Trainer Julian Nagelsmann © picture alliance / dpa

Flick-Nachfolger: Nagelsmann passt perfekt, Klopp ist der Top-Trainer

Stand: 12.09.2023 08:47 Uhr

Bundestrainer Hansi Flick ist weg. Wer wird sein Nachfolger bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft? Die Daten zeigen: Julian Nagelsmann und Jürgen Klopp würden sehr gut passen. Es gibt aber noch einen weiteren Top-Kandidaten.

von Tobias Knaack

Hansi Flick ist beim DFB seit Sonntag Geschichte. Sportdirektor Rudi Völler übernimmt interimsweise für die heutige Partie gegen Frankreich (21 Uhr, live im Ersten). Das Fass zum Überlaufen brachte das 1:4-Debakel in Wolfsburg gegen Japan, doch schon vorher war die Mängelliste in der Ära des 58-Jährigen gewaltig: zu lange Experimentierphasen, taktische Wankelmütigkeit, kommunikative Fehler, keine Linie in den Personalentscheidungen.

Flick-Nachfolge: Wer kann das Potenzial der Spieler abrufen?

Flick hat es in seiner rund zweijährigen Amtszeit nicht geschafft, das Potenzial der vielen starken Individualisten, die in ihren Clubs teils mit herausragenden Leistungen glänzen, abzurufen - wie unsere Datenanalyse bereits vor der Pleite gegen Japan gezeigt hat - geschweige denn, eine homogene Mannschaft zu formen. Jetzt ist er weg, neun Monate vor Beginn der Heim-EM die Frage der Nachfolge aber umso dringender: Wer schafft es, das am Boden liegende Ensemble aufzurichten und zu einem Team zu formen?

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Die Liste der gehandelten Namen ist lang - und wächst. Sie reicht von Liverpool-Coach Jürgen Klopp über Ex-Bayern-München-Trainer Julian Nagelsmann, Roger Schmidt (Benfica Lissabon), Oliver Glasner (ehemals Wolfsburg, aktuell vereinslos) bis hin zu Stefan Kuntz (ehemals U21, aktuell türkischer Nationaltrainer). In unserer GSN-Datenanalyse beleuchten wir, welche Kandidaten besonders gut auf den Posten passen würden.

Jürgen Klopp:

Seit Jahren wird der 56-Jährige als Wunschlösung genannt - und sein unter allen analysierten Coaches ermittelter GSN-Index-Wert unterstreicht eindrucksvoll, warum: 91,22 ist Weltklasse und distanziert die anderen Kandidaten deutlich.

Der noch bis 2026 beim FC Liverpool gebundene Trainer hat bei einem Punkteschnitt von 1,86 eine Siegquote von 54,70 Prozent. Klopps Teams spielen mit hohem Angriffspressing, hohen Balleroberungen und schnellen Umschaltmomenten. Die Spielweise ist extrem auf Pressing und Gegenpressing ausgelegt. Offensiv entsteht allerdings Gefahr durch hoch aufrückende Außenverteidiger und nach innen rückende Außenstürmer.

Klopp lässt offensiv im 4-3-3 agieren, defensiv wird es zu einem 4-5-1, seine Taktik passt der Analyse nach zu 83,90 Prozent zur DFB-Auswahl.

Julian Nagelsmann

Der 36-Jährige ist der jüngste unter den analysierten Kandidaten. Nagelsmann wäre nach seiner Freistellung beim FC Bayern München im vergangenen März verfügbar, müsste allerdings aus seinem noch beim Rekordmeister laufenden Vertrag (bis 2026) gekauft werden. Die Münchner wollen dem Vernehmen nach eine Ablöse in zweistelliger Millionenhöhe haben, könnten dem DFB aber entgegenkommen.

Die Spielweise von Nagelsmann ist auf Kurzpass- und Kombinationsspiel ausgelegt. Seine Teams sind generell offensiv ausgerichtet. Nach Ballverlusten geht es umgehend ins Gegenpressing und Pressing über. Defensiv agiert man mit Raumdeckung. Nagelsmann lässt seinen Spielern diverse Freiräume während der Partie. Zudem setzt er auch auf eine starke Bank, um die Spielweise anzupassen. Er lässt bevorzugt im 4-2-3-1 agieren, das defensiv in ein 5-2-2-1 übergeht. Mit 1,92 Punkten pro Begegnung und einer Siegquote von 56,96 Prozent erreicht Nagelsmann Spitzenwerte.

Sein GSN-Trainer-Index-Wert liegt mit 86,87 im Bereich der Weltklasse. Seine Taktik wäre gegenüber dem DFB-Team zu 90,65 Prozent passend. Der beste Wert der analysierten möglichen Nachfolger.

Roger Schmidt

Der Coach steht aktuell und noch bis 2026 beim portugiesischen Meister Benfica Lissabon unter Vertrag und ist dort mit einer Ausstiegsklausel von 30 Millionen Euro belegt. Vor seiner Station in Portugal brachte er in den Niederlanden die PSV Eindhoven wieder auf Kurs und erreicht mit 1,92 Punkten pro Spiel und einer Siegquote von 57,16 Prozent Bestwerte unter den möglichen Flick-Nachfolgern.

