ARD Young Reporter zu Gast im NDR
Dürft ihr alles berichten, was ihr wollt? Wie entscheidet ihr, welche Themen in die Sendung kommen? Und warum berichtet ihr mehr über Israel als über Gaza? Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen der Erich Kästner Schule (EKS) in Hamburg-Farmsen haben mit Journalist*innen über Nachrichtenproduktion diskutiert.
"Da kommt einer, das ist Thorsten!" rufen die Siebtklässler durcheinander. Ungläubiges Kopfschütteln, breites Grinsen: 19 Jungen und Mädchen der Erich Kästner Schule stehen vor der Glasscheibe des tagesschau Studios, in dem sich Moderator Thorsten Schröder gerade für die Sendung bereit macht. Während er den ersten Beitrag anmoderiert schauen die Schüler*innen ihm abwechselnd im Livestream auf dem Handy und in echt bei seiner Arbeit zu - und können ihr Glück kaum fassen. "Das hätte ich nicht gedacht, dass wir sogar da hin dürfen, wo die gerade live etwas aufnehmen", sagt Jessie. Lehrerin Rebecca Lembcke ist ganz gerührt von so viel lautstarker Begeisterung. Als Thorsten Schröder schließlich aus dem Studio kommt und ahnungslos in die Schülergruppe stolpert, beginnt ein wahrer Selfie-Marathon.
Schüler des Projekts "Young Reporter"
Viele der Jugendlichen der EKS haben migrantische Wurzeln, einige einen speziellen Förderbedarf. Die Schule liegt in einem sozialen Brennpunkt, weshalb der NDR sie als Partner für das Projekt "ARD Young Reporter" ausgesucht hat. NDR Autor Björn Platz besucht dafür Stadtteilschulen im Sendegebiet und erklärt den "Young Reportern", warum unabhängige Medien und glaubwürdige Quellen wichtig sind, wie man Desinformation erkennt und wie seriöse Journalist*innen arbeiten. Im Anschluss an den Besuch können die Schüler*innen Themen einreichen, die ihnen besonders wichtig sind. Daraus entstehen anschließend Filme für die ARD Mediathek.
Während des Workshops an der EKS äußerten viele Schüler*innen Sorgen wegen der Situation in Israel und dem Krieg in Gaza. Sie hätten das Gefühl, dass die Medien in Deutschland einseitig zugunsten von Israel berichten. Darüber wollten sie diskutieren.
Fragen zu Gaza-Berichterstattung
Deshalb geht es nach der Führung durch Fernseh- und Radiostudios, den tagesschau Newsroom und die Maske in den offenen Austausch. Fast eineinhalb Stunden lang diskutierten die Schüler*innen über die Herausforderung, aus einem Kriegsgebiet zu berichten, in das Israel keine Journalisten einreisen lässt. Es geht um die Schwierigkeiten, vertrauenswürdige Quellen zu finden und sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Die Jugendlichen haben zahlreiche Fragen vorbereitet: zu Berichterstattung generell und der Situation in Gaza und Israel im besonderen. Antworten gibt neben den NDR Medienkompetenz-Experten Carolin Fromm und Björn Platz auch Autor Sulaiman Tadmory.
Der gebürtiger Syrer war zwei Jahre lang im belagerten Homs eingeschlossen und kennt Krieg aus eigener Erfahrung. Zudem ist er einer der Autoren des preisgekrönten STRG_F Filmes "Israel und Gaza: Leben zwischen Terror und Krieg", den die Schülerinnen und Schüler bereits im Unterricht gesehen hatten. "Uns war besonders wichtig, beide Seiten im Film genau gleich stark abzubilden", erläutert Tadmory den Schülerinnen und Schülern. Die Jugendlichen sind trotz des langen Vormittags hoch konzentriert beim Gespräch. "Das war krass, als Sulaiman erzählt hat, dass er selber in einer Belagerung war und nur noch Gras zu essen hatte", resümieren Jayden, Talitha, Susi und Jessie im Anschluss.
"Sie haben sich Zeit genommen"
Mattis resümiert: "Ich konnte ganz frei alle Fragen zu Israel und Palästina stellen die ich fragen wollte. Die Journalisten haben alle beantwortet, die sie beantworten konnten und sich Zeit genommen." Susi ergänzt: "Ich fand es interessant und sie haben es auch gut erzählt, so dass ich es verstehen konnte." Nach einem ganzen Vormittag voller neuer Eindrücke haben die Schüler*innen mehr Verständnis für Journalist*innen und deren Arbeit. Und alle sind sich am Ende einig, dass die deutsche Berichterstattung über den Krieg in Gaza an vielen Stellen noch verbesserungswürdig ist.