Moschee-Architektur: Mehr als Kuppel und Minarett
Wenn es um Moscheen geht, wird oft darüber diskutiert, inwieweit etwa der Neubau eines islamischen Gotteshauses Konflikte hervorruft. Viel seltener ist die Rede von Moscheen und ihrer Architektur. Obwohl es da viel zu entdecken gibt - auch in Deutschland und in Europa. Was zum Beispiel macht eine Moschee zu einer Moschee? Und: Welche Bedeutung hat die sakrale Architektur für Muslime?
Von Jens Rosbach
Die Meinungen gehen weit auseinander. Einige Muslime in Deutschland legen sehr viel Wert auf die Architektur ihrer Moschee, andere gar nicht: "Die Architektur ist mir nicht so wichtig, solange ich darin beten kann." "Eigentlich sind die Minarette das Merkmal. Ja, ich finde das schön, wenn sie drauf sind und wenn eine Kuppel drauf ist, damit sich das von anderen Gotteshäusern unterscheidet. Kirchen haben ja auch ihre Merkmale, genauso wie eine Moschee ihr Merkmal hat." "Ich finde, dass eine Moschee einladend aussehen sollte." "Das ist auch für den Glaubensinhalt gut." So einige Kommentare bei einer Umfrage.
Jahrhundertelang haben Minarett und Kuppel, also die traditionelle osmanische Bauweise, das Bild europäischer Moscheen geprägt. Dabei wurde häufig ignoriert, dass etwa in Nordafrika die Gotteshäuser oft ganz anders aussahen: Sie waren viel stärker in die Länge gebaut und hatten ein Flachdach. Bei persischen Moscheen wiederum gruppierten sich alle Sakralbauten um einen offenen Innenhof.
Klischee-Moschee statt klassische Moderne
Doch in Deutschland liebte man offenbar das orientalische Klischee. Bereits im 18. Jahrhundert ließen deutsche Fürsten hierzulande Minarett- und Kuppelbauten errichten - um sie als exotische Teehäuser zu nutzen. Auch eine der ersten Moscheen, die für Muslime gebaut wurde - die Große Pariser Moschee von 1926 - setzte auf osmanische Alt-Architektur, obwohl in Europa damals bereits die klassische Moderne angesagt war. "Die Moschee in Paris ist ein sehr interessantes Beispiel dafür, dass man die Muslime in ein Bild zwängt, nämlich in das Bild der Orientalen. Den ganzen Typus Mensch in die Vergangenheit katapultiert und sagt: Ihr seid ja letztendlich rückständig. Es ist ein sehr kolonialer Blick - und weitgehend besteht er heute noch", sagt der Berliner Buchautor Christian Welzbacher, der die Architektur europäischer Moscheen genau untersucht hat. Er betont, dass die meisten Gebetshäuser in Deutschland ab den 60er-Jahren von türkischen Gastarbeitern eröffnet wurden - in leeren Fabrik-Etagen und Gewerbegebieten. "Das sind die sogenannten Hinterhof-Moscheen", erklärt Welzbacher.
Innovative Vorbilder fehlen
Auf der einen Seite: improvisierte Gebetsräume. Auf der anderen Seite: historisierende Klischeebauten. Auch wenn sich heute etwa auf dem Balkan einige zeitgemäße Gotteshäuser finden - moderne Moschee-Architektur ist in Europa und auch in Deutschland bis heute die Ausnahme. Nach Ansicht des Experten fehlt den hiesigen Muslimen somit oft auch ein innovatives Vorbild aus ihren Heimatländern. Zwar gab es mit der antikolonialen Befreiungsbewegung der 50er-/60er-Jahre, etwa in Bagdad und Algier, futuristische Moschee-Entwürfe. Die algerische Moschee zum Beispiel sollte wie ein Wassertropfen aussehen - ein Hinweis auf Gottes Schöpfung. Doch beide Moscheen wurden nie realisiert.
Viele islamische Länder setzen heute längst wieder auf den traditionellen Baustil. "Jetzt sagt man: Wenn wir die religiöse Identität stärken, dann können wir das nicht mit den Mitteln der Moderne machen", erklärt Welzbacher. "Denn die Moderne ist die Repräsentationsform des Kolonialherren. Und davon müssen wir genau weg. Deswegen gehen wir zurück in eine vorkoloniale Zeit. Was natürlich insofern ein Paradox ist, als man den Aufbruch will - dazu aber zurückgeht in die Vorvergangenheit."
"Wir wollen etwas Neues versuchen"
So sind auch in Deutschland innovative Moschee-Bauten eine Seltenheit - wie im oberbayerischen Penzberg, wo eine Moschee mit verkürztem Minarett und komplett ohne Kuppel errichtet wurde. Oder wie in Köln, wo die Zentralmoschee aus Beton errichtet und mit Glaselementen visuell aufgelockert wurde. Die luftige Architektur, die für Transparenz, Dialog und Weltoffenheit steht, könnte Schule machen, glaubt Autor Christian Welzbacher: "Die ersten Gemeinden haben sich ja bereits formiert, die gesagt haben: Wir wollen etwas Neues versuchen. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass - weil die auch alle untereinander gut vernetzt sind - andere mitziehen und sagen: Wir trauen uns auch!"