HSV: Derby-Euphorie, Hoffnung und Baumgart-Wutrede
Der HSV hat den Derby-Sieg gegen den FC St. Pauli euphorisch gefeiert. Doch die Lage im Fernduell mit Fortuna Düsseldorf hat sich nicht verbessert. Trainer Steffen Baumgart knöpfte sich Kritiker und Schiedsrichter vor.
Wer will es einem Fußballer verdenken, dass er nach einem Derby-Sieg vor fast 60.000 Zuschauern in wahre Euphorie verfällt und die tabellarische Realität für einen Moment aus den Augen verliert? Die Profis des Hamburger SV feierten wild und ausgelassen mit ihren Fans den 1:0-Sieg gegen den FC St. Pauli, der vor allem verhinderte, dass der Stadtrivale im Volksparkstadion vorzeitig den Bundesliga-Aufstieg feiern konnte.
Mann des Tages war wie so oft in den vergangenen Jahren Torjäger Robert Glatzel, der kurz zu Protokoll gab, was er empfand: "Richtig geil, das entscheidende Tor vor der Nordkurve geschossen und den Sieg eingefahren zu haben".
HSV gewinnt verdient gegen St. Pauli
Die HSV-Fans zelebrierten ihrerseits ausgelassen den Erfolg gegen St. Pauli, der zweifellos verdient war. Die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart spielte leidenschaftlich, aber auch gut organsiert und hatte die Offensive des Tabellenführers komplett im Griff. "Viel von dem, was wir uns vorgenommen haben, hat gepasst", lobte Baumgart.
Unbedarfte Beobachter hätten fast auf die Idee kommen können, dass der Hamburger Traditionsclub gerade ein großes Ziel erreicht habe. "Wir wissen, was das den Fans bedeutet", betonte HSV-Sportchef Jonas Boldt.
Fortuna Düsseldorf noch immer klar im Vorteil
Blickt man allerdings ohne Derby-Emotionen ganz nüchtern auf die Tabelle, dann muss man feststellen: Die Lage im Fernduell mit dem Tabellendritten Fortuna Düsseldorf hat sich nicht verbessert. Auch die Rheinländer gewannen am Freitag - mit 3:1 gegen Nürnberg.
Zwei Spieltage vor dem Ende liegt der HSV vier Zähler zurück und hat die deutlich schlechtere Tordifferenz. Er muss seine letzten beiden Partien gewinnen und hoffen, dass Düsseldorf maximal nur noch einen Zähler holt – dann wären die Hamburger doch noch in der Relegation. "Das wird schon schwer. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt", sagte Glatzel.
"Wir können es nicht beeinflussen. Es ist scheiße, so hoffen zu müssen", unterstrich Mittelfeldspieler Jonas Meffert: "Irgendwo sind wir ja auch selbst schuld und es liegt halt nicht mehr in unserer Hand." Damit traf er einen wunden Punkt.
Baumgart knöpft sich Kritiker und Schiedsrichter vor
Der HSV hat sich selbst in diese schwierige Lage manövriert – und die Aussicht auf das abermalige Verpassen des Aufstiegs sowie die aufkommende Kritik in den vergangenen Wochen haben vor allem Trainer Baumgart zugesetzt. Das konnte er nach dem Abpfiff nicht mehr verbergen.
Er lieferte sich auf der Pressekonferenz einen verbalen Schlagabtausch mit seinem Gegenüber Fabian Hürzeler – und knöpfte sich in den Interviews nach dem Spiel jeden vor, dem er etwas mitteilen wollte.
Die externen Kritiker? "Ich weiß, was ich kann, und da brauche ich keinen von außen. Die können erzählen, was sie wollen. Ich bin der Richtige an der richtigen Stelle. Und alle anderen können mich mal da, wo ich noch schöner bin.“
Die Schiedsrichter? "Ganz ehrlich: Die gehen mir auf den Sack. Und das meine ich auch genau so." Die zwei nicht gegebenen Treffer von Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck wären das große Derby-Thema gewesen, hätte Glatzel nicht den Siegtreffer geköpft. Wobei eigentlich nur das erste Tor diskussionswürdig war, beim zweiten war das Foul von Lukasz Poreba an St. Paulis Keeper Nikola Vasilj eindeutig zu sehen.
"Haben zu viel liegenlassen"
Doch da der HSV gewann und die Saison noch nicht abhaken muss, kochte die Debatte nicht komplett über. Und Baumgart fand auch noch ein paar selbstkritische Worte. "Über die Saison weg haben wir zu viel liegengelassen. Das müssen wir auch nicht schönreden."