Von Odessa nach Kiel: Künftige IT-Expertin am Studienkolleg
Seit März lernen 52 junge Leute am Studienkolleg der Fachhochschule Kiel. Sie alle haben den Aufnahmetest geschafft. Darunter ist auch eine junge Frau aus der Ukraine.
Cosinus, Sinus…mit ruhiger Hand schreibt Dana Khadri komplexe Formeln an die Tafel. Beantwortet Zwischenfragen ihrer Mathelehrerin in fast fehlerfreiem Deutsch. Die 20-jährige hatte die Aufnahmeprüfung im Januar geschafft. Die Ukrainerin ist damit eine der Neuen am Studienkolleg im Technikkurs der Fachhochschule Kiel. Zwei Semester lang wird sie jetzt auf ein technisches Studium in Deutschland vorbereitet: Mathe, Physik, Chemie und Deutsch.
Sie will Informatik und IT-Sicherheit studieren
Dafür ist die heute 20-Jährige von Gera nach Kiel gezogen. "Ein großes Glück für sie", sagt die junge Frau. Sie will Informatik studieren und später in Richtung IT-Sicherheit gehen. Dana Khadri findet, dass ein Studium an einer Fachhochschule sie darauf am besten vorbereitet. Wenn sie den einjährigen Kurs in der Tasche hat, kann sie damit in Deutschland studieren. Genau wie ihre Erstsemester-Mitschüler. Sie kommen aus Vietnam, Marokko, Syrien oder Indonesien.
Technische Fachstudien in Deutschland begehrt
Die Leiterin des Studienkollegs Triinu Buchloh sagt, dass die ingenieurtechnischen Studiengänge in Deutschland in den Nicht-EU-Ländern hoch im Kurs lägen, die Qualität anerkannt sei. Und natürlich sei es auch von Vorteil, dass hier keine Studiengebühren erhoben werden. Lediglich ein Semesterbeitrag von 246 Euro.
Hoch motiviert und belastbar
Allein für das Sommersemester in Kiel hätten sich etwa 700 junge Leute aus der ganzen Welt beworben. 160 von ihnen hätten am Test im Januar teilgenommen. Und 52 wären aufgenommen worden – etwas mehr als es eigentlich Plätze gebe. Denn gerade in den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen mangele es in Deutschland an Bewerbern. Da möchte man auf keinen der guten Bewerber verzichten. Jeder von ihnen hat in seinem Land einen mit Deutschland vergleichbaren Hochschulabschluss. Die gemeinsame Herausforderung sei die deutsche Sprache. Wer hier her komme, sei hoch motiviert für das anstehende Studium und nehme einiges auf sich.
Vom Schwarzen Meer an die Kieler Förde
Khadri ist mit Kriegsbeginn allein aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Ihre Familie, die Mutter und ihre zwei Brüder, sind in Odessa geblieben. Sie kam nach Gera, hat dort allein Deutsch für das B1-Zertifiktat gelernt. Den B2-Kurs hat sie in wenigen Monaten in einem Intensivsprachkurs in Leipzig gemacht. Sie hatte sich erst bei einem Studienkolleg in Berlin beworben und wurde abgelehnt. Beim zweiten Mal hat es geklappt, in Kiel.
Die Familie hilft
Vor wenigen Wochen ist sie von Thüringen nach Schleswig-Holstein gezogen. Die 450 Euro für ihr kleines Zimmer in einer 5er WG in Kiel übernimmt ein Verwandter. Als Geflüchtete aus der Ukraine konnte sie immerhin BaföG beantragen. Sie würde auch jobben gehen, aber dafür ist gerade kaum Zeit. Nach den Unterrichtsblöcken an der Fachhochschule lernt sie noch drei bis fünf Stunden täglich an ihrem Schreibtisch.
Was ihr gegen Heimweh hilft
Wenn das Heimweh kommt, dann geht sie spazieren, setzt Kopfhörer auf, schreibt oder telefoniert mit Verwandten und Familie. Mit Sveta, einer Kollegmitschülerin aus Russland, ist sie befreundet. Und es sei schön für sie, hier in Kiel an der Förde zu sein - das Wasser erinnere sie an ihre Heimatstadt Odessa am Schwarzen Meer. Dort sei es schon fast Sommer, sagt sie.
Gern würde sie ihre Familie in den Sommerferien besuchen
Ihre Mutter hat sie Ende Januar in Kiel besucht als klar war, dass Khadri die Aufnahmeprüfung ans Studienkolleg bestanden hatte. Das haben sie ein bisschen gefeiert. Die 20-jährige hofft, dass sie ihre Familie in der Ukraine in den Sommerferien besuchen kann. Ob eine Reise dann aber zu gefährlich ist, kann jetzt noch niemand sagen.