Werder Bremens Kapitän Friedl: Es könnte sein Fußball-Jahr werden
Fußball-Bundesligist Werder Bremen ist im Aufwind und der gereifte Abwehrchef Marco Friedl gilt als einer der Garanten dafür. Der Kapitän will dieses Jahr zu seinem Jahr machen: mit den Grün-Weißen reüssieren, mit Österreich zur Fußball-EM fahren - und Vater wird er auch zum ersten Mal.
Drei Siege nacheinander, Auswärtsfluch besiegt und überdies gleich zweimal ohne Gegentor geblieben: Besser hätte es zu Beginn des Jahres kaum laufen können für Werder Bremen - und für seinen Kapitän Marco Friedl, der als Chef einer desolaten Defensive über Wochen und Monate mehr als genug Kritik und Spott hatte einstecken müssen. Seine trotz später Stunde gute Stimmung hatte der Österreicher am Sonntag mit ins Studio des NDR Sportclubs nach Hamburg gebracht. Feierlaune inklusive, denn der hanseatische Traditionsclub von der Weser hatte am Tag nach dem 1:0-Arbeitssieg bei Mainz 05 zum 125. Geburtstag geladen.
Werder Bremen will im Flow bleiben
Grund genug, die Sektkorken knallen zu lassen. Doch nicht für die Werder-Profis nach dem siebten ungeschlagenen Bundesligaspiel in Serie, was zuletzt vor knapp fünf Jahren gelungen war. "Sonst erleben wir unser blaues Wunder", hatte Friedl schon vor Wochen nach dem Coup bei den Bayern (1:0) gewarnt. Der erste Sieg der Grün-Weißen gegen den Rekordmeister seit 15 Jahren war ein bemerkenswertes Erfolgserlebnis, auf das die Mannschaft lange gewartet hat.
"Und das brauchen wir, um den Flow aufrechtzuerhalten", so Friedl, für den der Erfolg an der einstigen Wirkungsstätte auch der Beweis war, dass er und seine Bremer erstligatauglich sind. Im selben Atemzug fügt er hinzu: "Wir wissen aber auch genau, dass wir dafür Woche für Woche im Training Gas geben müssen." Sonst könnte der Abstiegskampf womöglich schneller wieder real werden, als mancher im sportlichen Hoch denken mag.
Als Zehnjähriger zu den Bayern
"Es ist im Moment zum Glück schwierig, Tore gegen uns zu schießen", so Friedl nach der neuerlich erfolgreichen Abwehrschlacht in Mainz, die bei 6:23 Torschüssen aus Werder-Sicht bisweilen einer Zitterpartie glich. "Ein unfassbar körperbetontes und ekelhaftes Spiel", so der 25-jährige, der als gerade einmal Zehnjähriger seine österreichische Heimat Kirchbichl verließ, um bei Bayern München sein fußballerisches Glück zu finden. Auf den Tiroler Fußballplätzen hatte der junge Kicker einigermaßen für Furore gesorgt. Damals noch als Stürmer, der durchweg in höheren Altersklassen spielte und "alle ausgetrickst hat und blöd dastehen ließ", wie der "Münchner Merkur" in jenen Jahren zu berichten wusste. Zeitweise habe er sogar mit den Alten Herren des SV Kirchbichl gekickt, um jede Chance zu nutzen, am Ball zu sein.
David Alaba: "Mein kleiner Bruder"
Doch der hochtalentierte Steppke, den sein Landsmann und ehemaliger Bayern-Kollege David Alaba noch heute "meinen kleinen Bruder" nennt, war zunächst beinahe öfter zwischen München und der rund 100 Kilometer entfernten Tiroler Heimat unterwegs als auf dem Rasen. Zumindest so lange, bis er als 17-Jähriger den Abschluss auf der Handelsschule in Wörgl geschafft hatte. "Mir war es sehr wichtig, ihn unter meine Fittiche zu nehmen; ihn auf seinem Weg zu unterstützen", sagt im NDR Sportclub der sechs Jahre ältere Alaba, der in München zum Weltstar reifte und nun bei Real Madrid an der Seite von Toni Kroos spielt. "David hat mir die Integration ins Team sehr viel einfacher gemacht", erzählt Friedl. "Er wird auch in 20 Jahren noch mein guter Freund sein."
