Zeitreise: Strandsegel-Pionier aus St. Peter-Ording

Stand: 16.08.2024 10:26 Uhr

Strandsegeln als Freizeit- und Wettkampfsport hat in St. Peter-Ording eine lange Tradition. Bereits Anfang der 1960er Jahre wurden an der Küste die ersten internationalen Regatten ausgetragen. Seitdem dabei: der heute 85-jährige Rüdiger Grassy.

von Inka Blumensaat

Strandsegler in St. Peter-Ording © dpa, picture-alliance
Zu Beginn eine Touristenattraktion: das Strandsegeln in St. Peter-Ording.

Zunächst war das Strandsegeln in St. Peter-Ording (Kreis Nordfriesland) eine Touristenattraktion. Bereits in den 1920er Jahren fuhren Fahrzeuge ausgerüstet mit Leinensegeln über die lange Sandbank an der Nordseeküste. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute der Uhrmachermeister Otto Wieben die ersten Großraumsegler. 20 Feriengäste konnten Platz nehmen und wurden von Wiebens Söhnen über den Strand kutschiert.

In Belgien und Frankreich wurde das Strandsegeln schon länger als Sport betrieben. Kontakte ins Ausland entstanden, Piloten kamen nach St. Peter-Ording und entdeckten schnell, wie außergewöhnlich der Spot an der Nordseeküste ist, liebten den festen Sand und die herausfordernden Windverhältnisse. Der gebürtige Hamburger Rüdiger Grassy war zunächst Zuschauer. "Ich bin hier im Internat gewesen und es hat mich fasziniert, wie die Leute über die Sandbank gefahren sind. Und daraufhin habe ich gedacht: Das musst du auch machen."

Mit selbst gebauten Fahrzeugen bis zu 100 km/h schnell

Ein älterer Herr sitzt in einem Strandsegel und schaut in die Kamera. © NDR
Einer der ersten Regattateilnehmer in St. Peter-Ording: Europa- und Vizeweltmeister Rüdiger Grassy

1961 wurde der bis heute einzigartige "Yacht Club St. Peter-Ording" gegründet, es fand die erste "Internationale Strandsegelwoche" statt. Die Yachten bauten sich die Piloten meist mit Hilfe von Freunden selbst, so manches Teil stammte vom Schrottplatz. Auch Grassy improvisierte: "Wir saßen zu zweit in einem Eissegler, der mit Rädern bestückt war. Man konnte das Ding kaum steuern, wenn der Wind in die Segel haute, ging der Wagen hinten hoch." Dennoch rasten die Piloten mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde über den Strand, auch bei der ersten Europameisterschaft überhaupt in St. Peter-Ording.

Abenteuer in Afrika

Rüdiger Grassy zählte bald zu den besten Sportlern, wurde Europa- und Vizeweltmeister. Und er brach auf zu besonderen Abenteuern. 1967 nahm der gelernte Kaufmann erstmals gemeinsam mit seinen Freunden Uwe Schröder und Heia Lange an einer Regatta in Afrika teil. 5.000 Kilometer von der algerischen Sahara bis zur mauretanischen Atlantikküste, insgesamt 22 Piloten waren quer durch die Wüste unterwegs. "Wir haben in kleinen Zelten geschlafen. Tagsüber war es 40 bis 50 Grad heiß, in der Nacht sanken die Temperaturen auf null Grad ab. Das war eine große Anstrengung für den Körper. Aber wir waren ja jung."

Es gab damals keine Wertung, viele Fahrzeuge erlitten auf den steinigen Pisten einen Totalschaden. Die Karawane erregte viel Aufsehen bei den einheimischen Nomaden, in den Oasen wurde der Tross mit Jubel empfangen. Nach gut vier Wochen, nach Sandstürmen und zum Glück nur minder schweren Unfällen, wurde das Ziel in Nouakchott am Atlantik erreicht.

Geschlagen in der Wüste

Ein Mann sitzt in einem Strandsegel und schaut in die Kamera. © NDR
Mit dem Strandsegler fuhr Rüdiger Grassy 5.000 Kilometer von der algerischen Sahara bis zur mauretanischen Atlantikküste.

All die Strapazen hielten Rüdiger Grassy nicht davon ab, zwei Jahre später erneut in die Sahara zu reisen. Diesmal begleitete ihn Otto Göttlich - der Vater des heutigen Präsidenten des FC St. Pauli, Oke Göttlich. Die Strecke war deutlich kürzer und die Regatta hatte Wettkampfcharakter, die Piloten formierten sich zu Teams. "Wir waren sogar an erster Stelle. Aber ganz zum Schluss war vor uns ein Bergmassiv. Wir mussten überlegen, fahren wir links oder rechts herum. Wir haben uns für links entschieden und dachten, wir seien Erster. Aber die Franzosen sind über den Berg gefahren. Da war eine sogenannte Piste und die waren dann plötzlich vorn", erinnert sich Grassy.

Leidenschaft bis heute

Er war in den schönsten Strandsegel-Revieren der Welt unterwegs, St. Peter-Ording aber wird für ihn durch nichts übertroffen. Mitte der 1990er Jahre verlegte Grassy seinen Wohnsitz von Hamburg an die Nordseeküste und kann nun immer raus auf die Sandbank - sofern der Wind und die Tide es zulassen. Auch an Regatten nimmt der 85-Jährige bis heute teil. "Ich bin im Grunde wohl ein bisschen zu alt. Ich muss mich mit den jungen Leuten, die 18, 19 sind, rumschlagen. Da muss ich mir echt Mühe geben, mit den Jungs mitzuhalten."

Weitere Informationen
Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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