Frauen-Bundesliga im Aufwind - aber noch zu "männerlastig"
Transfer-Weltmeister ist die Bundesliga schon und ein neuer TV-Vertrag spült Geld in die klammen Kassen. Der Frauenfußball boomt - aber in der Liga gibt es wohl wieder nur einen Zweikampf zwischen Wolfsburg und Bayern München um den Titel. Für das kriselnde Nationalteam geht es derweil um ein Olympia-Ticket.
Bundesliga-Spaß statt WM-Desaster - vor allem die deutschen Nationalspielerinnen dürften den Neustart genossen haben. "Manchmal denkt man noch daran" gesteht Chantal Hagel, die sich zur neuen Saison in Hoffenheim verabschiedet hat und nun beim Titel-Aspiranten VfL Wolfsburg hofft, das frühe Aus bei der Weltmeisterschaft "Down Under" im Kopf "ein bisschen wegschieben zu können".
Der Liga-Auftakt jedenfalls war verheißungsvoll: Für Wolfsburg (3:0 gegen Bayer Leverkusen) im Fernduell mit Meister Bayern München (2:2 beim SC Freiburg) ebenso wie für den zweiten Nord-Club Werder Bremen, der bei Aufsteiger 1. FC Nürnberg 5:1 gewann.
Harter Kampf um zwei Tickets für Olympia
Und auch die Nationalmannschaft plant die rasche Wiedergutmachung. Schon an diesem Montag geht es zur Vorbereitung auf die Nations-Cup-Spiele am Freitag in Dänemark und am Dienstag (26.09.) in Bochum gegen Island. Nur die erkrankte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wird nicht dabei sein. "Eine superschwere Situation für die Mannschaft", sagt im NDR Sportclub die frühere Nationalspielerin Navina Omilade, die heute als erste Frau im Aufsichtsrat von Männer-Zweitligist Holstein Kiel sitzt.
Das verunsicherte Team muss erfolgreich sein, um eines der nur zwei europäischen Tickets für die Olympischen Spiele kommendes Jahr in Paris (Gastgeber Frankreich ist gesetzt) ergattern zu können: "Ich hoffe, die Mädels können gut damit umgehen."
Weg zum Titel nur über Bayern?
Weniger Ungewissheit verspürt Omilade hinsichtlich der Lage in der Liga: "Der Zweikampf zwischen Wolfsburg und den Bayern ist wohl wieder zu erwarten. Aber ich denke auch, dass Frankfurt und Hoffenheim näher ranrücken und das Geschehen spannender gestalten werden." Eine Aussage mit Fragezeichen, denn die Eintracht kassierte am Sonntag bei der SGS Essen - nach dem Abstieg von Turbine Potsdam das einzig verbliebene Team ohne starken Männerclub im Rücken - eine 0:2-Niederlage.
Für die meisten Experten scheint sicher zu sein, dass der Weg zum Titel nur über den FC Bayern geht. Die Münchnerinnen haben sich mit der Dänin Pernille Harder und Magdalena Eriksson aus Schweden (beide vom FC Chelsea) exorbitant verstärkt. Zudem spielt weiterhin die englische Europameisterin und Vize-Weltmeisterin Georgia Stanway im Team von Trainer Alexander Straus.
Wolfsburg sieht sich als Herausforderer
Wolfsburgs Kapitänin Alexandra Popp, die frisch gekürte Fußballerin des Jahres, stapelt angesichts der nochmals gesteigerten Qualität des Bayern-Kaders jedenfalls tief. Ihr VfL-Team müsse sich vor allem über "Teamgeist, Mentalität und Siegeswille" definieren. Ralf Kellermann, Direktor des Wolfsburger Frauenfußballs, stößt ins selbe Horn: "Die Bayern gehen als Topfavorit in die Saison, haben sich prominent verstärkt. Aber wir stellen uns dem, haben als Mannschaft das Ziel, Deutscher Meister zu werden."
Weltmeister bei Transfers aus dem Ausland
Anspruch und Wirklichkeit - das soll im Frauenfußball bald eine Einheit bilden. Doch "der Weg ist noch weit", sagte Freiburgs Sportvorstand Jochen Saier während einer Gesprächsrunde des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kurz vor dem Saisonstart. Der Zuschauerschnitt ist binnen eines Jahres von mageren 821 zwar auf 2.723 Besucher gestiegen, im Vergleich mit den Ligen in England und den USA müssen die Bundesligisten aber noch kleinere Brötchen backen.
Auch wenn immer mehr Clubs Highlight-Spiele in den großen Stadien austragen können und die Bundesliga laut FIFA in diesem Sommer Weltmeister bei Transfers aus dem Ausland ist. 55 Spielerinnen wechselten aus anderen Ligen in Deutschlands Eliteklasse.
