"Ein Traum" - St. Paulis Saad vom Futsal auf die große Bundesliga-Bühne

Stand: 30.09.2024 15:07 Uhr

Stürmer Elias Saad schreibt weiter an seiner außergewöhnlichen Fußballkarriere. Beim 3:0 des FC St. Pauli in Freiburg war er der Mann des Tages. Dem ehemaligen Futsal-Spieler bieten sich aufgrund seiner Fähigkeiten glänzende Perspektiven.

von Christian Görtzen

Zehn Meter waren es etwa noch bis zur Mittellinie, als Elias Saad den Ball erhielt - und damit gut sechzig bis zum gegnerischen Tor. Der flinke Mann auf der linken Außenbahn beim Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli nahm sofort Tempo auf und war unter dem Raunen des Publikums von keinem Freiburger mehr aufzuhalten. An der Strafraumgrenze angekommen, zog er mit einem schnellen Haken zur Mitte und fand wie ein Wellenreiter in der Tube die perfekte Linie zwischen den SC-Verteidigern hindurch. Nach einer Drehung zur linken Seite zog er ab, traf zum 3:0-Endstand und lief gleich weiter zur praktischerweise nahegelegenen Gästekurve, um sich dort gebührend feiern zu lassen.

"Ein unbeschreibliches Gefühl." Elias Saad

Im Nachhinein untertrieb der Mann des Tages sogar noch, als er sein Tor beschreiben sollte. "Bei meinem zweiten Treffer habe ich sehr viel Platz, gehe irgendwie an drei Gegenspielern vorbei und habe mit der letzten Kraft geschossen", sagte Saad. Es waren sogar vier Freiburger - drei in der hinteren Reihe und einer, der aus dem Mittelfeld herangesprintet kam. Und durch diese Gasse witschte Saad hindurch. In jedem Fall sei es ein "unbeschreibliches Gefühl" gewesen, "danach dann vor unserer Kurve zu jubeln".

"Straßenfußballer" Saad schwer zu verteidigen

Es lässt sich schon jetzt vorhersagen, dass dieser Treffer von bleibendem Wert sein wird. Zum einen in der Erinnerung der Fans des FC St. Pauli, die bis dahin in der Saison kaum etwas zu feiern gehabt hatten. Zum anderen aber sicherlich auch in den Datenbänken ganz vieler Scouts nationaler und internationaler Topclubs.

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St. Paulis. Elias Saad (m.) bejubelt seinen Treffer © Witters Foto: Joerg Halisch

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Der gebürtige Hamburger bringt durch seine Vergangenheit als Futsal-Spieler (bis 2021 beim Bundesligisten HSV-Panthers) auf der linken Seite etwas Besonderes in das Spiel des Aufsteigers ein. Er ist für die gegnerischen Verteidiger mit seinen schnellen Haken und seiner sogar im Höchsttempo liebevollen Ballbehandlung einfach schwer zu stellen.

"Ich bin ein Straßenfußballer, der Freude am Fußballspielen hat", hatte Saad gesagt, als St. Pauli ihn im Dezember 2022 vom Nord-Regionalligisten Eintracht Norderstedt abgeworben hatte. "Das zeichnet auch meinen Spielstil aus. Ich suche gerne das Eins-gegen-Eins, lege viel Wert auf eine gute Technik. Da kommt mir auch meine Zeit als Futsal-Spieler zugute. Denn in der Halle hast du genau diese Situationen. Du musst dich häufig aus Bedrängnis und engen Situationen lösen, die richtige Entscheidung treffen und sehen, wo die Mitspieler sind."

Vor drei Jahren spielte Saad noch vor 200 Zuschauern

Am Sonnabend schrieb Saad ein weiteres Kapitel seiner Geschichte, die auch in zeitlicher Hinsicht außergewöhnlich ist. Fast genau drei Jahre vor dem fulminanten Auftritt in Freiburg absolvierte er mit dem Nord-Regionalligisten Eintracht Norderstedt noch eine Ligapartie bei Holstein Kiel II. Mit 4:4 endete sie damals vor 200 Zuschauern im Holstein-Fußball-Park. Saad, der nie ein Leistungszentrum durchlaufen hat, erzielte das zwischenzeitliche 3:2 für Norderstedt. Wie viele Eintracht-Fans ihm damals zugejubelt haben, ist nicht überliefert.

Blessin setzt zunächst nicht auf das Duo Saad/Afolayan

Bei den Braun-Weißen war Saad mit seiner Spielweise ein ganz wichtiger Faktor dafür, dass dem Team in der vergangenen Saison unter Trainer Fabian Hürzeler der Bundesliga-Aufstieg gelang. Die Flügelzange mit Saad über links und dem Engländer Oladapo Afolayan über rechts war gefühlt die größte Stärke der Mannschaft. Umso verwunderlicher, dass St. Paulis neuer Trainer Alexander Blessin in den ersten Bundesligapartien nicht darauf baute.

Der Hürzeler-Nachfolger ließ das Team nicht im bekannten 3-4-3 mit Saad und Afolayan agieren, sondern in einem 3-5-2-System, in dem sich das Duo auf der Ersatzbank wiederfand. Nach drei Niederlagen in den ersten drei Partien stellte Blessin auch aufgrund der personellen Situation für das Spiel gegen RB Leipzig (0:0) auf das bekannte und immer häufiger geforderte System um - mit Saad und Afolayan auf dem Platz.

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Jubel bei Elias Saad (r.) vom FC St. Pauli © IMAGO / MIS

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Plötzlich lief es: Gegen Champions-League-Teilnehmer Leipzig wurden viel mehr Chancen erarbeitet und schließlich der erste Punktgewinn gefeiert. "Jeder weiß, dass ich gerne auf dem linken Flügel spiele. Deswegen bevorzuge ich natürlich das 3-4-3-System. Das weiß der Trainer. Er weiß, dass es auf dieses System zurückfällt, wenn er mich spielen lässt", sagte Saad nach dem Spiel gegen Leipzig dem NDR. Und in Freiburg folgte eine Woche später ein noch stärkerer Auftritt.

Wolfsburg und Werder sollen schon Interesse gehabt haben

Sollten dem gebürtigen Hamburger, der einst beim ESV Einigkeit Wilhelmsburg begann und Zinedine Zidane und Franck Ribéry als Idole nennt, in den kommenden Wochen ähnliche Auftritte gelingen, wird er für St. Pauli über diese Saison hinaus kaum zu halten sein. Saads Vertrag läuft nach Medienberichten wohl bis Sommer 2026. St. Pauli gibt die Vertragsdauer bei Verpflichtungen nicht bekannt. Wäre dem so, könnte der Verein im kommenden Sommer noch eine hohe Ablösesumme kassieren.

In der Vergangenheit sollen laut "Bild" auch schon der VfL Wolfsburg und Werder Bremen sowie der FC Southampton und der spanische Erstligist FC Getafe Interesse an Saad gehabt haben.

Es scheint so vieles möglich für den Tempodribbler, der im September 2023 in die tunesische Nationalmannschaft berufen wurde, aber noch ohne Einsatz ist. Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga ist sehr gut vorstellbar, selbst zu einem Top-Team. Und ein Transfer in die englische Premier League, wo ja auch Ex-Trainer Fabian Hürzeler erfolgreich Brighton & Hove Albion trainiert? Undenkbar sicherlich nicht. Die erstaunliche Karriere des Ex-Futsalers Elias Saad scheint noch einige spannende Kapitel bereitzuhalten.

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Sportclub | 29.09.2024 | 22:50 Uhr

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