Tournee-Tagebuch
Tagebuch 08: Chinesisch
Peking ist eine völlig andere Welt als Südkorea. Technikprobleme: Blockierte Internetseiten, Textnachrichten, die nicht durchgehen, E-Mails, die nicht ankommen. Auf einem Ausflug in die Verbotene Stadt per U-Bahn darf man keine Angst vor Körperkontakt haben. Ellenbogen, Gedränge, Geschiebe.
Dafür entschädigt das schattige, ruhige Plätzchen unter dem Baum vor dem schon leicht verwitterten Cheng Qian Gong, der Halle der Ewigen Ruhe. In der eindrucksvollen Verbotenen Stadt gibt es spannende Eckchen zu entdecken.
Außeridisches Design für überirdische Klänge
Nur einen Steinwurf entfernt liegt ein anderes Bauwerk, das zu den berühmten Sehenswürdigekeiten der Stadt zählt: das National Centre for the Performing Arts, "The Egg" genannt, entworfen von Paul Andreau.
Wie ein Raumschiff sieht es aus!
Beim Backstage-Eingang Security-Kontrollen wie am Flughafen. Die Gänge sind gigantisch, zur Orientierung in dem Labyrinth dienen farbliche Markierungen. Schilder gibt es hier eine ganze Menge - auch für die Zuschauer. Da heißt es zum Beispiel "Do not applaud between movements" oder "Speak gently and walk slowly".
Der Saal ist herrlich licht und freundlich - spätestens beim ersten Stück des Abends, dem Schumann-Klavierkonzert, sind die Ellenbogen vom Vormittag vergessen.
Viele Premieren
Der Solist ist der chinesische Pianist Haochen Zhang, hier schon bekannt, bei uns noch ein Newcomer. Für sein Debüt mit dem NDR Sinfonieorchester erntet er tosenden Beifall und Bravos.
Das Publikum hat sich verändert in den letzten Jahren. Es ist viel ruhiger geworden. Ein Mann, der anfangs noch auf seinem Handy rumtippte, wird von der Mahler-Sinfonie so mitgerissen, dass er am Ende mitdirigiert. Ein kleiner Junge, der auf den Plätzen hinter dem Orchester sitzt, wird von der Pauke förmlich umgehauen und hält sich einen Moment lang vor Schreck die Ohren zu. Und das Lächeln einer jungen Frau schräg oben rechts wird am Anfang des vierten Satzes bei dem skurrilen Kontrabass-Solo mit der "Bruder Jakob"-Melodie in Moll immer breiter und strahlender. Ob sie das zum ersten Mal hört? Gut möglich!
So jedenfalls wurde Mahlers Erste hier in China noch nie gespielt, in der Hamburger Fassung in fünf Sätzen.
Jubelstürme, Souvenirs und Laserpointer
Nach den Beifallsstürmen in Korea hätte ich hier in China offen gestanden mit mehr Zurückhaltung gerechnet. Aber das Publikum tobte. Auch hier: lauter Jubel!
Bei der Zugabe kommen sie dann doch noch zum Einsatz, die Laserpointer der Platzanweiser. Die dienen zur Mahnung, wenn jemand laut ist oder filmt. Dem Publikum scheint es am Ende egal zu sein: Viele zücken ihre Handys, um die Zugabe zu filmen. Eine kleine Erinnerung an die Hamburger.
- Teil 1: Vorfreude
- ...
- Teil 7: Stäbchen-Alarm
- Teil 8: Chinesisch
- Teil 9: Orchester-Partnerschaft
- ...
- Teil 15: Titanen