Dr. Tim Schumacher, Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg © Witters

50+1-Regel: VfL Wolfsburg sieht in Kompromiss "tragfähige Lösung"

Stand: 10.03.2023 20:55 Uhr

Kein Thema ist in den vergangenen Jahren im deutschen Fußball so oft diskutiert worden wie die 50+1-Regel. Ein Kompromiss zwischen DFL und "Förderclubs" soll nun der Durchbruch sein. Dabei kommen die Werksteams erstaunlich gut weg.

von Florian Neuhauss und Kristoffer Klein

Kernpunkt der ganzen Diskussion ist die Chancengleichheit zwischen den "normalen" Clubs und denen, die gern als Werksclubs bezeichnet werden. Also solche, die eine Ausnahmegenehmigung dafür erhalten haben, dass trotz der 50+1-Regel ein Konzern oder großer Investor das Sagen in der Profiabteilung hat und die Fußballer mit viel Geld ausstattet: wie bei Bayer Leverkusen, beim VfL Wolfsburg und auch bei der TSG Hoffenheim.

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Was letztlich auch das Bundeskartellamt kritisierte - sodass DFL und Förderclubs nun einen Kompromiss erarbeitet und diesen bei der Wettbewerbsbehörde eingereicht haben. Findet das Thema damit einen Abschluss? "Ich finde es realistisch, dass es so kommt. Ich bin der Meinung, dass das eine tragfähige Lösung ist und auch die ganze Liga an einem Strang zieht", sagte Geschäftsführer Tim Schumacher vom VfL Wolfsburg im NDR Interview.

Überraschungen dürfte es bei der Beurteilung des Kompromisses durch das Bundeskartellamt eigentlich nicht mehr geben. Zu lange tauschen sich die Vereine schon mit der Behörde aus. "Es wäre nach der langen Zeit und den intensiven Diskussionen schon etwas überraschend, wenn jetzt noch wesentliche neue Erkenntnisse auftreten würden", erklärte der beim VfL für Recht und Compliance verantwortliche 49-Jährige.

Kompromiss "unter Schmerzen" für Bayer und Volkswagen?

Bayer-04-Geschäftsführer Fernando Carro hatte zuletzt gesagt, sein Club habe diesem Kompromiss "unter Schmerzen" zugestimmt. Schumacher äußerte sich diplomatischer, erklärte aber auch: "Wir sind der Meinung, dass die bisherige Regelung sinnvoll, angemessen und verhältnismäßig ist. Zudem haben wir die Ausnahmegenehmigung bereits vor über 20 Jahren bekommen."

Der VfL habe dennoch "zähneknirschend" zugestimmt, weil es im Interesse aller sei, Rechtsklarheit zu bekommen. "Wir akzeptieren den Kompromiss und wollen damit auch unseren Beitrag für den deutschen Fußball leisten." Der Kompromiss enthalte Punkte, mit denen die Wolfsburger zufrieden seien, mit anderen sei man es nicht. Auf jeden Fall sollen sich alle wieder um "andere spannende Themen" kümmern können.

Neue Regeln für Clubs mit Ausnahmegenehmigung

Sollte das Kartellamt dem Vorschlag zustimmen, müsste die DFL ihre Satzung ändern. Neu wäre dann, dass die Konzerne mit Ausnahmegenehmigung nicht mehr unbegrenzt Verluste der Clubs ausgleichen dürften. Außerdem müsste der e.V. im Aufsichtsrat vertreten sein und in besonderen Fällen Vetorechte haben.

In Wolfsburg ist der e.V. schon seit Längerem im Kontrollgremium des Clubs vertreten. Die Vetorechte wären allerdings eben so neu wie die Regelung zu den Finanzen. Denn auch wenn der Vertrag des VfL mit Volkswagen vorsieht, dass der Club Gewinne an den Konzern abzuführen hat, so gleicht dieser auch immer die Verluste aus.

