Stand: 18.01.2019 14:20 Uhr

Körperschaftsstatus für Islamverbände?

von Brigitte Lehnhoff

Der Islamverband DITIB hat in Köln seinen neuen Bundesvorstand und die künftigen Arbeitsschwerpunkte vorgestellt. Ein Ziel nach wie vor: Als Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt zu werden - mit Körperschaftsstatus. Doch der Weg dahin ist noch weit. Auch weil es oft an politischen Ideen fehlt, um auf konstruktive Weise verschiedene religiöse Interessen zu verhandeln. So sehen es jedenfalls die Herausgeber des Übersichtsbandes "Religionspolitik heute". Zu finden sind darin zahlreiche Beiträge über aktuelle religionspolitische Konflikte, Lösungsmöglichkeiten und Grundsatzfragen. Eröffnen sie Wege aus den oft festgefahrenen Diskussionen?

Eine Mondsichel liegt auf dem Koran und ein Kreuz liegt auf der Bibel. © picture alliance Foto: Godong
Muslime stellen die drittgrößte religiöse Gruppe in Deutschland. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind die großen Islamverbande jedoch nicht anerkannt.

Die religiöse Landschaft in Deutschland lässt sich etwa so beschreiben: Die Zahl der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wächst; auch die Gruppe der Konfessionslosen wird größer, die der Christen hingegen schrumpft. Die christlichen Kirchen und viele andere Glaubensgemeinschaften dürfen als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern von ihren Mitgliedern erheben und sie dürfen ihre innere Organisation nach eigenen Grundsätzen regeln.

Auch Muslime fordern diese Rechte für sich. Als drittgrößte religiöse Gruppe in Deutschland wollen sie gleich behandelt werden. Mohammad Dawood Majoka von der Ahmadiyya-Gemeinde in Hamburg schreibt:

Es besteht […] die dringende Notwendigkeit […], dass der Staat eine formelle und geregelte Form der Organisation der hier lebenden Muslime anerkennt. Das ist letztlich nur möglich, wenn ihre Organisationen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden.

DITIB will den Neuanfang

Die Ahmadiyya-Gemeinden in Hamburg und Hessen sind die einzigen muslimischen Gemeinden in Deutschland, die als Körperschaft anerkannt sind. Auch DITIB will das nun erreichen. Der Moscheeverband war wegen zu großer Nähe zur türkischen Regierung in die Kritik geraten. Vor zwei Tagen verordnete er sich öffentlich einen Neuanfang, mit dem Ziel, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden und den Körperschaftsstatus zu erlangen. Der wurde bisher allen großen muslimischen Verbänden verweigert, unter anderem mit dem Argument, die Vielfalt der theologischen Richtungen sei zu unübersichtlich. Mohammed Khallouk vom Zentralrat der Muslime in Deutschland lässt diesen Einwand in seinem Beitrag nicht gelten.

Die Tatsache, dass neben den Großkirchen zahlreiche innerchristliche, vor allem protestantische Gemeinschaften den Körperschaftsstatus besitzen, demonstriert vielmehr, dass das deutsche Religionsverfassungsrecht sich gerade für eine Situation konfessioneller Heterogenität […] als geeignet erweist.

Historiker: Kirchen sind von Anfang an privilegiert

Warum wird bei Muslimen die Verschiedenartigkeit nicht anerkannt? Die Angst vor Extremismus spielt eine große Rolle, meinen mehrere Autoren. Der Historiker Thomas Großbölting nennt einen weiteren Grund. In der frühen Bundesrepublik habe sich eine "hinkende Trennung von Staat und Kirche" entwickelt. Die christlichen Kirchen seien von Anfang an privilegiert gewesen. Nicht etwa, weil die Verfassungsmütter und -väter das aus Überzeugung gewollt hätten. Sie hätten vielmehr den offenen Konflikt über das damals schon umstrittene Staat-Kirchen-Verhältnis gescheut. Und diese Scheu vor einer Verfassungsdiskussion präge die Politik bis heute.  