Die meisten Transfers werden laut FIFA-Bericht allerdings nach wie vor ohne Ablösen getätigt. Nur für 66 der insgesamt 829 internationalen Transfers wurde eine Zahlung fällig. Bei 84,4 Prozent der Spielerinnen war der Vertrag zum Zeitpunkt ihres Wechsels ausgelaufen. Bei den Männern waren es dieses Jahr 56,6 Prozent.
Omilade: "Vergleich mit europäischen Ligen suchen"
Im internationalen Vergleich klaffe in vielerlei Hinsicht eine Lücke, meint die 61-malige Nationalspielerin Omilade, die 2013 ihre Karriere in Wolfsburg mit dem Triple-Gewinn beendet hat. Dem Fußball der Männer nachzueifern, hält sie für nicht geboten. "Besser sollten wir den Vergleich mit den anderen europäischen Ligen suchen, um nicht den Anschluss zu verlieren." Das müsse der Anspruch sein, so die 41-Jährige. Selbstbewusst könne man trotzdem sein: "Betrachtet man die letzten Jahre, haben wir einen riesigen Sprung gemacht."
Schult gründet Spielerinnen-Vereinigung
Auch die Bezüge der Spitzenspielerinnen sind teils gewaltig gestiegen. Aber eben nur die der Topstars. Das durchschnittliche Gehalt einer Bundesligaspielerin beträgt laut DFB 3.500 Euro brutto. Zweifelsfrei eine wenig belastbare Zahl, rechnet Nationalkeeperin Almuth Schult im NDR Sportclub vor und fragt: "Wieviel Geld fällt auf das obere Drittel der Spielerinnen aus Wolfsburg, München oder Frankfurt und verfälscht so die Statistik für die, die unten am Existenzminimum sind?"
Eine Umfrage der Sportschau bestätigt die Kritik. Die Hälfte aller Erst- und Zweitligaspielerinnen bekommen eigenen Angaben zufolge weniger als 500 Euro pro Monat. Das reicht bei Weitem nicht aus, um sich auf den Fußball konzentrieren zu können. Damit sich das ändert, hat Schult eine Spielerinnen-Vereinigung gegründet. "Wir hoffen, die Stimmen der Spielerinnen mehr in den Vordergrund zu stellen und etwas lauter werden zu können."
Anerkennung erntet sie von der Ex-Wolfsburgerin Omilade, die in 103 Bundesligaspielen für die Niedersächsinnen elf Tore erzielt hat: "Eine tolle Aktion von Almuth. Anders geht es nicht; sonst passiert nichts."
Namenssponsor, TV-Vertrag - aber Montagsspiele
Für mehr öffentliche Wahrnehmung und gesteigerten Wert für die Werbetreibenden sollen ein neuer Namenssponsor der Liga (Google Pixel) und ein mit 5,175 Millionen Euro dotierter TV-Vertrag sorgen, der jedem Verein ein "Zubrot" von 388.000 Euro garantiert. "Das hilft enorm", sagt die frühere Nationalspielerin und aktuelle DFB-Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball, Doris Fitschen.
Die Kröte Montagsspiele musste die Liga dafür allerdings schlucken. Ein Problem für Spielerinnen, die berufstätig sind oder zur Uni gehen. Omilade teilt die unter anderen von Alexandra Popp geäußerte Kritik jedoch nicht: "Ich finde es gut. Klar muss man Opfer bringen", sagt sie. Aber sie finde es wichtiger, das Alleinstellungsmerkmal an diesem Spieltag zu haben.
Nur eine Trainerin in der Bundesliga
Freiburgs Sportvorstand Saier bringt einen weiteren ausbaufähigen Punkt zur Sprache: noch immer "zu männerlastigen" Frauenfußball. So ist Freiburgs Theresa Merk, einst Co-Trainerin in Wolfsburg, die einzige Frau auf einem Chefcoach-Posten in der Bundesliga. Das ist wohl kein Zufall, betrachtet man die entsprechenden Daten aus den Chefetagen des deutschen Fußballs. Ganze drei Prozent beträgt der Anteil an Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen aller Erst- und Zweitligisten. In den Regional- und Landesverbänden regieren ausschließlich Männer.
Im Weltfußball-Verband FIFA sieht es nicht besser aus: Nur elf der 211 Verbände werden von Frauen geführt. Im europäischen Verband UEFA stehen in vier von 55 Verbänden Frauen an der Spitze.
Omilade: Attribute für den Frauenfußball machen stolz
Navina Omilade ist als Aufsichtsrätin in Kiel daher immer noch eine Ausnahmeerscheinung. "Ich freue mich, dass Holstein den Mut hatte, diesen Schritt zu gehen; und ich als erste Frau in dieser Position auch ein bisschen Vorbild sein kann. Es ist eine spannende Aufgabe und macht großen Spaß."
So wie der Frauenfußball insgesamt - auch wenn die Lobeshymnen über den nahbaren, sympathischen und sehenswerten Fußball bisweilen etwas strapaziert werden. Das finde sie gar nicht, so Omilade: "Die Attribute, die passen - und wir sind stolz darauf."