Eintracht-Coach Scherning formt Schlusslicht zum Seriensieger
Bei der Suche nach dem Geheimnis des Braunschweiger Erfolges lieferte ein finnischer Hüne sachdienliche Hinweise. Er tat dies nicht im Verborgenen, sondern sagte es frei heraus, mit einem Lächeln auf den Lippen. "Es fühlt sich aktuell sehr gut an, Spieler von Eintracht zu sein", erklärte der 1,97 m große Innenverteidiger Robert Ivanov und schob sogleich die Begründung nach: "Daniel Scherning hat uns in eine Position gebracht, in der wir gewinnen können."
Der 40 Jahre alte, in Paderborn geborene Fußballlehrer mit der hohen Stirn - das lässt sich jetzt freimütig einräumen - war auch zuvor schon der "Hauptverdächtige" gewesen. Alle Zahlen deuteten schlichtweg auf ihn hin. Der Unterschied in der Statistik ist einfach viel zu groß, als dass Scherning nicht hätte verantwortlich sein können.
Eintracht vor Scherning-Antritt ganz unten
Bevor er zum BTSV wechselte, lag der Traditionsclub in der Zweiten Liga sportlich darnieder. Fünf klägliche Punkte hatten die unter dem Ende Oktober entlassenen Trainer Jens Härtel und Interimscoach Marc Pfitzner zu zahnlos aufgetretenen "Löwen" in den ersten zwölf Saisonspielen irgendwie zusammenklauben können. Braunschweig stand Anfang November, nach der 0:2-Niederlage im Niedersachsenderby bei Hannover 96, in der Tabelle mit fünf Punkten ganz unten - sogar noch einen Platz und zwei Zähler hinter dem überfordert wirkenden Aufsteiger VfL Osnabrück.
Vor allem die Art und Weise, wie die Eintracht bis dato aufgetreten war, ließ ja beinahe nur eine Prognose für das Saisonende zu: Nachdem im ersten Jahr nach dem Aufstieg knapp der Klassenerhalt geschafft worden war, würde es ein Jahr später für die Eintracht wieder in die Drittklassigkeit hinabgehen.
"Er kann eine Mannschaft anzünden." Benjamin Kessel, Eintracht-Sportdirektor
Und dann kam Scherning. Er war gewissermaßen die letzte Chance in einer vermeintlich aussichtslosen Lage. Benjamin Kessel, der neue Sportgeschäftsführer des Clubs, zeigte sich von der Verpflichtung des früheren Osnabrücker und Bielefelder Trainers überzeugt: "Er kann eine Mannschaft anzünden", sagte Kessel bei der Vorstellung des Neuen.
Genau dies gelang Scherning tatsächlich. In sieben Spielen unter ihm holte Braunschweig satte 15 Punkte - und damit sogar zwei mehr als der noch immer ungeschlagene Spitzenreiter FC St. Pauli in jenem Zeitraum. Die Lage in der Tabelle hat sich für den BTSV dadurch enorm verbessert. Mit jetzt 20 Punkten hat der Club nicht nur Schlusslicht Osnabrück (10) deutlich distanziert, die Nichtabstiegsplätze sind jetzt in Reichweite.
Bis zum auf Rang 13 stehenden 1. FC Magdeburg, der am Sonntag mit 1:0 bezwungenwurde, sind es nur noch drei Zähler. Die nächste Aufgabe wirkt da wie ein Bonbon zur Belohnung für den erfolgreich bewältigten ersten Teil der Aufholjagd: Am kommenden Sonnabend (13 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) gastiert die Eintracht beim FC Schalke 04, der bei Punktgleichheit nur aufgrund der besseren Tordifferenz vor den Norddeutschen auf einem Nichtabstiegsrang liegt.
Viel Arbeit auf der emotionalen Ebene
Was aber hat Scherning anders gemacht? Die Antwort: Rein taktisch gar nicht einmal so viel. Fabio Kaufmann hat er von der Außenbahn mehr ins Zentrum gezogen, dort ist der Routinier als Antreiber zum besten Torschützen (fünf Treffer) und Scorer (sechs Punkte) des Teams avanciert. Durch Rückkehrer Ermin Bicakcic hat die Abwehrreihe, die Scherning zumeist als Dreierkette ausrichtet, an Stabilität gewonnen. Als erfolgreich hat sich eindeutig Schernings Spielidee erwiesen, komplett aufs Umschalten zu setzen, egal ob auswärts oder zu Hause.
Vieles dürfte sich aber über die emotionale Ebene entwickelt haben. Scherning ist es zum Beispiel gelungen, dass der Franzose Rayan Philippe einen gewaltigen Sprung vom Ergänzungsspieler bei der Eintracht zu einem der interessantesten Angreifer der gesamten Zweiten Liga gemacht hat. Damit einher ging auch, dass die Braunschweiger ihre langjährige Abhängigkeit von Stürmer Anthony Ujah abgelegt haben.
"Jeder kämpft für jeden." Robert Ivanov, Eintracht-Verteidiger
Der Finne Ivanov führte nach dem Heimsieg gegen Magdeburg sein Lob für den Coach noch weiter aus. "Wir haben die richtigen Positionen für die Jungs gefunden - das ist der Schlüssel. Natürlich ist es jetzt einfach, das zu sagen, aber wir hatten immer diese Qualität. Nur die Struktur und das Momentum haben gefehlt - sicherlich hier und da auch das Spielglück", so der Defensivspieler.
Die Mannschaft sieht er auf einem guten Weg. Ivanov: "Es sind elf Spieler auf dem Feld, es geht um Teamwork und die Stabilisierung unserer Spielweise. Jeder kämpft für jeden, und wir schauen auf ein Spiel nach dem anderen."
Als nächstes dann "auf Schalke", ein "Highlight-Spiel, für die Mannschaft, das Trainerteam und den ganzen Verein", wie Scherning sagte. "Die Hütte wird voll sein", sagte der Eintracht-Coach, der über den bisherigen Erfolg und seinen Anteil daran nicht viele Worte verlieren will. Und, keine Frage, für die "Löwen" ist es weiterhin ein weiter Weg. Aber es gibt jetzt die Hoffnung, dass eine Saison, die in ihrem ersten Drittel als so furchtbar erschien, am Ende noch richtig schön ausgehen könnte.