Datenanalyse: So führt "Mini-Beckham" Holtby Holstein Kiel zum Aufstieg
Holstein Kiel hat noch nie in der Bundesliga gespielt - und sein Anführer Lewis Holtby ist noch nie in seiner Profi-Karriere aufgestiegen. Welchen Anteil hat der 33-Jährige daran, dass es jetzt gleich zwei Premieren geben könnte? Das sagen die Daten.
Es gab Zeiten, da kreisten Holtbys Gedanken in ganz anderen Sphären als in der Zweiten Liga. 2013 wechselte der damals 23-Jährige zu Tottenham Hotspur in die englische Premier League. Ein Sehnsuchtsort für den Sohn einer Deutschen und eines Briten, dem im europäischen Fußball viele Türen offenstanden. Die Datenscouting-Agentur GSN führt den offensiven Mittelfeldspieler damals mit einem Index-Wert von 74,67 und damit in der internationalen Klasse.
Aber: Für das einst so große Talent ging es danach nicht steil bergauf, sondern eher auf Talfahrt. Tiefpunkt war 2018 der Bundesliga-Abstieg mit dem HSV, der seinem Führungsspieler nach dem verpassten Wiederaufstieg den Laufpass gab.
"Ich hoffe, dass wir es vollenden und uns alle belohnen. In meiner Karriere fehlt noch etwas, und das wäre wunderschön jetzt." Lewis Holtby über den möglichen Aufstieg mit Holstein Kiel
Fünf Jahre später könnte sich nun der Kreis schließen. Zwei Spieltage vor Saisonende sieht es ganz danach aus, als würde Holtby mit Holstein Kiel in die Bundesliga zurückkehren. Die KSV führt die Tabelle der Zweiten Liga an. Und es entbehrt nicht einer gewisser Ironie, dass es der gebürtige Rheinländer damit wahrscheinlich schneller zurück in die Erste Liga schafft als der HSV.
Holtby hat sich neu erfunden
Holtby hat sich in den vergangenen Jahren regelrecht neu erfunden. Aus dem offensiven Mittelfelddribbler, der sich nicht so recht in ein Konzept pressen ließ, ist ein Kämpfer mit klarem Fokus auf die Abwehrarbeit geworden. Auf fast zehn Balleroberungen pro 90 Minuten bringt er es in dieser Saison. Dadurch unterbindet er viele gegnerische Angriffe. Die "Heatmap" von GSN zeigt deutlich, dass sich der 1,76-Meter-Mann vor allem auf die eigene Spielhälfte konzentriert.
Aber Holtby wäre nicht Holtby, wenn er nicht doch immer wieder auch Akzente in der Offensive setzen würde. Vier Tore und stolze neun Vorlagen sind bis dato notiert. Damit ist er der zweitbeste Scorer seines Teams (hinter Steven Skrzybski, 10/4) und der beste Vorbereiter. Auch eine andere Zahl verdeutlicht seine Stellung bei den "Störchen": Die 29 Saisoneinsätze des Routiniers werden nur von zwei (deutlich jüngeren) Kollegen getoppt.
Spielmacher aus der Tiefe
Aus Holtby ist kein normaler defensiver Mittelfeldspieler geworden. Er ist vielmehr ein Spielmacher aus der Tiefe. Mit seinen Torvorlagen und im Schnitt mehr als 50 Pässen pro 90 Minuten gehört Holtby zur Top Drei der Liga im zentralen Mittelfeld. In seiner Mannschaft bildet er mit Kapitän Philipp Sander ein kongeniales Duo.
Dabei ist der Routinier immer noch sehr kreativ, beweist viel Übersicht und ist nicht zuletzt durch sein taktisches Verständnis ein wichtiger Ansprechpartner für Trainer Marcel Rapp und seine Mitspieler.
Holtby: "Würde mich für jeden einzelnen unglaublich freuen"
Angesprochen auf den möglichen Aufstieg mit der KSV dachte Holtby zunächst an seine Teamkollegen - ohne dabei zu verhehlen, was ihm dieser Erfolg selbst bedeuten würde: "Es wäre unglaublich schön. Ich würde mich für jeden einzelnen, der dieses Jahr so demütig und fleißig gearbeitet hat, so unglaublich freuen. Ich hoffe, dass wir es vollenden und uns alle belohnen. In meiner Karriere fehlt noch etwas, und das wäre wunderschön jetzt."
Macht Kiel gegen die Fortuna den letzten Schritt?
Am Samstagabend (20.30 Uhr, im NDR Livecenter und im Zweitliga-News-Blog) empfängt Holstein Verfolger Fortuna Düsseldorf - schon ein Remis reicht und der Aufstieg wäre perfekt. "Einen ruhigen Kopf, Kampf und Leidenschaft" hat Holtby zuletzt als ausschlaggebende Faktoren ausgemacht.
Der 33-Jährige kann mit seinen Fähigkeiten sowohl die Angriffe der "Störche" lenken als auch in der Defensive die wichtigen Duelle gewinnen - und so Tempo und den Rhythmus des Spiels bestimmen. Beeindruckend: Seine Quote bei den erfolgreichen Umschaltmomenten beträgt 100 Prozent. Damit ist er die Nummer eins der Liga.
Sein aktueller GSN-Index liegt nur noch bei 62,47 - was einem unterdurchschnittlichen Bundesligaspieler entspricht. In diesem engen Aufstiegsrennen ist er jedoch ein Unterschiedsspieler.
Als kleiner Beckham zur Kieler Ikone?
Das zeigte sich nicht zuletzt bereits im Hinspiel in Düsseldorf, das die "Störche" mit 1:0 gewannen. Mann des Tages war - Holtby. Ausgerechnet per Kopf, den er normalerweise nur in Ausnahmefällen zum Köpfen benutzt. Und nur dank eines ungeheuren Spins, den sonst nur die Kieler Handballer zeigen, fand der Ball den Weg ins Tor. Wie er das gemacht hat? "Ich weiß es nicht, das können nur David Beckham und ich", sagte der anglophile Holtby lachend.
Seine Karriere nimmt sich im Vergleich zu der des englischen Fußball-Idols eher bescheiden aus. Aber der erstmalige Bundesliga-Aufstieg mit Holstein Kiel und überhaupt eines Clubs aus Schleswig-Holstein wäre dennoch historisch und würde Holtby zumindest dort zum Helden machen.