Umfrage: Große Mehrheit für Vier-Tage-Woche
Die große Mehrheit der Teilnehmenden an einer #NDRfragt-Umfrage befürwortet die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Viele könnten sich das Modell mit verkürzter Arbeitszeit bei gleicher Bezahlung für ihren Job vorstellen.
Kann die Vier-Tage-Woche eine Lösung gegen Stress und Belastungen am Arbeitsplatz sein? Jüngst forderte etwa die IG-Metall ein solches Arbeitszeitmodell für die Stahlindustrie - bei vollem Lohnausgleich. Die Stadt Wedel in Schleswig-Holstein hat als erste Kommune in Deutschland die Vier-Tage-Woche bereits eingeführt, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein.
In einer #NDRfragt-Umfrage wollten wir wissen: Wie viel arbeiten die Mitglieder derzeit und wie viel würden sie gern arbeiten? Fühlen sie sich durch ihre Arbeit belastet oder gestresst? Und befürwortet die Community die Einführung einer Vier-Tage-Woche? Alle Ergebnisse dieser nicht repräsentativen aber gewichteten Umfrage gibt es hier als PDF zum Herunterladen.
Große Mehrheit für die Einführung einer Vier-Tage-Woche
Eine große Mehrheit von fast drei Viertel der Befragten ist für die Einführung einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Frauen haben eine leicht höhere Zustimmung zur Vier-Tage-Woche. Ob Kinder im Haushalt leben, spielt hingegen keine Rolle.
Zustimmung bei Jüngeren am höchsten
Die Zustimmung zur Vier-Tage-Woche hängt vor allem vom Alter der Befragten ab: Besonders jüngere Teilnehmende unterstützen die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Am stärksten befürworten sie mit gut 90 Prozent die unter 30-Jährigen.
"Zur Arbeit kommt noch der Zeitdruck des eigenen Lebens. Es sind Dinge wie gesundheitliche Vorsorge möglich. Zusätzlich hat man auch mehr Zeit, das eigene Leben zu strukturieren und muss solche Dinge nicht immer am Wochenende erledigen, wodurch die Erholungszeit komplett wegfällt." #NDRfragt-Teilnehmer Lars (26) aus Niedersachsen
Mit steigendem Alter sinkt die Zustimmung. Unter den Teilnehmenden im Rentenalter findet die Einführung der verkürzte Arbeitswoche keine Mehrheit mehr.
Mehrheit fühlt sich durch Erwerbsarbeit belastet
Ein möglicher Grund für die hohe Zustimmung zur Einführung einer Vier-Tage-Woche könnte an der Arbeitsbelastung liegen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie sich im vergangenen Monat durch ihre Erwerbsarbeit häufig bis sehr häufig belastet gefühlt hat. Drei von fünf Personen sagen zudem, dass die Erwerbsarbeit sie in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt hat. So fühlt sich auch diese Teilnehmerin aus Niedersachsen an ihrer Belastungsgrenze:
"Ich arbeite als Hebamme im Kreißsaal und bin jetzt 60 Jahre alt. Ich merke, wie mich der Schichtdienst zunehmend belastet. Die jüngeren Kolleginnen, die jetzt ausgebildet werden, können sich fast alle nicht vorstellen so zu arbeiten, wie wir es jetzt tun. Ich finde das neue Bewusstsein sehr gut und bedaure, dass ich mich so habe ausnutzen lassen." #NDRfragt-Teilnehmerin Kathrin (59) aus Niedersachsen
Belastung vor allem bei Frauen groß
Vor allem Frauen geben an, dass sie sich häufig bis sehr häufig im Arbeitsalltag überfordert gefühlt haben. Dies sagen über 40 Prozent aller Frauen, bei den männlichen Teilnehmern sind es weniger als 30 Prozent. Diese wahrgenommene Überforderung könnte laut Studien an der sogenannten "Care-Arbeit" oder Sorgearbeit liegen, zum Beispiel der Pflege von Angehörigen oder der Kinderbetreuung, die in Deutschland immer noch verstärkt Frauen übernehmen.
