96-Boss Kind: Aufbruchstimmung und Fernziel Bundesliga
Nach einer Saison zum Vergessen plant Fußball-Zweitligist Hannover 96 den Neu-Anfang. In spätestens drei Jahren will Clubchef Martin Kind zurück in der Bundesliga sein. Aber ist das realistisch?
"Wenn ich träumen dürfte, würde ich schon in der kommenden Saison wieder aufsteigen wollen. Aber als Ziel ist der Aufstieg nicht formuliert, wir planen das über eine Zeitachse von drei Jahren", sagte der 77-Jährige im NDR Interview. In der Tat ist die zeitnahe Rückkehr ins Oberhaus wohl schon allein wegen der namhaften Konkurrenz utopisch: "HSV, Werder Bremen, Schalke 04, Nürnberg, Düsseldorf und, und, und - sie alle werden das Ziel haben, wieder aufzusteigen." Dennoch habe er keine Angst vor der Liga: "Angst ist immer ein schlechter Ratgeber."
Aufbruchstimmung erzeugen
Mit Trainer Jan Zimmermann und Sportdirektor Marcus Mann, die beide über keinerlei Bundesliga-Erfahrung verfügen, hat sich Hannover 96 an den entscheidenden Stellen in der sportlichen Verantwortung neu aufgestellt. Nach dem enttäuschenden 13. Platz in der vergangenen Saison will Kind damit das klare Signal einer Aufbruchstimmung vermitteln: "Es sind mutige Entscheidungen. Aber bewusst. Und Entscheidungen mit Perspektive", erklärte der Mehrheitsgesellschafter.
"Die Zweite Liga ist hochattraktiv - manchmal habe ich sogar das Gefühl, sie ist attraktiver als die Bundesliga." Martin Kind
"Wir haben viel Vertrauen verloren. Deshalb haben wir gesagt, wir beginnen einen Neu-Aufbau", sagte Kind. Zimmermann und Mann seien "junge, unverbrauchte und hochmotivierte Typen, die aber beide in ihrer beruflichen jüngsten Vergangenheit Erfolge nachgewiesen haben. Sie sehen 96 als Plattform, um große Trainer und Sportdirektoren zu werden. Jetzt müssen sie in Hannover liefern. Das werden sie. Davon sind wir überzeugt."
Club-Boss will sich weiter einbringen
Sich selbst sieht Kind dabei - wie schon so oft in der Vergangenheit - in der Rolle eines Ratgebers: "Ich habe natürlich 25 Jahre Erfahrung. Und ich bringe das ein, bis die Leute vollständig selbstständig ihren Job ausüben können. Ich bin aber sehr optimistisch, dass das ein sehr kurzer Prozess sein wird." Wie es um seine Geduld bestellt ist, bewies der allmächtige Club-Boss indes jüngst, als er Sportdirektor Gerhard Zuber kurzerhand entmachtete und sich zum Übergangsmanager kürte.
Kind: 96 wirtschaftlich der "große Verlierer"
Auf dem Weg zum Fernziel Bundesliga haben die Niedersachsen, die 2019 abgestiegen waren, noch viele Baustellen zu bewältigen. Über allem schwebt die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie schwierige finanzielle Situation. Kind bezeichnete Hannover 96 zudem als "großen Verlierer" des neuen Fernsehvertrags, der den Erst- und Zweitliga-Clubs 250 Millionen Euro weniger in die Kassen spült. Das bekomme vor allem 96 zu spüren, das Kind zufolge acht Millionen Euro weniger als im Vorjahr erhält.
"Die Zweite Liga ist in den wirtschaftlichen Bedingungen eine extrem schwierige Liga. Die wirtschaftliche Musik spielt in der Ersten Liga." Martin Kind
Ohnehin sei der wirtschaftliche Handlungsspielraum auch wegen der nicht planbaren Zuschauereinnahmen kleiner geworden: "Die Rahmenbedingungen haben sich für alle verschlechtert. Deshalb müssen wir versuchen, mit dem geringeren Umsatz - zwischen 36 und 40 Millionen Euro - eine wettbewerbsfähige Mannschaft aufzustellen. Mit sportlicher Perspektive, aber auch wirtschaftlicher Vernunft."
Transfers: Gesucht ist noch ein Sechser
Auch die Kaderplanung ist noch nicht abgeschlossen. Bislang gibt es bei 96 inklusive des zuvor verliehenen Rückkehrers Ron-Robert Zieler fünf Neuzugänge, acht Profis haben sich aus Hannover verabschiedet. "Auf jeden Fall suchen wir noch einen Sechser. Eine wichtige Entscheidung, deshalb lassen wir uns auch Zeit. Und dann suchen wir noch zwei Backup-Spieler", sagte Kind und gab sich entspannt: "Wir haben ja noch bis August Zeit, das umzusetzen."
Zeit - ein wesentlicher Faktor bei 96. Denn viele Fragen sind offen: Gelingt es Zimmermann, die eigenen Talente wie erhofft zu integrieren? Die verkorkste Vorsaison, in der wenig zusammenpasste, aus den Köpfen zu bekommen? Und die nötige Portion Kreativität im Spiel der "Roten" trotz des Weggangs von Genki Haraguchi (zu Union Berlin) zu erzeugen?
"Abstiege und schlechte Tabellenplätze sind immer das Ergebnis von Problemen." Martin Kind
Trainer, Sportdirektor und die Zusammenstellung der Mannschaft seien die "entscheidenden Stellschrauben", erklärte Kind: "Wenn Sie dort Fehler machen, dann haben Sie Probleme. Oder wenn es keine konstruktive Basis in der Zusammenarbeit zwischen Trainer und Sportdirektor gibt, haben Sie auch Probleme." Aber die soll es in der kommenden Saison bei Hannover 96 nicht mehr geben.