Erste Halal-Messe Deutschlands in Hannover
Die Deutsche Messe AG in Hannover betritt Neuland: Für den 6. bis 8. März 2020 lädt sie ein zur ersten Halal-Messe in Deutschland. Das arabische Wort "halal" ist ein Schlüsselbegriff im Koran und bedeutet soviel wie "erlaubt". Die öffentliche Diskussion in Deutschland ist oft verengt auf das Verbot von Schweinfleisch und Alkohol. Tatsächlich bezieht sich halal auf alle Lebensbereiche, steht also für ein ethisches Lebenskonzept.
Die Veranstalter in Hannover hoffen auf bis zu 50 Aussteller auf der ersten Halal-Messe in Deutschland. Geplante Schwerpunkte sind die Bereiche Lebensmittel, Getränke, Kosmetikprodukte und Reisen. Eingeladen ist nicht nur das Fachpublikum, etwa aus produzierenden Betrieben, Handel und Supermärkten. Eingeladen sind an zwei Messetagen auch interessierte Verbraucher. Denn knapp fünf Millionen Muslime leben mittlerweile in Deutschland, betont Projektleiter Christoph Schöllhammer: "Die Nachfrage nach Halal-Produkten ist da. Wir stehen im Moment an einer Kehrtwende: Firmen müssten sich outen, dass sie halal-konforme Produkte haben, um sie allein schon exportieren zu können." Mit anderen Worten: Viele deutsche Firmen machen bereits ein Geschäft mit islamkonformen Lebensmitteln - aber nicht offen.
Angst vor Boykott
"Viele Unternehmen, auch wenn sie halal produzieren, machen keinen Halal-Siegel auf ihr Produkt, weil sie fürchten, von gewissen Leuten an den Pranger gestellt oder boykottiert zu werden", weiß Tilman Brunner, Abteilungsleiter International bei der Industrie- und Handelskammer Hannover und Förderer der Messe. Sorgen bereiten den Firmen zum einen politisch weit rechts stehende Kreise, die eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes befürchten. Zum anderen unterstellen nicht nur militante Tierschützer, islamkonforme Schlachtung sei gleichbedeutend mit Schächten, das in Deutschland aber nur in Ausnahmefällen mit spezieller Genehmigung erlaubt ist. Das Thema Fleisch soll auf dieser ersten Messe deshalb weitgehend ausgespart werden.
Halal als Qualitätssiegel
In der Realität sei es ja auch nur ein kleiner Ausschnitt der Halal-Produkte, betont Brunner: "Der Großteil sind andere Lebensmittel, auch Kosmetika oder andere chemische Artikel. Es gibt eine Unmenge von Produkten, wo halal ein Qualitätssiegel ist. Ich erhoffe mir von der Messe, dass bekannt gemacht wird, dass halal nicht etwas ist, was nur für Muslime ist, sondern dass das ein Qualitätssiegel ist." Zum Beispiel für Verbraucher, die Produkte ohne berauschende Zusätze wünschen. Die Nachfrage nach Informationen wächst jedenfalls, sagt Dilara Faslak. Die 22-Jährige studiert zurzeit in Osnabrück Islamische Theologie und engagiert sich bei "halal-check", einer Suchmaschine für islamkonforme Lebensmittel: "Wir haben zum Beispiel über 500.000 Downloads bei unseren "halal-check"-Applikationen und über 40.000 Mitglieder auf unseren Social-Media-Plattformen. Daran kann man auch sehen, dass die Nachfrage nach halal wächst."
Die junge Muslima erwartet von der Messe in Hannover vor allem mehr Transparenz, zum Beispiel über die Halal-Prüfer: "Nach welchen Kriterien zertifizieren sie? Denn in der Regel sind sie sehr intransparent. Ich persönlich weiß nicht, wieso ein Zertifizierer ein Produkt als halal-konform ansieht."
Steigender Umsatz mit Halal-Produkten
Auf diese Frage wird in einem der vielen Fachvorträge Norbert Kahmann eingehen. Er ist strategischer Halal-Koordinator bei der Symrise AG in Holzminden, ein weltweit agierender Produzent von Duft- und Geschmacksstoffen: "Ich halte auf dieser Messe einen Vortrag darüber, wie man den richtigen Halal-Zertifizierer findet. Das ist immer die Kernfrage: Welcher ist der richtige Halal-Zertifizierer für mein Unternehmen?"
Wer beispielsweise mit großen islamischen Staaten wie Indonesien oder Malaysia ins Geschäft kommen will, muss mit einem Zertifizierer arbeiten, der dort anerkannt ist. "Da geht es auch um die Bekleidung, um Halal-Reisen, Halal-Transport, Kosmetik, Pharmazie, Essen, Trinken - alles das soll halal-zertifiziert werden", so Kahmann. Im Augenblick gibt es einen weltweiten Umsatz von ungefähr zwei Billionen Dollar mit halal-zertifizierten Produkten, und man erwartet in 2023 bis 2025 vier Billionen Dollar Umsatz."
Kein Wunder also, dass die Deutsche Messe AG sich nun dafür einsetzt, das Thema halal aus der religiösen Verdachtsecke herauszuholen.