"Ich bin Hausfrau, Mutter und arbeite deswegen nur 15 Stunden in meinem Beruf. Meine tatsächliche Arbeitszeit zu Hause und auf der Arbeit in Summe beträgt deutlich über 50 Stunden die Woche." #NDRfragt-Teilnehmerin Stefanie (45) aus Bremen
Termindruck und Zeitmangel belastend
Die Belastung entsteht laut der Umfrage-Teilnehmenden vor allem wegen zu hohem Termindruck und Zeitmangel bei der Erwerbsarbeit. Das geben gut sechs von zehn Befragten an. Fast die Hälfte sagt zudem, dass sie sich wegen zu hohem psychischen Druck belastet fühlt. Außerdem führten danach Mehrarbeit und Überstunden bei gut vier von zehn Personen zu Belastung.
Trotz Belastung und Einschränkungen ihrer Freizeit sieht die Hälfte der befragten Community ihre Erwerbsarbeit auch positiv. Die Mehrheit gibt an, dass sie bei ihrer Arbeit häufig bis sehr häufig Erfüllung oder Wertschätzung empfunden haben.
Weniger Arbeitsstunden für bessere Work-Life-Balance
Für eine bessere Work-Life-Balance - also ein gesteigertes Wohlbefinden - möchten die befragten Community-Mitglieder im Mittel mehr als einen halben Tag weniger Arbeitszeit. Der Großteil der befragten Community-Mitglieder arbeitet in Vollzeit, weibliche Teilnehmerinnen arbeiten im Mittel zwei Stunden weniger als männliche Teilnehmer. Insgesamt wünschen sich Frauen eher eine Vier-Tage-Woche nach dem vorgestellten Modell, bei den männlichen Befragten ist es eher eine Viereinhalb-Tage-Woche.
Es gibt nicht nur Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern auch den Altersgruppen: Jüngere Umfrage-Teilnehmende arbeiten im Mittel zwar genauso viele Stunden wie ältere Befragte, wollen aber deutlich weniger Arbeitsstunden für eine ideale Work-Life-Balance. So wünschen sich die unter 30-Jährigen im Mittel drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche als die Befragten älter als 30 Jahre.
Mehr Flexibilität, bessere Gesundheit und Effizienz durch Vier-Tage-Woche
Die Mehrheit der Befragten verspricht sich positive Auswirkungen von der Vier-Tage-Woche. Am wichtigsten ist den befragten Community-Mitgliedern die zu gewinnende Flexibilität. So sagen acht von zehn aller Befragten, dass sie in einer Vier-Tage-Woche ihre Zeit flexibler einteilen könnten. Mehr Flexibilität erhoffen sich vor allem die Jüngeren von der Stundenreduzierung: Bei den unter 30-Jährigen gibt dies sogar jede neunte Person an.
"Zur freien Verfügung stehen mir an jedem Arbeitstag vier Stunden täglich, in dieser Zeit müssen Erledigungen getätigt werden, Familie und Freunde dürfen nicht vernachlässigt werden, eventuell Sport oder andere Hobbys fordern Zeit. Mit einer Vier-Tage-Woche würde das alles gewaltig entzerrt." #NDRfragt-Teilnehmer Stefan (50) aus Schleswig-Holstein
Aber auch Sorge vor Überstunden und Stress
Ein Teil der Befragten sorgt sich, dass eine Vier-Tage-Woche negative Auswirkungen haben könnte. So gibt fast die Hälfte der Befragten an, dass vier statt fünf Tage Arbeit bei gleichem Arbeitspensum zu mehr Stress führen könnte. Gut vier von zehn Personen befürchten zudem, dass sie durch die verkürzte Arbeitszeit Überstunden machen müssten. Ähnlich kritisch sieht die Vier-Tage-Woche diese Teilnehmerin aus Hamburg:
"Ich frage mich, wenn ich schon bei 40 Stunden meine Arbeit nicht schaffe, wer soll dann bei einer Vier-Tage Woche die Arbeit machen? " #NDRfragt-Teilnehmerin Kinna (49) aus Hamburg
Gleichzeitig sehen die befragten #NDRfragt-Mitglieder kaum Risiko, dass eine Vier-Tage-Woche ihre Karrierechancen einschränken könnte. Nur eine von fünf Personen gibt an, dass die Vier-Tage-Woche zu schlechteren Aufstiegschancen am Arbeitsplatz führen könnte.
