HSV: Aufstiegschance ja, aber eine Garantie gibt es nicht
Es ist der siebte Anlauf des HSV, in die Bundesliga zurückzukehren. Trainer-Novize Merlin Polzin soll nun schaffen, woran all seine Vorgänger gescheitert sind. Die zentrale Frage: Bringt der Club seine PS endlich auf die Straße?
HSV-Trainer Merlin Polzin war am Beginn des Trainingslagers noch guter Dinge. Auf die Frage nach den vielen angeschlagenen und verletzten Spielern in seinem Team sagte der 34-Jährige lächelnd: "Wir sind weit davon entfernt, das kritisch zu sehen."
Ein paar Tage später, auf dem Rückflug aus Belek Richtung Hamburg, hat sich an Polzins Lächeln wenig verändert. Ob die personelle Situation nicht aber doch gerade kritisch ist, damit müssen sich alle HSV-Verantwortlichen sehr wohl auseinander setzen.
Jean Luc Dompé und Sebastian Schonlau sind verspätet in die Türkei geflogen, weil sie zum Jahreswechsel krank waren. Die langzeitverletzten Robert Glatzel und Ludovit Reis haben weiter nur individuell trainiert. Ihr jeweiliges Comeback wird noch dauern.
Dazu waren Torwart Daniel Heuer Fernandes und Top-Stürmer Davie Selke (zehn Hinrunden-Treffer) angeschlagen. Wann der andere Top-Stürmer, Ransford Königsdörffer, fit sein wird - noch offen. Ersatzkeeper Matheo Raab ist lange draußen. Sein Ausfall wiegt nicht schwer, wenn Heuer Fernandes einsatzbereit ist.
Niveau leidet unter Personal-Engpässen
Merlin Polzin wusste vorab um die enge personelle Lage, und er hat versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Sehr viele junge Nachwuchskräfte waren im Trainingslager dabei. Im Verein ist das immer gern gesehen. Tatsache ist aber auch: Das Trainingsniveau kann nicht immer auf Top-Niveau mithalten, wenn Stammkräfte durch Talente ersetzt werden.
Dennoch: dieses Trainingslager hat seine beiden Hauptziele erreicht. Merlin Polzin ist erst seit einigen Wochen Cheftrainer beim HSV. Und für ihn war es absolut notwendig, sein Spielsystem intensiv mit der Mannschaft einzuüben. Das andere Hauptziel ist die Zielstrebigkeit in Richtung des großen Saisonziels, Aufstieg in die Bundesliga.
Viele Fragezeichen hinter HSV-Aufstieg
Dieses Ziel verfolgt der HSV seit Jahren vergebens. Zuletzt sind auch intern, beispielsweise durch Sportvorstand Stefan Kuntz, aber auch durch Selbstkritik aus der Mannschaft heraus, Stimmen laut geworden, wonach eine größere Wettkampfhärte beim HSV gesucht wird.
Die HSV-Kabine als Wohlfühloase? Die Ergebnisse letzten Endes doch zweitrangig, solange das Stadion voll ist? Der unbedingte Siegeswille nicht erkennbar, macht aber nichts, denn die Kurve steht hinter der Mannschaft?
Alle Hoffnungen ruhen auf Polzin
Ob solche Tendenzen wirklich in der Mannschaft drin sind, und ob sie in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, dass der Aufstiegsversuch stets misslungen ist, weiß vielleicht niemand besser als Merlin Polzin. Er kam 2020 zum HSV als Co-Trainer von Daniel Thioune. Er kennt Verein und Mannschaft, hat einen guten Draht zu den Spielern, und Polzin hat mit Loic Favé einen jungen und absolut anerkannten Fachmann an seiner Seite. Polzin muss nicht weniger als das schaffen, woran alle seine Vorgänger gescheitert sind.
Auftaktprogramm hat es in sich
Das Auftaktprogramm des HSV in der Zweitliga-Rückrunde ist aufregend. Heimspiel gegen Spitzenreiter Köln. Auswärtsspiel bei der Hertha, und dann noch ein Heimspiel gegen Aufstiegskonkurrent Hannover. Nach diesen drei Spielen wird sich noch nicht entschieden haben, ob es am Ende reicht. Eine Tendenz könnte sich aber schon zeigen.
Wobei Mittelfeld-Routinier Jonas Meffert, der viele verpasste Chancen der Vergangenheit miterlebt hat, weiß: "Es wird eine lange Rückrunde, und es wird auch kritische Momente geben." Unabhängig davon, ob der Start 2025 gelingt oder nicht.
Sahiti und Jatta sammeln Pluspunkte
Die Testspiele des HSV in Belek haben wenig Aufschluss gegeben über die Leistungsfähigkeit. Es wurde wahnsinnig viel gewechselt. Immerhin konnten sich ein paar Spieler empfehlen. Dazu gehört sicher der Kosovare Emir Sahiti, der sowohl beim 2:0 gegen Alemannia Aachen als auch beim 1:2 gegen den FCSB Bukarest zu den Hamburger Torschützen gehörte. Auch Bakery Jatta, in der Hinrunde noch ein Sorgenkind unter Ex-Coach Steffen Baumgart, überzeugte.
Der HSV muss die Fußball-PS auf die Straße bringen
Reicht all das am Ende? Für eine Prognose ist es zu früh. Die Hamburger Fan-Gemeinde zieht ihre Hoffnung aus der Tabellen-Konstellation. Von den Punkten war es die schlechteste Hinrunde der Hamburger Zweitliga-Geschichte (nur 28 Zähler), trotzdem bietet Platz drei in der Tabelle alle Möglichkeiten. Was passiert wohl erst, wenn dieser HSV wirklich sein Potential ausschöpft? Wenn Selke weiter trifft, Glatzel gesund ist, Schonlau wieder dirigiert und die schnellen Flügelstürmer die gegnerischen Reihen durcheinander wirbeln - und zwar nicht nur phasenweise, sondern dauerhaft?
Der HSV-Kader scheint einer der besten der 2. Liga zu sein. Ob Merlin Polzin die Fußball-PS auf die Straße bringt - das wird die entscheidende Frage sein. Den nötigen Rückhalt hat er, von Vorstand und Mannschaft. Eine Garantie für den Erfolg ist das auch in dieser Saison nicht.