Wacken mit dem Rollstuhl: Wie eine Rollifahrerin durch den Matsch kommt
Das Wacken Open Air ist schon für Fußgänger ein Abenteuer. Rollstuhlfahrer stellt der Matsch vor noch viel größere Probleme. In dem Camp "Wheels of Steel" finden sie Hilfe. Rollifahrerin Andrea Schütt erzählt.
Ein Konzertbesuch im Rollstuhl? Bei diesen gigantischen Moddermassen auf dem 405 Hektar großen W:O:A-Gelände eigentlich völlig unmöglich. Eigentlich. "Wir ziehen mich hier mit zwei, drei Mann rüber - zur Not mit Spanngurten, zwei Mann vorne, einer hinten", sagt Andrea Schütt. Die 53-jährige MS-Patientin aus Itzehoe (Kreis Steinburg) ist auf einen Rollstuhl angewiesen - und als Musik-Fan außerdem auf die Kraft des Metal. Deswegen ist Aufgeben für sie auch im Wacken-Morast keine Option. Vor den Hauptbühnen gibt es große Podeste für Rollstuhlfahrer.
"Das ist der Wacken-Flow"
"Man sieht hier noch viele andere Rolli-Fahrer. Und wenn wir hier nicht weiter kommen, gibt es ganz viele Metalheads, die sofort eine helfende Hand anbieten. Du kannst sicher sein, dass du hier nirgendwo stecken bleibst. Das ist der Wacken-Flow", erzählt Andrea Schütt. Deshalb engagiert sie sich seit 2016 für das Wacken-Projekt "Wheels of Steel". Das ist ein Servicepunkt für behinderte Festivalbesucherinnen und -besucher.
Knapp 200 Anmeldungen von gehbehinderten Menschen
Vor Festivalstart haben sich nach Angaben des Veranstalters rund 200 gehbehinderte Menschen für das Camp angemeldet, ein Großteil davon soll trotz der Anreise-Strapazen und des verschlammten Geländes gekommen sein. "Wir verleihen hier Rollstühle oder Rollatoren, reparieren Hilfsmittel, kühlen Medikamente oder befüllen mobile Sauerstoffgeräte", sagt Wacken-Mitarbeiterin Katja Zobel. Jeder der Gäste darf bis zu vier Begleitpersonen mitbringen.
"Wir mussten schon viele Tränen trocknen"
Das gemeinnützige Unternehmen Alsterarbeit koordiniert das "Wheels of Steel"-Projekt fürs Wacken Open Air. "Wir leisten viel Menschenarbeit. In diesem Jahr mussten wir auch schon viele Tränen trocknen, weil nicht für alle alles möglich ist. Ansonsten helfen wir einfach, wo es geht, zum Beispiel beim Zeltaufbau", sagt Dirk Geisler von Alsterarbeit. Auf dem "Wheels of Steel"-Gelände gibt es befestigte Wege und barrierefreie Sanitärcontainer. Wie viele Rollstuhlfahrer in Wacken insgesamt unterwegs sind, lässt sich nicht abschätzen.
Auch Kritik von gehbehinderten Menschen
Mit den Bedingungen vor Ort sind aber nicht alle zufrieden. "Ich hätte bei den ganzen Wegen mehr erwartet. Ich kann zum Glück noch laufen, aber für die Rolly-Fahrer ist es schwer. Und wir suchen einen Eingang, wo wir auch mit Rollstuhl reinkommen", sagt ein gehbehindertes Paar im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein.
Für Andrea Schütt ist dagegen klar: Hier wird das Beste aus der Situation gemacht, ganz besonders in Sachen Inklusion. Und die Konzertvorbereitungen laufen auch schon. An diesem Abend geht es für sie ab 22 Uhr zu "Amorphis" auf die "Louder"-Stage.