Vom Leihspieler zum Werder-Kapitän
Der sich abzeichnende Aufstieg kam trotzdem nicht recht voran im hochkarätig besetzten Team der Bayern, für die er am 28. Januar 2017 erstmals im Bundesliga-Kader stand - im Weserstadion beim 2:1-Erfolg gegen Werder aber nicht eingewechselt wurde. Wenig später folgte sein Debüt in der Gruppenphase der Champions League beim RSC Anderlecht (2:1), bevor er im Januar 2018 nach Bremen wechselte - zunächst für eineinhalb Jahre auf Leihbasis. "Irgendwann kommt man an einen Punkt, da bist du für dich selber verantwortlich", so der Österreicher. "Das habe ich versucht und hatte in David einen Profi, der es in Perfektion vorgelebt hat."
Friedls Wechseltheater: "War nicht korrekt von mir"
Allein - es war kein leichter Schritt, wie sich zeigen sollte. Der gleichermaßen vertrauensvolle und freundschaftliche Austausch mit seinem Landsmann Alaba ("Wir sind füreinander da") war plötzlich nur noch auf Distanz möglich - und die Tiroler Berge ebenso weit weg wie die Souveränität, Zuverlässigkeit und Konstanz eines erstklassigen Abwehrchefs.
Friedls Qualitäten wurden an der Weser vielfach in Frage gestellt - insbesondere als er mit allerlei Sperenzchen garniert kundtat, den Verein verlassen zu wollen: "Es war nicht korrekt von mir - vor allem die Art und Weise", sagt er heute. Dass ihm Formtiefs und bisweilen haarsträubende Fehler besonders heftig angekreidet wurden, kam zwangsläufig. Obwohl zur ganzen Wahrheit gehört, dass manche Kollegen Friedl & Co. mitunter im Regen stehen ließen.
Trainer Werner: "Marco hat sich weiterentwickelt"
Das alles scheint sich zu wandeln, die neu zusammengestellte Mannschaft ist offenbar auf dem Weg, sich zu finden und insbesondere in der Defensive zu stabilisieren. Friedl gilt als ein Garant dafür. Wo es früher mehrheitlich kritische Töne hagelte, ist inzwischen meist von seiner guten Zweikampfführung und seinem selbstbewussten Auftreten die Rede. "Er hat sich weiterentwickelt und spielt aktuell sehr stabil", so Werder-Trainer Ole Werner. "Wir haben in den letzten Spielen gesehen, welche Qualität er hat. Die ruft er momentan konstant ab. Er zeigt sich in allen Spielphasen."
Kapitän: Am Anfang eine Bürde
Die aufbauenden Worte gibt Friedl gerne weiter: "In Mainz war es sicher nicht unsere beste Leistung, aber es zeichnet uns immer mal wieder aus, dass wir defensiv gut arbeiten und wenig zulassen. Ein Kompliment an die ganze Mannschaft, dass wir das über die gesamte Spielzeit gut durchgezogen haben." Das Werner-Team ("Wir haben sicherlich auch ein Quäntchen Glück gehabt") hat augenscheinlich an den richtigen Stellschrauben gedreht und erkannt, dass für eine stabile Abwehr alle arbeiten müssen. "Wir haben alles wegverteidigt, ich glaube das war der Schlüssel zum Erfolg", so Stürmer Marvin Ducksch, der in Mainz das Tor des Tages erzielte.
Dass er seit der vorigen Saison Kapitän der Werderaner ist, mag ein Mosaiksteinchen für Friedls stetigen Aufschwung sein. "Ich freue mich, dass er gerade in einer sehr guten Verfassung ist", sagt Fußball-Chef Clemens Fritz und lobt mit einem Lächeln sogleich die Qualitäten des grün-weißen Spielführers: "Das Wichtigste ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das Wesentliche ist, was auf dem Platz passiert." Damit hatte Friedl seine Probleme, musste seine Rolle erst finden. Die Suche danach habe ihm anfangs Druck bereitet und für einige Achterbahnfahrten der Leistung gesorgt. "Jetzt im zweiten Jahr läuft es sehr gut."
Vater Friedl - Eine neue Herausforderung
Wie es scheint, könnte es ein gelungenes, wenn nicht sogar herausragendes Jahr 2024 für Friedl werden. Sportlich gesehen, wenn er mit Werder abseits des Abstiegskampfes reüssiert und ihn Trainer Ralf Rangnick in den österreichischen Kader für die Europameisterschaft in Deutschland beruft. Aber auch persönlich, denn er und seine Freundin Ana erwarten in ein paar Wochen ihr erstes Kind. Friedl: "Eine neue Erfahrung, eine neue Herausforderung, eine coole Zeit."