Körperschaftsstatus für Islamverbände?
Der Islamverband DITIB hat in Köln seinen neuen Bundesvorstand und die künftigen Arbeitsschwerpunkte vorgestellt. Ein Ziel nach wie vor: Als Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt zu werden - mit Körperschaftsstatus. Doch der Weg dahin ist noch weit. Auch weil es oft an politischen Ideen fehlt, um auf konstruktive Weise verschiedene religiöse Interessen zu verhandeln. So sehen es jedenfalls die Herausgeber des Übersichtsbandes "Religionspolitik heute". Zu finden sind darin zahlreiche Beiträge über aktuelle religionspolitische Konflikte, Lösungsmöglichkeiten und Grundsatzfragen. Eröffnen sie Wege aus den oft festgefahrenen Diskussionen?
Die religiöse Landschaft in Deutschland lässt sich etwa so beschreiben: Die Zahl der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wächst; auch die Gruppe der Konfessionslosen wird größer, die der Christen hingegen schrumpft. Die christlichen Kirchen und viele andere Glaubensgemeinschaften dürfen als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern von ihren Mitgliedern erheben und sie dürfen ihre innere Organisation nach eigenen Grundsätzen regeln.
Auch Muslime fordern diese Rechte für sich. Als drittgrößte religiöse Gruppe in Deutschland wollen sie gleich behandelt werden. Mohammad Dawood Majoka von der Ahmadiyya-Gemeinde in Hamburg schreibt:
Es besteht […] die dringende Notwendigkeit […], dass der Staat eine formelle und geregelte Form der Organisation der hier lebenden Muslime anerkennt. Das ist letztlich nur möglich, wenn ihre Organisationen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden.
DITIB will den Neuanfang
Die Ahmadiyya-Gemeinden in Hamburg und Hessen sind die einzigen muslimischen Gemeinden in Deutschland, die als Körperschaft anerkannt sind. Auch DITIB will das nun erreichen. Der Moscheeverband war wegen zu großer Nähe zur türkischen Regierung in die Kritik geraten. Vor zwei Tagen verordnete er sich öffentlich einen Neuanfang, mit dem Ziel, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden und den Körperschaftsstatus zu erlangen. Der wurde bisher allen großen muslimischen Verbänden verweigert, unter anderem mit dem Argument, die Vielfalt der theologischen Richtungen sei zu unübersichtlich. Mohammed Khallouk vom Zentralrat der Muslime in Deutschland lässt diesen Einwand in seinem Beitrag nicht gelten.
Die Tatsache, dass neben den Großkirchen zahlreiche innerchristliche, vor allem protestantische Gemeinschaften den Körperschaftsstatus besitzen, demonstriert vielmehr, dass das deutsche Religionsverfassungsrecht sich gerade für eine Situation konfessioneller Heterogenität […] als geeignet erweist.
Historiker: Kirchen sind von Anfang an privilegiert
Warum wird bei Muslimen die Verschiedenartigkeit nicht anerkannt? Die Angst vor Extremismus spielt eine große Rolle, meinen mehrere Autoren. Der Historiker Thomas Großbölting nennt einen weiteren Grund. In der frühen Bundesrepublik habe sich eine "hinkende Trennung von Staat und Kirche" entwickelt. Die christlichen Kirchen seien von Anfang an privilegiert gewesen. Nicht etwa, weil die Verfassungsmütter und -väter das aus Überzeugung gewollt hätten. Sie hätten vielmehr den offenen Konflikt über das damals schon umstrittene Staat-Kirchen-Verhältnis gescheut. Und diese Scheu vor einer Verfassungsdiskussion präge die Politik bis heute.
Ganz grundsätzlich konserviert die deutsche Religionspolitik so den Einfluss der christlichen Kirchen, stellt diese etwa gegenüber dem Islam besser und vergisst dabei, dass das Christentum zwar das persönliche Bekenntnis vieler Bürger ist, nicht aber die deutsche Staatsreligion.
Willems: Religionspolitik muss flexibler werden
In mancher deutschen Großstadt gibt es mehr als 200 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Konflikte sind also absehbar. Um sie konstruktiv auszutragen, ist eine aktive und selbstbewusste Religionspolitik nötig. Sie muss gleichen Abstand zu allen religiösen und weltanschaulichen Akteuren halten. So argumentiert neben anderen auch Ulrich Willems, Politologe an der Uni Münster und Mitherausgeber des Bandes "Religionspolitik heute". Insgesamt erwartet er eine flexiblere Religionspolitik.
Willems beruft sich dabei auf historische Beispiele wie auch aktuelle Untersuchungen: "Dadurch, dass man auch politisch-religiöse Kräfte, die sich von einem System distanzieren, integriert, kann man es erreichen, dass sie sich am Ende auf das System zubewegen", sagt er. Willems empfiehlt daher eine ähnliche Umgangsweise auch für die Muslime in Deutschland, statt ständig Bekenntnisse zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erwarten. "Vorleistungen, die man von ihnen erwartet, werden sich am Ende des Prozesses einstellen", meint er.
Die Gespräche mit der DITIB sollen indes fortgesetzt werden. Zwar sehe man die strukturelle, personelle und finanzielle Anbindung an das türkische Religionsamt "durchaus kritisch", so eine Sprecherin des Innenministeriums. Der Gesprächsfaden solle aber unbedingt erhalten bleiben.