtelfinale. "Das war eine krasse Leistung von den Jungs", jubelte Kapitän Wahl am Sportschau-Mikrofon, der sein Team erst mit einem Treffer in der Nachspielzeit in die Verlängerung gebracht hatte.
In der nächsten Runde trifft die KSV Holstein im eigenen Stadion Anfang Februar auf Zweitliga-Konkurrent Darmstadt 98. Die Bayern schieden erstmals seit dem Jahr 2000 wieder in der zweiten Runde des Pokals aus. Damals gab es ein 2:5 nach Elfmeterschießen bei Drittligist 1. FC Magdeburg.
Kiel liefert den Bayern einen richtigen Fight
Die reguläre Spielzeit bot vier Akte. Da war das 1:0 für die Bayern von Serge Gnabry (14.). Einen Kopfball von Thomas Müller hatte KSV-Keeper Gelios genau vor die Füße des deutschen Nationalspielers prallen lassen - und dieser sich nicht zweimal bitten lassen.
Aber: Gnabry hatte bei Müllers Abschluss einen halben Meter im Abseits gestanden - was dem Schiedsrichter-Team verborgen blieb. Sehr zum Ärger von Kiels Coach Ole Werner, der es von der Seitenlinie aus offenbar deutlich besser gesehen hatte. Wie oft ist der Videobeweis im deutschen Profifußball schon kritisiert worden? Am Mittwochabend dürften ihn sich alle Fußball-Freunde, die es nicht mit den Bayern halten, gewünscht haben. Der Videokeller wird erst zum Achtelfinale aufgeschlossen.
Im 13. Anlauf: Bartels mit erstem Tor gegen Bayern
Der Höhepunkt des zweiten Aktes war der Ausgleich von Bartels. Ausgerechnet der gebürtige Kieler, der vor seiner Rückkehr in die Heimat im Sommer alle zwölf Spiele seiner Karriere gegen die Bayern verloren und dabei nie ein Tor geschossen hatte.
Nach einem langen Ball von Jannik Dehm lief der 33-Jährige frei auf das Tor von Manuel Neuer zu. Kalt wie Hundeschnauze vollstreckte der Routinier flach ins Eck (37.).
Kiel feiert eine "historische Nacht"
Doch kurz nach der Pause schienen die Dinge den erwarteten Lauf zu nehmen. Schön geschwungen wie die Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal zirkelte Leroy Sané einen Freistoß unhaltbar für Gelios zur erneuten Bayern-Führung ins Kreuzeck (48.). Und auch wenn die Kieler in der zweiten Hälfte trotzdem weiter - genau wie von Trainer Werner gefordert - mutig mitspielten, war die Niederlage mit dem Ablaufen der angezeigten Nachspielzeit fast schon besiegelt.
"Ich habe nach dem Spiel in der Kabine viele verwirrte Menschen getroffen." Kiel-Trainer Ole Werner
Der Pokalkracher hatte allerdings noch eine weitere Wendung in petto, in Form des vierten Aktes. Eine letzte Flanke von Johannes van den Bergh segelte noch in den Münchner Strafraum, wohin sich Abwehrchef Wahl gestohlen hatte. Und halb mit dem Scheitel, halb mit der Schulter bugsierte er den Ball am verdutzten Welttorhüter vorbei zum 2:2 ins Netz (90.+5). In der Verlängerung kämpfte der Zweitligist bis zur totalen Erschöpfung - und "rettete" sich ins Elfmeterschießen.
"Wir haben schon vorher gesagt, dass wir die Dinger reinhauen", sagte Bartels. "Und den Sieg haben wir uns heute verdient." So recht glauben konnten es die Kieler offenbar nicht. Werner berichtete davon, "viele verwirrte Menschen" in der Kabine getroffen zu haben. ARD-Fußballexperte Bastian Schweinsteiger sprach von einer "historischen Nacht" - und zu der gehörte ein Autokorso, den die Fans in der Nähe des Stadions zelebrierten.