Holstein Kiels Rafael Kazior bejubelt ein Tor im April 2013. © IMAGO / Philipp Szyza

Kazior vor BVB-Pokalhit: "Für Kiel ist das Finale drin"

Stand: 29.04.2021 13:45 Uhr

Holstein Kiel spielt am Sonnabend (20.30 Uhr, live im Ersten und bei NDR.de) bei Borussia Dortmund um den Einzug ins DFB-Pokalfinale. Das Duell hat Geschichte: 2012 empfing die KSV als Regionalligist in der Runde der letzten Acht den damaligen deutschen Meister.

Mit dabei als Spieler der "Störche": Rafael Kazior. Im Interview spricht der heutige Spielerberater über die sensationelle Kieler Pokalsaison 2011/2012, die Irrungen und Wirrungen vor dem damaligen Duell mit dem BVB und die Chancen seines Ex-Clubs, jetzt ins Finale einzuziehen.

Herr Kazior, was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an das Spiel zurückdenken?

Rafael Kazior: Mein Geburtstag, ich bin an dem Tag 29 Jahre alt geworden! (lacht) Normalerweise zieht sich die Zeit im Tageshotel immer lange hin, bis ein Abendspiel endlich losgeht. Aber die Zeit ist verflogen - mit totaler Vorfreude. Es waren viele Leute von mir im Stadion. Es war bitter kalt und der Platz war halb gefroren. Aber das Spiel war ein Highlight.

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Holstein Kiel: Mit mentaler Lockerheit ins Pokalfinale?

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Holstein Kiel war damals ein richtiger Favoritenschreck: Mit Cottbus und Duisburg hatten Sie schon zwei Zweitligisten und dann auch noch Bundesligist Mainz rausgeworfen. Als erst zweiter Viertligist seit der Bundesliga-Gründung erreichten die "Störche" das Pokal-Viertelfinale.

Kazior: Wir hatten in der Saison angefangen, mit einer Mentaltrainerin zu arbeiten. Das hat uns zusammengeschweißt. Wir hatten einen unfassbaren Spirit im Team. In den Spielen waren wir immer der Underdog. Trotzdem haben wir gegen Cottbus und Duisburg verdient gewonnen - gegen Mainz lässt sich sicher drüber streiten. Aber dass wir mit unserer Regionalliga-Mannschaft so weit gekommen sind, war einfach sensationell.

Und dann kam das größte Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte gegen den deutschen Meister Borussia Dortmund. Oft werden solche Spiele als Bonusspiel bezeichnet, wie war es für Sie?

Kazior: Wir hatten in den ersten beiden Runden gezeigt, dass wir mit Zweitligisten mithalten können. Unser aller Anspruch war es, zumindest in der Dritten Liga zu spielen. Von Runde zu Runde sind wir immer selbstsicherer geworden. Und, ehrlich gesagt, haben wir uns auch gegen Dortmund etwas ausgerechnet - gerade bei den Platzverhältnissen. Deshalb war ich nach dem 0:4 schon sehr enttäuscht.

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Vor dem Spiel hatte sich der Club erst einmal beim BVB entschuldigen müssen. Nach dem Sieg gegen Mainz war die Mannschaft live im Fernsehen mit Schmähgesängen Richtung Dortmund zu hören gewesen ...

Kazior: Nicht nur der Club hat sich entschuldigt! Wir haben damals als Team extra ein Video aufgenommen, das in Dortmund im Stadion gezeigt wurde. Ich weiß bis heute nicht genau, wie es dazu kommen konnte. Fiete Sykora und ich waren gerade mit unserem Interview fertig und unser Trainer Thorsten Gutzeit war dann dran. Ich glaube, dass die Jungs mitgesungen haben, als das im Stadion losging. Das war natürlich sehr naiv. Die Tragweite ist uns auch erst später klargeworden, dass wir auf einmal so im Fokus standen. Rückblickend ist das schon eine lustige Geschichte. Damals war das aber überhaupt nicht lustig.

Mit den Erfolgen in der Liga und besonders im Pokal hat die KSV die Fußball-Begeisterung in Kiel neu entfacht. Was haben Sie als Spieler davon mitbekommen?

Kazior: Wir wurden immer mehr zum Thema in der Stadt. Das habe ich bei meinem Stammbäcker oder im Restaurant gemerkt. Wir mussten auf einmal zu Pressekonferenzen gehen - das gab es sonst in der Regionalliga nicht. Vor dem Spiel gegen Dortmund haben dann sehr viele Leute nach Tickets gefragt, auch die, die sich sonst nicht für uns interessiert haben. Wir wurden damals im Verein gewarnt, dass die Tickets auf dem Schwarzmarkt schon für mehrere Hundert Euro gehandelt werden.

