DFB-Reform macht Talenten der SpVg Aurich das Fußball-Leben schwer
Nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Bundesliga der U17-Juniorinnen abgeschafft hat, müssen die Spielerinnen der SpVg Aurich gegen Jungs-Mannschaften aus der Region antreten. Fußballerisch bringt sie das eher nicht weiter. Der Club hofft, dass der Verband die Reform rückabwickelt.
Ein Donnerstagabend in Ostfriesland, Spitzenspiel in der Bezirksliga der U15. Die JSG Esens/Dornum trifft als Tabellenführer auf den Dritten, die SpVg Aurich. Das Besondere dabei: Aurich spielt nicht mit der U15, sondern mit der weiblichen U17 in dieser Liga.
Seit Beginn dieser Saison müssen die Auricherinnen gegen Jungs antreten. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Noch in der vergangenen Saison spielten sie in der Bundesliga der U17-Juniorinnen gegen den VfL Wolfsburg, den Hamburger SV oder Hertha BSC und setzten sich als Staffelsiegerinnen durch. Im Kampf um die Deutsche Meisterschaft war erst im Halbfinale gegen Borussia Mönchengladbach Schluss (0:1, 1:1).
Nun tritt die Mannschaft gegen die Dorfclubs aus der Region an, denn der DFB hat die U17-Bundesliga im Sommer abgeschafft. "Viele Spielerinnen haben weite Anfahrten zu Spielen, in denen sie nur bedingt gefördert und gefordert werden", begründete der Verband diesen Schritt.
U17 spielt nun parallel in zwei Ligen
In Aurich haben sie dies von Anfang an mit Skepsis beäugt. Die U17 spielt nun parallel in zwei Ligen. Zum einen in der U15-Bezirksliga gegen Jungs, zum anderen in der U17-Niedersachsenliga gegen Mädchen. "Ich habe mich ein bisschen verarscht gefühlt", sagt Stürmerin Lucy Minne. Schließlich betreibt ihre Mannschaft, die fünfmal pro Woche trainiert, erheblich mehr Aufwand als die männlichen Gegner.
"Das ist eher Rumgebolze"
Fußballerisch sind die Jungs deutlich unterlegen, körperlich aber eben klar überlegen. Auch Teresa Frizberg, Minnes Sturmpartnerin, kann den Spielen gegen die Jungs wenig abgewinnen. "Die hauen halt einfach meistens den Ball hinten raus. Das ist nicht Fußball, was die spielen. Eher Rumgebolze."
Trainer Stefan Wilts beschreibt die bis dato gemachten Erfahrungen so: "Wenn wir gegen Jungs spielen, können zwei, drei athletisch starke Spieler das Spiel entscheiden." Insgesamt sei das Niveau in den Duellen mit den Jungs-Mannschaften aber "überraschend ausgeglichen".
So läuft es auch im Spiel gegen die JSG Esens/Dornum, dem Tabellenführer, das die Auricherinnen mit 3:5 verlieren. Die erste Halbzeit geht an die Jungs, die in gewissen Situationen einfach robuster sind, schneller sprinten und härter schießen. Im zweiten Durchgang zeigt sich wiederum, dass die Mädchen am Ball versierter sind und über die bessere Spielanlage verfügen.
Regelmäßig klare Siege auch gegen Jungs
Auch in der Jungs-Liga gelingen den Auricherinnen regelmäßig klare Siege. Den JFV Krummhörn haben sie mit 7:0 geschlagen, die JSG Großefehn mit 8:0 und die JSG Nordenham/Abbehausen mit 7:1.
Vor allem in der Niedersachsenliga ist die Mannschaft gegen gleichaltrige Mädchen haushoch überlegen. Die Bilanz: elf Spiele, elf Siege, 98:4 Tore. Den MF Göttingen haben sie mit 14:0 vom Platz gefegt, den TSV Bemerode sogar mit 22:0. Die Mannschaft dominiert die Liga nach Belieben. Auf dem Staffeltag hat der Club sich sogar dafür entschuldigt, dass er in dieser Liga mitmischt. Aber dies ist laut den Regularien des DFB eben nötig, weil sich der Meister der Niedersachenliga für den lukrativen DFB-Pokal qualifiziert.