Ganz grundsätzlich konserviert die deutsche Religionspolitik so den Einfluss der christlichen Kirchen, stellt diese etwa gegenüber dem Islam besser und vergisst dabei, dass das Christentum zwar das persönliche Bekenntnis vieler Bürger ist, nicht aber die deutsche Staatsreligion.

Willems: Religionspolitik muss flexibler werden

In mancher deutschen Großstadt gibt es mehr als 200 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Konflikte sind also absehbar. Um sie konstruktiv auszutragen, ist eine aktive und selbstbewusste Religionspolitik nötig. Sie muss gleichen Abstand zu allen religiösen und weltanschaulichen Akteuren halten. So argumentiert neben anderen auch Ulrich Willems, Politologe an der Uni Münster und Mitherausgeber des Bandes "Religionspolitik heute". Insgesamt erwartet er eine flexiblere Religionspolitik.

Das Freitagsforum zum Nachhören
Ein Imam in einer Moschee © picture alliance / dpa
6 Min

Körperschaftsstatus für Islamverbände?

Der Islamverband Ditib will als Religionsgemeinschaft in Deutschland anerkannt werden - mit Körperschaftsstaus. Doch der Weg dahin ist weit, auch weil es oft an politischen Ideen fehlt. 6 Min

Willems beruft sich dabei auf historische Beispiele wie auch aktuelle Untersuchungen: "Dadurch, dass man auch politisch-religiöse Kräfte, die sich von einem System distanzieren, integriert, kann man es erreichen, dass sie sich am Ende auf das System zubewegen", sagt er. Willems empfiehlt daher eine ähnliche Umgangsweise auch für die Muslime in Deutschland, statt ständig Bekenntnisse zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu erwarten. "Vorleistungen, die man von ihnen erwartet, werden sich am Ende des Prozesses einstellen", meint er.

Die Gespräche mit der DITIB sollen indes fortgesetzt werden. Zwar sehe man die strukturelle, personelle und finanzielle Anbindung an das türkische Religionsamt "durchaus kritisch", so eine Sprecherin des Innenministeriums. Der Gesprächsfaden solle aber unbedingt erhalten bleiben.

Weitere Informationen
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (M.) unterzeichnet in Hamburg im Rathaus einen Vertrag mit islamischen Religionsgemeinschaften, diese sind u.a. vertreten durch Zekeriya Altug für die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (l.) und Hüseyin Mat für die Alevitische Gemeinde © dpa Foto: Angelika Warmuth

5 Jahre Vertrag mit den muslimischen Verbänden

Am 13. Juni 2013 stimmte die Hamburgische Bürgerschaft dem Vertrag mit den muslimischen Verbänden mit großer Mehrheit zu. Die Hoffnungen damals waren groß. Eine Bilanz. mehr

Teilnehmer an der Deutsche Islamkonferenz 2015 © imago

Zehn Jahre Deutsche Islamkonferenz

Vor zehn Jahren fand die erste Deutsche Islamkonferenz statt. Es wurde viel gestritten, es gab viel Kritik - es konnten aber auch einige Erfolge erzielt werden. Eine Bilanz von Marfa Heimbach. mehr

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (l - SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (r - CDU) nehmen am 10.11.2015 in Berlin im Bundesinnenministerium an der Deutschen Islamkonferenz (DIK) teil. Die Islamkonferenz beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem Thema "Wohlfahrtspflege". © dpa Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Kommentar: Wie geht es weiter mit der Islam Konferenz?

In der kommenden Woche tagt die Deutsche Islam Konferenz wieder in Berlin. Wie geht es weiter? Unser Gastautor Samy Charchira schwankt zwischen Skepsis und Hoffnung. mehr

Übersicht über den Plenarsaal der Bürgerschaft in Hamburg © dpa Foto: Jens Ressing

Ein Vertrag mit Signalwirkung

2012 schloss der Stadtstaat Hamburg einen Vertrag mit den Muslimen und den Aleviten über gegenseitige Rechte und Pflichten. Wie fällt eine erste Bilanz aus? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 18.01.2019 | 15:20 Uhr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur Livestream

Der Sonntag

09:00 - 13:00 Uhr
Live hörenTitelliste