Das Spiel wird wohl immer seinen Platz ist der KSV-Geschichte haben. Die Fans haben vor dem Fanshop gezeltet, um an Eintrittskarten zu kommen. Das Stadion war zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder ausverkauft. Extra für das Spiel wurde neuer Rollrasen verlegt und unter einem riesigen Zelt beheizt, weil es keine Rasenheizung gab. Trotzdem war der Platz am Spieltag gefroren. Wegen der Kälte gefror sogar das Wasser in einigen Toiletten.

Kazior: Vor dem Mainz-Spiel hatten wir in der Liga gegen Halle gespielt und den Platz richtig zerlegt. (lacht) Ich weiß noch, dass diese Heizung dann extra aus England nach Kiel geholt worden ist. Aber ich musste wegen der Platzverhältnisse vor dem Spiel trotzdem dreimal meine Schuhe wechseln. In der Mitte brauchte man Stollen, auf der Außenbahn Tausendfüßler. Für Holstein Kiel war das insgesamt wirklich eine tolle Zeit und dieses Spiel echt kurios.

Und wer weiß, was passiert wäre, wenn Marc Heider in der achten Spielminute seine große Chance zum 1:0 genutzt hätte ...

Kazior: In den Runden zuvor war genau das unsere Stärke: Wir haben aus wenigen Chancen unsere Tore gemacht. Und das waren besondere Momente. "Sido" (Anm.d.Red.: Tim Siedschlag) lässt sich noch heute für "sein" Tor gegen Mainz feiern, dabei war das ein klares Eigentor. Gegen Dortmund haben wir unsere Chance nicht genutzt und lagen dann schnell 0:2 hinten. Natürlich haben wir gehofft, dass nach einem Anschlusstor noch mal was geht. Irgendwann habe ich versucht, das Spiel zumindest zu genießen. Aber damit war es spätestens nach dem 0:3 auch vorbei.

Ihr Kapitän Christian Jürgensen hat sich nach Spiel noch das Trikot von Nationalspieler Mats Hummels gesichert. Haben Sie auch ein besonderes Erinnerungsstück?

Kazior: Nein, so etwas ist mir nie wichtig gewesen. Ich habe auch keine Trikots von mir. Wenn ich mal Trikots getauscht habe, dann immer mit Freunden in den anderen Teams. Nur mein Opa hat von jeder meiner Stationen ein Trikot von mir bekommen. Christian ist ein extremer Dortmund-Fan gewesen (lacht) - und Hummels war, glaube ich, auch so etwas wie ein Vorbild für ihn.

Was ist diesmal für Holstein gegen Dortmund drin?

Kazior: Kiel wird mittlerweile ganz anders wahrgenommen als 2012. Wenn Holstein einen guten Tag erwischt und die Dortmunder ein bisschen schwächeln, ist der Finaleinzug drin. Neun von zehn Spielen würde Kiel sicher verlieren, aber vielleicht ist genau dieses eine am Samstagabend. So war es ja auch gegen die Bayern.

Welche Rolle spielt Corona? Einerseits ist Holstein gerade erst aus der Quarantäne zurückgekehrt, andererseits muss Dortmund auf die Unterstützung seiner Fans verzichten.

Kazior: Schon eine große Rolle. Ich habe in meiner Arbeit als Spielanalyst bei Werder Bremen festgestellt, dass die Fans bei einigen Clubs besonders wichtig sind: auf Schalke, in Frankfurt und auch in Dortmund. Diese Wucht kann die Auswärtsmannschaft schon erdrücken. Das Kiel jetzt noch so viele Spiele in kurzer Zeit hat, ist Fluch und Segen zugleich.

Damals wie heute ist der Aufstieg das große Ziel. Welche Rolle spielt da der Pokal?

Kazior: Klar, das Hauptaugenmerk liegt auf der Liga. Aber ich bin mir sicher, dass Kiel 100 Prozent dafür geben wird, das Pokalfinale zu erreichen. Holstein ist in einer Top-Situation, sogar der direkte Aufstieg ist noch drin. Aber klar ist auch, dass jetzt was dabei rumkommen muss - im Pokal oder der Liga.

Das Interview führte Florian Neuhauss

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Sportclub | 02.05.2021 | 22:30 Uhr

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