Viele können sich Vier-Tage-Woche für ihren Job vorstellen
Ein großer Teil der befragten #NDRfragt-Mitglieder glaubt, dass die Vier-Tage-Woche umsetzbar sein kann. Viele argumentieren, dass mit einem Schichtsystem, flexiblen Zeiten für Vor- und Nacharbeitung oder weniger Meetings und beruflichen Gesprächsrunden Arbeitszeit gespart werden könnte. Rund 100 Befragte geben sogar an, dass die Vier-Tage-Woche am eigenen Arbeitsplatz eingeführt wurde oder als Modell getestet wird. Einige weisen zudem darauf hin, dass vor allem die Digitalisierung und Automatisierung die Vier-Tage-Woche ermöglichen könnten:
"Einige Tätigkeiten müssen von Robotern oder KI übernommen werden. Es gibt immer weniger Menschen, wenn sie noch weniger arbeiten wollen, muss etwas anderes die Arbeit übernehmen." #NDRfragt-Teilnehmerin Julia (27) aus Niedersachsen
Einige Umfrage-Teilnehmende sind eher skeptisch, ob sich das Arbeitsmodell umsetzen lässt. Es fehle vor allem an qualifiziertem Personal, um einen Tag weniger Erwerbsarbeit für alle auszugleichen. Außerdem können sich viele die Umsetzung nur bei ausgewählten Berufen vorstellen. Zum Beispiel im Dienstleistungsbereich, in der Pflege und bei Selbstständigen wird die Umsetzung von vielen als kaum bis überhaupt nicht möglich eingeschätzt. So sieht das auch ein Teilnehmer aus Hamburg:
"Es wird volkswirtschaftlich nicht funktionieren, da nicht alle Branchen einen Tag zu machen können. Es müsste also mehr Personal eingestellt werden, denn die Kunden möchten natürlich fünf Tage von 9 bis 18 Uhr bedient werden." #NDRfragt-Teilnehmer Pitt (54) aus Hamburg
Viele Mitglieder der #NDRfragt-Community haben in der Umfrage ihre Gedanken und Meinungen zur Umsetzbarkeit einer Vier-Tage-Woche mit uns geteilt. Hier eine kleine Auswahl:
Mehr freie Zeit für Familie und Freunde, Hobbys und Erledigungen
Die zusätzliche freie Zeit würden die befragten #NDRfragt-Mitglieder vor allem dafür nutzen, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen oder ihre Hobbys auszuüben. Das geben sieben von zehn Personen an. Ungefähr gleich viele wollen die Zeit zudem für Termine und Erledigungen investieren - also für den Haushalt oder Gänge zum Amt.
"Ausgeruht alle anfallenden Aufgaben und gesundheitlich positive Dinge erledigen, mich um mich und meine sozialen Kontakte kümmern, die andauernde Müdigkeit durch Schichtarbeit mindern." #NDRfragt-Teilnehmer Helge (59) aus Schleswig-Holstein
Für die Umfrage-Teilnehmenden unter 30 Jahre stehen vor allem ihre Hobbys im Vordergrund. Neun von zehn Befragten geben an, dass sie die zusätzliche freie Zeit dafür nutzen würden. Fast die Hälften der Befragten unter 30 gibt zudem an, sich in der freien Zeit ehrenamtlich engagieren zu wollen.
"Ich hab' Lust mich politisch zu engagieren, mich weiterzubilden, mehr zu lernen in meiner Freizeit. Aber wenn ich dann endlich um 18:30 zu Hause ankomme, koche ich was und danach bin ich immer schlichtweg zu müde." #NDRfragt-Teilnehmer Noa (25) aus Hamburg
Für Frauen sind Erledigungen, für Männer Hobbys Priorität
In der Freizeitnutzung gibt es nicht nur Unterschiede zwischen den Altersgruppen, sondern auch zwischen den Geschlechtern: So wollen drei Viertel der befragten Männern in der zusätzlichen freien Zeit ihren Hobbys nachgehen. Für eine ähnliche Anzahl an weiblichen Teilnehmerinnen haben Termine und Erledigungen die oberste Priorität.
Auch zum Thema Freizeitgestaltung haben uns viele Mitglieder der #NDRfragt-Community ihre Gedanken aufgeschrieben:
Wachsende #NDRfragt-Gemeinschaft mit fast 25.000 Norddeutschen
Die NDR Umfrage-Gemeinschaft #NDRfragt gibt es seit Ende Oktober 2022. Mittlerweile haben sich fast 25.000 Norddeutsche angemeldet. #NDRfragt ist das Meinungsbarometer für den Norden. Wer noch nicht dabei ist, aber mitmachen will, kann sich registrieren und an den Umfragen teilnehmen. Mitglied kann werden, wer in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg oder Bremen wohnt und mindestens 16 Jahre alt ist.