Tournee-Tagebuch
Tagebuch 02: Pechvögel
Schreck und Ärger direkt zum Auftakt der Tournee: Das NDR Sinfonieorchester sitzt in Hamburg fest! Triebwerkschaden! Ein Vogel ist ins Triebwerk geraten, das Flugzeug muss vorerst am Boden bleiben. Der Flug nach Frankfurt - Zwischenstopp - wurde annulliert.
Am Gate in Frankfurt hat sich derweil eine Gruppe von 18 Musikern aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen eingefunden, aus Leipzig, Düsseldorf, Berlin - gemeinsam wollte man von Frankfurt aus mit einem A380 nach Seoul durchstarten.
Wie von Hamburg nach Frankfurt gelangen?
Und nun das. Die Telefone laufen heiß zwischen der Tourmanagerin , der Agentur und der Lufthansa, zwischen den rund 80 Musikern in Hamburg und dem versprengten Grüppchen in Frankfurt, zu dem ich auch gehöre. Die Uhr tickt.
Ist es irgendwie zu schaffen? Und was, wenn nicht? 80 Musiker bringt man nicht so mir nichts, dir nichts auf einem anderen Flug unter. Klar ist nur: Diejenigen, die es bis Frankfurt geschafft haben, sollen auf jeden Fall nach Seoul fliegen.
Boarding in Frankfurt. Etwa 400 Leute steigen in den Riesenflieger. Wir NDR-ler gehen ganz am Schluss ... Zeit schinden ... vielleicht geht ja doch noch was ...
Beistand vom Flugkapitän
Kaum im Flieger, meldet sich der Kapitän zu Wort. Er bittet noch um fünf Minuten Geduld, um zu entscheiden, was mit den Hamburgern ist.
In dem Moment klingelt mein Handy: Andrea Zietzschmann, Chefin der NDR Klangkörper. Nach jetzigem Stand könne es offenbar sehr schwierig werden, das Orchester rechtzeitig für das erste Konzert nach Seoul zu bekommen, sagt sie. "Könnt Ihr die Maschine irgendwie aufhalten?"
Mit 18 statt 100 Musikern in Seoul
Ich laufe zur Stewardess, frage, ob wir den Kapitän sprechen dürfen. Der nimmt sich Zeit, kommt aus dem Cockpit, ich reiche das Handy weiter. Er habe die verschiedenen Optionen durchdacht - aber etwa 2,5 bis 3 Stunden zu warten, sei aus verschiedensten Gründen nicht möglich. Auch wegen der 400 anderen Gäste an Bord. Er habe sogar erwogen, eine Zwischenlandung in Hamburg einzulegen, um das Orchester abzuholen, aber das scheitere aus technischen Gründen: Das Flugzeug sei vollgetankt und wäre für eine Landung in Hamburg schlichtweg zu schwer. Damit ist die Entscheidung gefallen: Wir fliegen ohne die Kollegen aus Hamburg.
Er sei selbst Klassik-Fan, erzählt der Pilot mir später, und verstehe, wie schwierig diese Situation fürs Orchester sei. Er habe Musiker in der eigenen Familie - und hätte sich nur einen anderen Beruf vorstellen können: den des Dirigenten.
Rund 12 Stunden später
"Unser" Chefdirigent, Thomas Hengelbrock, sitzt inzwischen in Frankfurt - mit dem Rest des Orchesters.
Wir anderen sind soeben heil in Seoul gelandet. Solistin Arabella Steinbacher ist auch dabei. Und während hier überlegt wird, welche Stücke man als Kammerorchester spielen könnte (wir haben hier Streicher, Oboe, Klarinette, Flöte, Fagott, Trompete, Pauke - durchaus Notprogramm-tauglich!), sickert die Nachricht aus Deutschland durch: Mit sehr viel Glück kommt das übrige Orchester morgen Nachmittag an!
Update
Hornist Tobias Heimann vermeldet am frühen Pfingstmontag (Ortszeit Seoul) auf der Facebook-Seite des NDR Sinfonieorchesters, dass nun auch die verbleibenden 80 Musiker und Chefdirigent Thomas Hengelbrock glücklich in Seoul gelandet sind. Gerade noch rechtzeitig - morgen steht das erste Konzert der Tournee auf dem Programm. Alles noch einmal gut ausgegangen.
- Teil 1: Vorfreude
- Teil 2: Pechvögel
- Teil 3: Anti-Jetlag-Strategien
- ...
- Teil 15: Titanen