Elias Saad vom FC St. Pauli © Witters

Elias Saad: St. Paulis Senkrechtstarter vor dem nächsten Schritt

Stand: 04.09.2023 22:10 Uhr

Elias Saad ist der Senkrechtstarter beim Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli - und bald vielleicht Nationalspieler Tunesiens. Dabei kam der Hamburger erst Anfang des Jahres vom Regionalligisten Eintracht Norderstedt ans Millerntor. Eine rasante Karriere.

von Tobias Knaack

Mit rechts trocken ins kurze Eck. HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes konnte dem platzierten Schuss nur noch hinterher schauen. In der 71. Minute des letzten Hamburger Stadtderbys schrieb sich Saad mit seinem Tor zum zwischenzeitlichen 2:3 aus Pauli-Perspektive in die Fußball-Historie der Hansestadt ein. Nur zwölf Minuten nach seiner Einwechslung, in seinem zweiten Profispiel überhaupt.

Von Norderstedt ans Millerntor

Eine Woche zuvor hatte der 23-Jährige aus dem Hamburger Staddteil Wilhelmsburg in der 2. Liga debütiert - beim 1:2 gegen Eintracht Braunschweig war er in der 77. Minute eingewechselt worden. Die beiden Spiele fanden im April statt, gerade einmal vier Monate ist das her. Am vergangenen Freitag ging es wieder gegen die Eintracht, Saad traf und feierte im sechsten Spiel der neuen Saison den sechsten Startelfeinsatz.

... und bis in die Nationalelf Tunesiens?

Saad ist Shootingstar und Stammspieler bei St. Pauli - und bald vielleicht sogar Nationalspieler Tunesiens. Trainer Jalel Kadri nominierte den St.-Pauli-Profi für die bevorstehenden Partien gegen Botswana und Ägypten am Donnerstag und kommenden Dienstag. "Wir stehen in Kontakt, sie gucken sich jedes Spiel an. Ich hoffe, dass es im September dann für mich reicht", hatte Saad vor einigen Wochen gesagt. Jetzt steht er kurz vor seinem ersten Länderspiel. "Ich konnte es selber nicht glauben. Ich realisiere es noch gar nicht so krass. Ich bin so ein bisschen in meinem Traum gefangen."

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Es ist eine rasante Karriere - und eine besondere dazu. Denn dass ein Spieler, der nie in einem Fußball-Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) war und mit Anfang 23 noch nie höher als Regionalliga gespielt hatte, in nur wenigen Monaten Stammspieler bei einem ambitionierten Zweitligisten wird, ist im Profifußball selten.

"Ich dachte, ich bin nicht so gut wie die anderen in meinem Alter." St. Paulis Stürmer Elias Saad

Wilhelmsburg, Buxtehude, Norderstedt und nun St. Pauli mit Spielen (und Treffern) auf dem Betzenberg in Kaiserslautern oder im Stadtderby beim HSV: Saad selbst sagt, er habe diese rasche Entwicklung nicht erwartet. "Am Anfang war ich nicht oft im Spiel. Ich wäre glücklich über jede Minute gewesen. Aber es ging schnell nach oben", sagte er rückblickend über den Start beim FCSP.

Die Karriere von Elias Saad

2017-2019 Buxtehuder SV (20 Spiele/8 Tore)
2019-2021 Barmbek-Uhlenhorst (34/13)
2021-2023 Eintracht Norderstedt (47/24)
2023 FC St. Pauli II (4/3)
seit 2023 FC St. Pauli (13/5)
2019 Nationalspieler Futsal (5/1)

Mit einer Karriere als Fußballprofi hatte Saad eigentlich abgeschlossen: "Als Jugendlicher dachte ich, ich werde kein Profi. Ich dachte, ich bin nicht so gut wie die anderen in meinem Alter. Aber in den letzten Jahren habe ich das ein bisschen aufgeholt." Was eine sympathische Untertreibung ist für jemanden, der aktuell Stammspieler in der Zweiten Liga ist.

