Mann aus Kiel stirbt im syrischen Bürgerkrieg
Außerdem zeigt Karina ein Handyvideo, das offenbar kurz vor seinem Abflug aus Deutschland aufgenommen wurde. Darin ein gut gelaunter Mann in Jack-Wolfskin-Jacke; muskulöse Oberarme, breite Brust, der rote Bart umschließt fast strahlend das kantige Gesicht. In dem Video macht er Witze, beinahe ausgelassen. Angst oder Nervosität vor dem Flug ins Ungewisse scheint er überhaupt nicht zu spüren.
Karina hat das Video immer wieder angeschaut, vielleicht trösten sie die verwackelten Bilder vom "lächelnden" Aslanbek ein bisschen über das Foto seines Leichnams hinweg. Dem jüngsten Sohn Khalid hat sie erzählt, dass sein Vater schlafen würde, dem ältesten, dass Aslanbek bei Allah im Paradies sei. Natürlich sei es schwer für sie und die Kinder, sagt sie. Aber trotz des Schmerzes tröste sie der Gedanke, dass Aslanbek für eine gute Sache gestorben sei. Schließlich habe er den Menschen helfen wollen, wiederholt sie. Das sei besser, als tatenlos in Schleswig-Holstein zu sitzen. "Mein Mann ist gestorben. Jetzt ist er ein Schahid." Ein Märtyrer, sagt sie lächelnd. Darauf ist Karina stolz, sie lässt keinen Zweifel daran.
Besuch aus ganz Europa
Schon zwei Tage nach der Nachricht vom Tod ihres Mannes seien Besucher aus ganz Europa bei ihr gewesen, Menschen aus Norwegen, Spanien und Frankreich hätten kondoliert. "Das Wohnzimmer war voll", erinnert sie sich. Wie es jetzt weiter gehe mit den Kindern und ihr, das kann Karina nicht sagen. Noch ist sie Russin, im Mai will sie aber die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Sie hofft auf die Hilfe des Staates, im Moment lebt sie vor allem vom Kindergeld. Gänge zum Amt fallen ihr schwer. Das hat früher alles ihr Mann gemacht. Doch nach seinem Tod muss sie das selbst erledigen. Und es gibt Probleme, denn die hat keinen Totenschein von Aslanbek F. Und solange der nicht vorliegt, kommt sie nicht an das Konto heran.
Vom Verfassungsschutz beobachtet
Früher, wenn sich Aslanbek nicht um die Familie kümmerte, dann ging er nach Informationen der Sicherheitsbehörden in die "Ibnu Taymiyya Moschee" in Kiel. Seit Jahren schon wird die Gemeinde vom Verfassungsschutz beobachtet. Neben einem Bowlingcenter liegt das zweigeschossige Gebetshaus. Oben beten die Frauen, unten ist reichlich Platz für die Männer. Von außen erinnert der Backsteinbau an einen Supermarkt wie er überall in Deutschland zu finden ist. Automatisch öffnet sich eine Glastür beim Betreten. Wer in den eigentlichen Gebetsraum gehen will, muss hier seine Schuhe in eines der vielen Regale stellen. Am Freitagmittag ist viel Betrieb. Rund einhundert Gläubige haben sich versammelt. Viele tragen eine "Dschalabijja", das traditionelle islamische Gewand. Doch angesprochen auf Aslanbek F. werden plötzlich alle einsilbig. "Den kenne ich nicht", streiten sie ab. Und einen langen Bart hätten die meisten. Das ist merkwürdig. Denn in der Kieler Islamistenszene hat sich längst herumgesprochen, dass Aslanbek F. in Syrien gestorben ist.
Es sind Moscheen wie die Ibnu Taymiyya in Kiel, die Experten zufolge als "Durchlauferhitzer" gelten und junge Männer dazu bringen in den Heiligen Krieg zu ziehen.
Syrien gilt derzeit als Ziel Nummer Eins für deutsche Dschihadisten. Laut einer neuen Studie des renommierten britischen Instituts "International Centre for the Study of Radiclisation" (ICSR) kämpfen derzeit bis zu 40 Deutsche im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten islamistischer Rebellen. Etwa jeder Zehnte ausländische Kämpfer stamme aus Europa. Da wirkt es fast wie ein Wunder, dass im dritten Jahr des Krieges erst einer aus Deutschland starb. Doch Aslanbek F. aus Kiel wird sicher nicht der letzte gewesen sein. Davon sind deutsche Sicherheitsbehörden überzeugt.
- Teil 1: Gut organisierte Heilige Krieger
- Teil 2: Mann aus Kiel stirbt im syrischen Bürgerkrieg