"Da ist weder technisch noch athletisch etwas dabei, von dem man lernen kann." Frizbergs Fazit zu den Partien in der Niedersachsenliga fällt ernüchternd aus. Sie und Minne, beide 16 Jahre alt, wohnen jeweils in einer der Wohngemeinschaften, die der Club für die Spielerinnen von außerhalb eingerichtet hat. Frizberg ist im Sommer aus der Nähe von München nach Ostfriesland gezogen, um sich fußballerisch weiterzuentwickeln. Die SpVg Aurich hat sich in der Förderung des Mädchen- und Frauenfußballs bundesweit einen ausgezeichneten Ruf erworben.
Kulisse bei den Spielen ist geschrumpft
Große Highlights im Kalender gibt es ohne die Bundesliga aber kaum noch. Zum Heimspiel im Halbfinale gegen Mönchengladbach kamen im Mai mehr als 3.400 Zuschauende ins Stadion am Ellernfeld. Jetzt ist die Kulisse bei den Spielen erheblich kleiner. Immerhin: Am kommenden Sonnabend steht im Achtelfinale des DFB-Pokals mit Bayer 04 Leverkusen mal wieder ein Duell gegen einen klangvollen Gegner an.
"Die Vorfreude auf das Spiel ist sehr groß", sagt Fitzberg. Endlich dürfen die Auricherinnen wieder gegen eine Mädchen-Mannschaft spielen, die sich auf einem ähnlichen Leistungslevel bewegt. Ihre Sturmpartnerin Minne wird von Trainer Wilts nicht einmal mehr in der U17-Niedersachsenliga eingesetzt, weil das für ihre Entwicklung keinen Sinn ergibt. Stattdessen kommt sie in der Frauen-Mannschaft in der Oberliga zum Einsatz. Dort hat sie in zwölf Spielen neun Tore erzielt.
"Klar für eine Wiedereinführung der Bundesliga"
Minne gehört dem Perspektiv-Kader der U17-Nationalmannschaft an. Sie hofft darauf, schon bald mit dem Adler auf der Brust auflaufen zu dürfen. "Das ist ein großes Ziel von mir. Ich arbeite jeden Tag dafür, dass ich das schaffen werde." Keinen Hehl macht sie daraus, dass es ihr deutlich lieber gewesen wäre, wenn sie in dieser Saison einfach weiterhin in der U17-Bundesliga hätte spielen dürfen. Ohne das mache es schlichtweg weniger Spaß. Und auch die Vorfreude auf die Spiele sei deutlich kleiner als noch in der vergangenen Saison.
Trainer Wilts hätte die U17-Bundesliga ebenso gerne zurück: "Ich kenne keinen Trainerkollegen, der befürwortet, dass es die Abschaffung gab", betont er. "Die meisten, mit denen ich mich austausche, sehen das ähnlich wie wir. Die sind klar für eine Wiedereinführung der Bundesliga, weil sie auch den regelmäßigen und ausgeglichenen Vergleich vermissen und im Sinne der Ausbildung als fehlend ansehen."
Das letzte Wort noch nicht gesprochen?
Anders sieht es der DFB. Zumindest noch. Ulrike Ballweg, die Sportliche Leiterin für die Talentförderung der Frauen und Mädchen beim Verband, verweist erneut auf den deutlich geringeren Aufwand für die Spielerinnen, weil die weiten Auswärtsfahrten weggefallen sind. Darüber hinaus ist der DFB davon überzeugt, dass die Spiele gegen Jungs-Mannschaften für die Entwicklung der Spielerinnen ein "riesiges Potenzial" haben. Deshalb sei die Abschaffung der U17-Bundesliga der richtige Schritt gewesen. Allerdings: Die Entwicklungen sollen laufend evaluiert werden. Das letzte Wort ist also womöglich noch nicht gesprochen.