Wie Experten mit Luftbildern Weltkriegsbomben in SH ausfindig machen
Allein auf Kiel wurden im Zweiten Weltkrieg 29.000 Tonnen Sprengstoff abgeworfen. Mit Luftaufnahmen, historischen Daten und privaten Aufzeichnungen suchen Spezialisten nach den Überresten.
Immer wieder werden in Schleswig-Holstein Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die entschärft werden müssen. Einige werden zufällig entdeckt - doch es gibt auch Expertinnen und Experten, die gezielt nach Blindgängern suchen.
So wie Alan Bock und Johannes Schliecker: Sie sind zwei von insgesamt 14 Luftbildauswertern des Kampfmittelräumdienstes. In Groß-Nordsee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) setzen sie die Angaben und historischen Aufnahmen von verschiedenen Stellen zusammen wie bei einem Puzzle. Denn zu den Bombenabwürfen gibt es zahlreiche Aufzeichnungen, sowohl von Privatpersonen als auch von der sogenannten Luftschutzpolizei.
Mehr als 83.000 Luftbilder
"Alle Angriffe sind mit den Adressen verortet", erklärt Johannes Schliecker am Beispiel von Kiel. "Also zu jeder Adresse gibt es eine Angabe, wann da ein Angriff war und wie hoch der Schaden war." Hinzu kommen die Luftbilder, die vor allem die britische Armee oft vor und nach Angriffen anfertigte. Allein auf die Stadt Kiel und die Umgebung warfen amerikanische und britische Flugzeuge ab 1944 mehr als 29.000 Tonnen Sprengstoff ab. "Wir haben insgesamt 83.000 Kriegsflugbilder, die ersten von 1944", sagt Schliekers Kollege Bock. "Die letzten Bomben auf Kiel sind am 2. Mai 1945 gefallen. Wir gucken uns jetzt sukzessive jedes Luftbild an."
Wartezeit für Anfrage liegt bei viereinhalb Wochen
Beauftragt werden die Luftbildauswerter oft aufgrund von Bauanträgen. "Wir hatten im letzten Jahr etwa 10.000 Anfragen", berichtet Bock. Für einen Antrag im Kieler Raum müssen lauft Bock rund 1.000 Luftbilder gesichtet werden. Hinzu kommen historischen Daten, die für jeden Einzelfall ausgewertet werden müssen. "Momentan sind wir bei viereinhalb Wochen Wartezeit", sagt Bock.
Vergleichsbilder liefern Anhaltspunkte
Zuletzt hatten die Experten sich zum Beispiel mit dem Blindgänger unter einer Kita in Schwentinental (Kreis Plön) befasst. Weil die Einrichtung erweitert werden soll, prüften die Luftbildauswerter auch hier akribisch. Johannes Schliecker zeigt im Vergleich zwei Aufnahmen aus dem Dezember 1943 und vom 1. August 1944. Am 23. Juli 1944 gab es einen Nachtangriff mit 600 Flugzeugen. Auf der Aufnahme vom August ist deutlich ein kleiner Punkt zu sehen - genau dort, wo heute die Kita steht. Das Luftbild zeigt auch, dass die Bombe offenbar nicht explodiert ist, denn der Krater ist im Gegensatz zu den umliegenden Einschlagsorten deutlich kleiner.
Experte: "Man möchte keinen Blindgänger übersehen"
Sowohl in diesem als auch in anderen Verdachtsfällen arbeiten die Luftbildauswerter eng mit den Sondierern des Kampfmittelräumdienstes zusammen. Diese untersuchen verdächtige Punkte vor Ort. Dabei finden sie manchmal auch ungefährliche, bereits zerbrochene Blindgänger. Wichtig sei in allen Abteilungen des Kampfmittelräumdienstes Akribie, betonen Bock und Schliecker. "Man möchte keinen Bombenblindgänger übersehen", so Bock. Den nächsten verdächtigen Punkt haben er und seine Kollegen schon im Visier.