Trainer Andre Breitenreiter © picture alliance / NurPhoto | MI News
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AUDIO: Hannover 96: Warum der Trainer-Wechsel von Leitl zu Breitenreiter? (2 Min)

Breitenreiter-Comeback bei Hannover 96: Mehr Risiko als Chance

Stand: 30.12.2024 13:45 Uhr

Hannover 96 hat mit dem Trainerwechsel von Stefan Leitl zu André Breitenreiter kurz vor dem Jahreswechsel für einen Paukenschlag gesorgt. Mit der für Außenstehende schwer nachvollziehbaren Entscheidung, die intern schon länger diskutiert wurde, setzen sich die Verantwortlichen des Fußball-Zweitligisten unter Druck. Und auch der neue Coach muss sofort liefern.

von Hanno Bode

Das Comeback als Coach bei 96 war so von Breitenreiter eigentlich nicht vorgesehen. Wäre alles nach seinen Vorstellungen verlaufen, würde der Fußballlehrer nun noch bei Huddersfield Town unter Vertrag stehen. Den englischen Traditionsclub hatte der 51-Jährige im vergangenen Februar übernommen und wollte in der Grafschaft Yorkshire den "Verein stabilisieren und weiterentwickeln", wie er seinerzeit sagte. Der gebürtige Langenhagener unterzeichnete einen Zweieinhalbjahresvertrag bei den "Terriers", die damals um den Klassenerhalt in der Championship kämpften.

Für Breitenreiter war es das erste Trainer-Engagement als "Feuerwehrmann". Und es misslang. Nach nur zwei Erfolgen in 13 Partien stieg Huddersfield in die drittklassige League One ab. Der Kontrakt des Coaches wurde anschließend aufgelöst. "Einvernehmlich", wie es im Profifußball stets so schön heißt. Englischen Medien zufolge soll diese Phrase im Fall von Huddersfield und Breitenreiter aber tatsächlich der Wahrheit entsprochen haben. Demnach soll der Club den Neuanfang mit einem anderen Trainer gewollt und der deutsche Coach keine Lust gehabt haben, in der Dritten Liga zu arbeiten.

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Gesellschafter Kind: "Er war frei und wohnt in Hannover"

Breitenreiters zweites Auslands-Engagement nach seiner erfolgreichen Zeit beim FC Zürich, den er 2020 sensationell zur Schweizer Meisterschaft führte, war ebenso nicht von Erfolg gekrönt wie seine vorige Tätigkeit bei der TSG 1899 Hoffenheim. Bei den Kraichgauern wurde er Anfang 2023 nach nur 22 Partien von seinen Aufgaben entbunden. Nüchtern betrachtet ist der 51-Jährige also zweimal in Folge krachend gescheitert. Sein Renommee hat darunter dennoch nicht gelitten. Zumindest nicht in Hannover. Nicht bei 96.

"Er ist ein ausgewiesener Fußball-Fachmann, hat das oft nachgewiesen, er war frei und wohnt in Hannover. Da passte einfach alles jetzt", erklärte Mehrheitsgesellschafter und Aufsichtsratsmitglied Martin Kind bei "Sport 1". Der langjährige Vereinspatron und Geldgeber ergänzte mit Blick auf Breitenreiters Vita noch, dass der Leitl-Nachfolger ein "96er" sei.

Breitenreiter führte 96 schon einmal zum Aufstieg

Besagter "Stallgeruch" könnte für Breitenreiter tatsächlich von Vorteil sein. Er trug zu seinen Profizeiten selbst das Trikot der "Roten" und führte den Club als Trainer 2017 zum Bundesliga-Aufstieg. Er kennt also die Strömungen im Verein und weiß mit dem schwierigen 96-Umfeld umzugehen.

Darauf setzt auch Sportdirektor Marcus Mann, der nach der Bekanntgabe der Breitenreiter-Verpflichtung erklärte: "André kennt den Club und das Umfeld sehr gut. Er hat alle Spiele von 96 in dieser Saison gesehen und wird keine lange Eingewöhnungszeit benötigen. Wir können und wollen vom ersten Tag an anpacken. Diesen Eindruck und die Lust auf 96 hat er von der ersten Kontaktaufnahme an deutlich vermittelt."

Und dann sagte Mann noch einen Satz, der den Trainerwechsel merkwürdig erscheinen lässt: "Wir wollen die große Chance, die sich Hannover 96 in der Rückrunde bietet, gemeinsam mit André angehen." Merkwürdig deshalb, weil besagte "große Chance" nur besteht, weil Breitenreiter-Vorgänger Leitl ausgezeichnete Arbeit geleistet hat. Denn der Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz beträgt lediglich zwei Zähler.

