5 Jahre Vertrag mit den muslimischen Verbänden
Für viele Muslime war es ein ganz besonderer Tag - und zwar bundesweit. Am 13. November 2012 unterzeichnete in Hamburg zum ersten Mal ein Bundesland einen Vertrag mit den muslimischen Verbänden. Sieben Monate später stimmte auch die Hamburgische Bürgerschaft dem Vertrag zu. Mit überwältigender Mehrheit. Von Anfang an gab es Diskussionen, die Hoffnungen aber damals waren groß.
"Die Stimmung war feierlich und doch auch ein bisschen angespannt" - so beschrieben Beobachter die Atmosphäre der Bürgerschaftssitzung am 13. Juni 2013 in Hamburg. Es ging um den Vertrag mit den muslimischen Verbänden. Nur die FDP stimmte damals dagegen und drei CDU-Abgeordnete. Für die Muslime war unter anderem Norbert Müller bei den Verhandlungen, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Schura, einem Zusammenschluss vieler islamischer Gemeinden. "Der Staatsvertrag ist und war ein Meilenstein, so haben wir das bewertet", erinnert sich Norbert Müller. "Er steht für die Mitgestaltung und aktive Teilhabe der Muslime und ihrer islamischen Institutionen."
Regelungen für Feiertage und Religionsunterricht
Ob es um den Umgang mit islamischen Feiertagen oder um die Bestattung nach den religiösen Vorschriften geht - vieles in dem Vertrag war nicht wirklich neu. Eines aber war besonders: Muslime sollten an Hamburgs Schulen auch Religion unterrichten können, wenn sie über die Lehrer-Examina verfügen. Hamburg hat traditionell einen `Religionsunterricht für alle`,das heißt, Schüler aller Konfessionen lernen zusammen.
Die Arbeit an der neuen Unterrichtskonzeption, auch gerade mit den drei muslimischen Dachverbänden DITIB, Schura und VIKZ, sei professionell, sagt Jochen Bauer, zuständig für Religion in der Schulbehörde: "Sie haben sich gegenüber der Schulbehörde verpflichtet, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen. Das erfordert auf deren Seite natürlich Abstimmungsprozesse. Meine Beobachtung ist nach fünf Jahren, dass sie sich durch diese Arbeit auch sehr viel näher gekommen sind, so dass innerislamische Differenzen bisher kein Problem darstellen."
Immer wieder Debatten um den Islamverband DITIB
Während sich die Alltagsarbeit bislang nahezu geräuschlos vollzieht, gab es auf der politischen Ebene umso heftigere Auseinandersetzungen. Zuletzt war die deutsch-türkische Religionsgemeinschaft DITIB in die Kritik geraten, weil sie vielen wie ein verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Erdogan erschien. Die FDP und die AfD forderten die sofortige Kündigung des Vertrags, die CDU dessen Aussetzung. Mittlerweile, so der religionspolitische Sprecher der CDU, Dietrich Wersich, hätten die Christdemokraten jedoch eingelenkt: "Nach den Vorgängen - insbesondere um die DITIB, also den türkischen Islamverband, als Erdogan versucht hat, den auch in Norddeutschland für seine islamistischen Zwecke einzusetzen - da haben wir gesagt, jetzt muss es eine gelbe Karte geben. Glücklicherweise hat sich bei den Wahlen der Reformflügel komplett durchgesetzt, was auch klar auf den Vertrag und diese Warnung zurückzuführen ist."
Der Vertrag mit den muslimischen Verbänden hat sich bewährt
Dieser Erfolg hat viele Väter. Auch die Senatskanzlei hatte in internen Gesprächen deutlich gemacht, dass sie es nicht hinnehmen werde, wenn sich in der bis dato reformorientierten DITIB-Nord – wie von der Kölner Zentrale angestrebt – die harte Erdogan-Linie durchsetzen sollte. Dann könnte der Verband nicht mehr beim "Religionsunterricht für alle" in Hamburg mitmachen.
Der Vertrag mit den muslimischen Verbänden hat sich nach Auffassung von Christoph Krupp, dem Chef der Senatskanzlei, bewährt: "Unsere Vertragspartner sind als allererstes die vielen zehntausend Gläubigen. Die islamische Religion ist nicht so organisiert wie die christliche, sondern ist etwas vielfältiger organisiert. Und wir haben Ansprechpartner, wenn es darum geht, Salafisten und extremistische Bestrebungen zu bekämpfen. Und natürlich ist es auch so, dass wir in einem Dialog sind. Natürlich sprechen wir in diesem Dialog auch kritische Dinge an."
In Niedersachsen liegen die Verträge vorerst auf Eis
Vor fünf Jahren dachten Beobachter noch, andere Bundesländer würden dem Hamburger und Bremer Weg bald folgen. So ist es nicht gekommen. In Schleswig-Holstein wurden die Gespräche abgebrochen, in Niedersachsen liegen die Verträge vorerst auf Eis. In dem Stadtstaat Hamburg aber hat sich unter den Akteuren über die Jahre ein Klima des Vertrauens gebildet, das die Zusammenarbeit in vielen Bereichen einfacher macht und auch Kritik zulässt. Doch es gibt durchaus noch Luft nach oben, wie Staatsrat Christoph Krupp anmerkt: „Für die Zukunft: Wenn der Islam zu Hamburg gehören will, dann muss er ein bisschen hanseatischer werden.“