Hürzeler lobt Saads Selbstreflexion

Doch es sind genau diese Demut, seine Lernbereitschaft und die von Trainer Fabian Hürzeler nach dem Auftaktsieg gegen den FCK gelobte Fähigkeit zur Selbstreflexion, die den 23-Jährigen auszeichnen - und erfolgreich machen. Nach dem 2:1, zu dem Saad das 1:0 beigesteuert hatte, sagte der Flügelspieler selbstkritisch: "Ich habe zu wenige Bälle festgemacht und vorne zu einfach den Ball verloren - eigentlich das, was der Trainer nicht von uns Offensiv-Spielern sehen möchte."

Und traf damit - in leicht anderen Worten - genau die Analyse seines Coaches, der über seinen Schützling sagt: "Ich finde es gut, dass die Spieler selbstkritisch sind und speziell nach Siegen nicht abheben."

Mit Hürzelers Hilfe im Profifußball angekommen

Hürzeler und Saad, das scheint eine gute Verbindung zu sein - und eine, die von großem Vertrauen geprägt ist. Im Pauli-Podcast "Millernton" sagte Saad, dass Hürzeler ihm, dem ehemaligen Futsal-Spieler, sehr geholfen habe, im Profifußball athletisch und taktisch anzukommen. Und weiterhin hilft: "Fabi holt mich zu sich und zeigt mir, welche Wege die guten sind, was ich lernen muss als Außenspieler." Sein Coach wiederum schätzt, dass Saad jemand ist, "der sich nicht versteckt, wenn er mal einen Fehler macht".

"Es ist etwas Besonderes, für einen Verein in Hamburg zu spielen." St. Paulis Stürmer Elias Saad

Sowohl der Trainer als auch sein Flügelspieler hoffen, dass Saads Beispiel Schule machen könnte. "Ich hoffe, ich kann jungen Leuten, die nicht im NLZ waren, ein wenig Hoffnung mitgeben", sagte der 23-Jährige dem NDR nach der Partie gegen Magdeburg. Und Hürzeler glaubt, dass es künftig wieder mehr Spieler wie Saad brauchen werde, die nicht nur in Systemen denken und spielen können, sondern kreativer und freier agieren. "Das hat er sich selbst durch viel Zocken mit Freunden angeeignet."

Für die Hamburger scheint sich der Glaube an den 23-Jährigen jedenfalls auszuzahlen. Saad gehört in dieser Spielzeit stets zu den besten Akteuren der Braun-Weißen. Die Kontaktaufnahme durch den Verein ist bald ein Jahr her. "Das war im September", erinnert sich Saad: "Ich konnte es nicht so richtig glauben. Dann wurde es immer deutlicher. Mir wurde klar, dass es etwas Besonderes ist, für einen Verein in Hamburg zu spielen." Er unterschrieb für zweieinhalb Jahre - und hat bisher eine steile Lernkurve hingelegt.

Bereits mehr Spielzeit als in der gesamten Rückrunde

414 Minuten hatte Saad in sieben Spielen in der vergangenen Saison für die Braun-Weißen auf dem Platz gestanden. Alle zum Ende der Saison, nachdem er in den ersten zehn Partien der Rückrunde nicht berücksichtig worden war. Diese Minuten-Marke hatte er - den DFB-Pokal mit eingerechnet - in dieser Spielzeit bereits mit der Partie gegen Magdeburg am vierten Spieltag übertrumpft.

"Ich bin selbstbewusster geworden. Das war in den ersten Monaten nicht so, weil ich nicht im Kader stand und nicht gespielt habe. Ich habe hart gearbeitet und dann ging es ganz schnell", erklärte Saad. "Jetzt traue ich mir im Spiel mehr zu."

"Glaube, dass er deutlich besser spielen kann"

St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann hatte zu Beginn des Jahres bei Saads Verpflichtung gesagt, "wir sehen bei ihm noch großes Entwicklungspotenzial". Vier Monate und fünf Treffer später erklärte Coach Hürzeler nach dem Saisonstart: "Ich glaube, dass er deutlich besser spielen kann." Angesichts von Saads Entwicklung der vergangenen Monate muss den Gegnern das wie eine Drohung vorkommen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 01.09.2023 | 23:03 Uhr

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