Schmidts bevorzugtes System ist ein 4-2-3-1, das defensiv ein 4-4-2 wird. Der 56-Jährige, der in der Bundesliga Bayer Leverkusen erfolgreich betreute, setzt mit Ball auf viele Pässe und Kombinationsspiel, hohes Tempo und vertikales Spiel. Auffällig ist, dass lange Bälle eine stark untergeordnete Rolle spielen. Weitere Merkmale: hohe Gegenpressingintensität, hohe letzte Linie und hohe Balleroberungen.

Schmidts Taktik würde zu 88,83 Prozent zu den Anforderungen beim DFB passen. Sein GSN-Trainer-Index ist mit 84,01 in der internationalen Klasse angesiedelt.

Oliver Glasner

Der ehemalige Coach des VfL Wolfsburg, bis Ende Juni Trainer bei Eintracht Frankfurt, ist aktuell vereinslos und stünde direkt zur Verfügung. Allerdings wird er mit einem Engagement bei Olympique Lyon in Frankreich in Verbindung gebracht. Der 49-Jährige kommt mit der Empfehlung eines sensationellen Europapokal-Gewinns mit den Hessen im vergangenen Jahr, weist unter den analysierten Kandidaten allerdings den schwächsten Punkteschnitt (1,72 pro Partie) sowie die geringste Siegquote auf (49,61 Prozent).

Glasners favorisiertes System - ein 3-4-2-1, das defensiv zu einem breiten 5-2-3 wird - sowie seine auf viel Tempo, Gegenpressing, Konter und eine hohe letzte Kette ausgelegte Spielweise passen taktisch betrachtet unter den analysierten Kandidaten am wenigsten zum DFB-Team: 76,77 Prozent.

Hinzu kommt: Sein GSN-Trainer-Index liegt mit 71,76 Prozent knapp innerhalb der internationalen Klasse.

Stefan Kuntz

Der 60-Jährige ist aktuell türkischer Nationaltrainer - steht dort allerdings aufgrund ausbleibender Ergebnisse mächtig unter Druck. Kuntz wäre die "DFB-Lösung" für den vakanten Posten. Von 2016 bis 2021 arbeitete er sehr erfolgreich als Coach der deutschen U21, mit der er 2017 und 2021 Europameister wurde. Seine Siegquote liegt bei 51,27 Prozent, sein Punkteschnitt wie bei Glasner bei 1,72 pro Partie.

Die Spielweise: ein ausgewogener Mix aus Offensive und Defensive. Offensiv durchaus mit Risiko, geht es nach Ballverlusten schnell ins Gegenpressing, bevor sich das Team anschließend weiter zurückzieht. Mit seinem bevorzugten System - einem 4-1-4-1, das defensiv zu einem breiten 5-2-3 wird - ergibt sich eine zum DFB passende Taktik, die bei 77,72 Prozent liegt.

Kuntz' GSN-Trainer-Index ist mit 71,81 Prozent am unteren Ende der internationalen Klasse.

Fazit

Ginge man alleine nach dem GSN-Trainer-Index-Wert müsste der DFB alle Hebel in Bewegung setzen, um Klopp davon zu überzeugen, seinen Vertrag in Liverpool entgegen aller Bekundungen doch nicht zu erfüllen. In dieser Hinsicht überragt der LFC-Coach - gespickt mit zahlreichen nationalen und internationalen Trophäen mit Clubs in zwei europäischen Top-Ligen - alle anderen Kandidaten und war laut kicker "absoluter Wunschkandidat der Führungsriege". Unserer Analyse zufolge ist sein System dennoch nicht das am besten kompatible zu den Anforderungen bei der Nationalmannschaft. Hier liegen Nagelsmann und Schmidt sogar mit deutlichem Abstand vor ihm.

Das Manko bei beiden, auch wenn es aus Task-Force-Kreisen heißt, das Geld dürfe trotz der finanziellen Probleme keine Rolle spielen: Es würden hohe Ablösen fällig. Fraglich ist mit Blick auf Nagelsmann, ob er sich jetzt schon für eine Nationalmannschaft entscheidet. "Ich glaube, dass er mit 36 Jahren noch nicht so weit ist, dass er lieber die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft will und braucht", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Zuletzt wurde Nagelsmann zudem mit Borussia Dortmund in Verbindung gebracht.

Dass ihn die Mission Heim-EM reizen würde, gilt als offenes Geheimnis. Im Juni, berichtet die Nachrichtenagentur DPA, wäre er gegenüber etwaiger DFB-Avancen aufgeschlossen gewesen. Eine Kontaktaufnahme seitens des Verbandes gab es sehr zur Verwunderung der Nagelsmann-Seite damals nicht. Verbandsintern gibt es offenbar Vorbehalte gegen den Mann, der mit erst 36 Jahren der jüngste Chefcoach in 123 Jahren DFB-Geschichte werden könnte. Manch Funktionär soll Nagelsmann für etwas überschätzt halten, anderen ist das "Trainertalent" zu jung.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 11.09.2023 | 13:17 Uhr

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