Laut der neuen Regelung dürften die Clubs über einen Zeitraum von jeweils drei Jahren zwar weiter Verluste machen, der Konzern dürfte diese aber nur in Höhe von 7,5 Prozent des Umsatzes ausgleichen. Bekommen die Fußballer auf diesem Weg doch mehr Geld, müssen sie an anderer Stelle der DFL eine Strafe zahlen oder erhalten weniger Geld von der Liga.

Minus von 83,6 Millionen Euro ausgeglichen

Im Fall des VfL würde die Beispielrechnung so aussehen: In den Spielzeiten 2018/2019, 2019/2020 und 2020/2021, als die "Wölfe" zweimal erst über die Relegation den Klassenerhalt schafften, verbuchten sie einen Umsatz von zirka 600 Millionen Euro. Von Volkswagen hätten also 45 Millionen Euro Verluste ausgeglichen werden dürfen. Tatsächlich verbuchten die Wolfsburger aber ein Minus von 83,6 Millionen Euro. Und der Konzern kam seiner vertraglichen Verpflichtung nach, glich alles aus. Nach der neuen Regelung wären das 38,6 Millionen Euro zu viel gewesen.

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Klingt danach, dass dem Club durch den Kompromiss künftig große Probleme drohen könnten. Die Strafzahlung hätte für diesen Verstoß allerdings lediglich gut 1,5 Millionen Euro betragen. Das ist natürlich viel Geld, aber gilt das auch für eine Kapitalgesellschaft in der Fußball-Bundesliga? "Das sind schon erhebliche Größenordnungen", betonte Schumacher.

"Es ist unser eigener Anspruch, vernünftig zu wirtschaften"

Allerdings seien unter seinem Geschäftsführerkollegen Jörg Schmadtke und dem Sportlichen Leiter Marcel Schäfer (mittlerweile Schmadtkes Nachfolger) besonders die Personalkosten schon stark gesenkt worden. "Es ist unser eigener Anspruch, vernünftig zu wirtschaften. Und es ist auch die Vorgabe von Volkswagen, dass solche wirtschaftlichen Ergebnisse nicht mehr passieren", erklärte Schumacher. Er bezeichnet die Jahre aus der Beispielrechnung als "Extremfall", weil nach sportlichen Erfolgen ein Kader zusammengestellt worden war, der zwar auf Champions-League-Niveau bezahlt wurde, aber nicht mit Leistungen zurückzahlte.

Es drohte der Zorn von Fußball-Deutschland

Die "Förderclubs" hätten sich auf ihren Bestandsschutz berufen können - damit aber vielleicht die 50+1-Regel zu Fall und damit Fußball-Deutschland gegen sich aufgebracht. Was sicher nicht im Sinne von Volkswagen oder Bayer sein kann. Nun haben sie Zugeständnisse gemacht, die aber deutlich schlimmer klingen als sie tatsächlich zu sein scheinen.

Die Diskussion um die 50+1-Regel ist aus Sicht Schumachers "häufig viel zu emotional" geführt worden. Es sei im Sinne aller, wenn diese Baustelle nun geschlossen werden würde. Zumal die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen danach nicht mehr möglich wäre.

Schumacher: "Zielsetzung, das bis Sommer abzuschließen"

Trotzdem bleibt es beim Wettbewerbsvorteil der Werksclubs gegenüber den normalen Vereinen - der sie besonders von den kleinen Clubs deutlich unterscheidet. Schumacher findet allerdings, dass die Konzerne als Sponsoren einen der gezahlten Summen gegenüberstehenden Gegenwert erhalten. Und Gegenwind von anderen Clubs in der Liga erwartet Schumacher nicht - auch wenn für die finale Satzungsänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist: "Das DFL-Präsidium hat dem Vorschlag bereits zugestimmt, und in diesen Gremien sitzen bekanntermaßen Vertreter sowohl der Ersten als auch der Zweiten Liga."

Wolfsburgs Geschäftsführer geht davon aus, dass das Bundeskartellamt "zeitnah" final entscheidet - und sagte mit Blick auf die Satzungsänderung: "Zielsetzung wird sicherlich sein, das jetzt noch vor dem Sommer abzuschließen."

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Dieses Thema im Programm:

Sportclub | 12.03.2023 | 22:50 Uhr

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