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Mann offenbar treibende Kraft bei Leitl-Entlassung

Und trotzdem hatte Leitl, dessen Vertrag bis zum Saisonende datiert ist, offenbar keine Chance mehr, seine Tätigkeit am Maschsee fortzusetzen. "Er hat die zweieinhalb Jahre sehr engagiert, verantwortungsbewusst und ergebnisorientiert gearbeitet und auch eine gewisse Stabilität erreicht. Insbesondere die sportlich Verantwortlichen waren aber der Auffassung, dass eine Entscheidung sinnvoll und notwendig ist. Diese haben wir jetzt getroffen", erklärte Kind. Er reichte den "schwarzen Peter" damit an Sportdirektor Mann weiter, der offenbar treibende Kraft bei der Entlassung von Leitl war.

Und der 40-Jährige machte denn auch gar kein Geheimnis daraus, den Trainerwechsel als absolut notwendig angesehen zu haben: "Um die größtmögliche Wahrscheinlichkeit auf Erfolg zu haben, sind die absolute Überzeugung und der volle Rückhalt im ganzen Club und Umfeld notwendig. Der Glaube daran, in dieser Konstellation bis zum Schluss um den Aufstieg spielen zu können, ist allerdings nicht mehr vorbehaltlos vorhanden gewesen, und dann ist es aus meiner Sicht der beste und ehrlichste Weg, eine klare und konsequente Entscheidung zu treffen."

Sportdirektor beklagt "extreme Ausreißer nach unten"

Manns Zweifel an Leitls Arbeit sind zum Teil nachzuvollziehen. Denn trotz des minmalen Rückstandes auf einen Aufstiegsplatz hat Hannover in der Hinrunde nicht überragend performt. In den vergangenen sechs Partien gelang nur ein Erfolg. Und auswärts konnten die Niedersachsen nur ein Spiel gewinnen. Selbst beim Erzrivalen Eintracht Braunschweig gab es eine schmerzhafte 0:2-Pleite. "Eine echte Konstanz haben wir ehrlicherweise nicht hinbekommen und wir hatten extreme Ausreißer nach unten", beklagte Mann nach der Leitl-Entlassung.

Eine Einschätzung, die man teilen kann. Aber fair ist sie nur bedingt. Denn in der sehr ausgeglichenen Zweiten Liga patzen seit dem Saisonbeginn alle Spitzenteams fröhlich um die Wette. So beträgt der Vorsprung von Spitzenreiter 1. FC Köln, der zwischendurch auch durch ein tiefes Tal ging, auf den Tabellenneunten 1. FC Kaiserslautern nach 17 Begegnungen gerade einmal fünf Zähler!

Leitl war im Dreijahres-Plan im Soll

Die Punkteausbeute war dann auch nicht der einizige Punkt, der Leitl zum Verhängnis wurde. Immer wieder in den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde ihm insbesondere von Kind via Hannovers Medien die fehlende Entwicklung des Teams vorgeworfen. Dabei übersah der langjährige Profiboss von 96, dass Leistungsschwankungen bei jungen Mannschaften ganz normal sind. Und Leitl verjüngte das Team in seiner Amtszeit deutlich. So standen in seiner letzten Partie für die "Roten" gegen Hertha BSC (0:0) beispielsweise der 20-jährige Nicolò Tresoldi und der ein Jahr ältere Hyun-ju Lee in der Anfangsformation.

Zudem gab der Coach immer wieder Spielern aus der eigenen Akademie wie Monju Momuluh Bewährungschancen in der Zweitliga-Equipe. Er schaffte eine Durchlässigkeit vom Nachwuchs zu den Profis und damit eine Nachhaltigkeit, die es so seit vielen Jahren nicht gab. Und weil Leitl rein punktetechnisch voll im Soll des Dreijahres-Plans war, der 96 in die Bundesliga führen soll, verlässt der gebürtige Münchner Hannover trotz seiner Entlassung keinesfalls als Verlierer.

Mann bei Nichtaufstieg kaum noch zu halten

Der 47-Jährige hat sich viel länger als die meisten seiner Vorgänger bei den "Roten" im Amt halten können. Länger war vor ihm nur Mirko Slomka in seiner ersten Amtszeit von 2010 bis 2013 96-Coach. Der Versuch des Clubs, die damalige Erfolgsgeschichte wiederzubeleben, scheiterte 2019 dann krachend: Nur 13 Partien nach seinem Comeback als Hannover-Trainer wurde Slomka wieder gefeuert.

Dennoch setzt der Club nun in Breitenreiter erneut auf einen Coach, der schon einmal für die Niedersachsen verantwortlich zeichnete. Mit dem 51-Jährigen soll es gewissermaßen zurück in die Zukunft gehen. Wie 2017 soll Breitenreiter 96 zum Bundesliga-Aufstieg führen. Gelingt es ihm, würde Manns riskanter Plan, ein erfolgreiches Konstrukt auseinanderzureißen, aufgehen. Verfehlt Hannover den Sprung in die Beletage, dürfte an der Leine erneut über personelle Komsequenzen gesprochen werden. Und dann wohl auch über die Zukunft von Marcus Mann.

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Dieses Thema im Programm:

Sport aktuell | 30.12.2024 | 09:17 Uhr

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