Unerwäis: Die Inselfotografin von Amrum
Der beste Spot für das beste Foto von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang - Kinka Tadsen kennt sie alle. Die Fotografin ist auf Amrum aufgewachsen und betreibt in Nebel ein kleines Foto-Atelier.
Ein Wintermorgen auf Amrum (Kreis Nordfriesland), alles ist grau in grau. Immerhin, der eisige Wind hat den nebligen Dunst weggepustet. Hier, am Ende des Bohlenweges östlich des Dorfes Nebel sei der schönste Spot, um atemberaubende Sonnenaufgänge zu fotografieren, sagt Kinka Tadsen. Und sie muss es wissen, sie lebt und arbeitet auf der Insel.
Immer was zu knipsen
"Bi arke stimung fanst dü wat", sagt sie auf Amrumer Friesisch, "bei jeder Stimmung findest du was, es ist ein Traum". Kinka Tadsen ist gelernte Fotografin. Das Licht, das Detail, der richtige Ausschnitt rund um das hölzerne Geländer am Watt: Sie strahlt freudig, trotz der kriechenden Kälte. "Luke ens, det holt, hü det ütjschocht, diar gungt det so auer uun det waas, wat nü bi liachweeder uk natüürelk gans smok as. Det weeder tiaknet diar so iin, an jüst wan det so miistag as, do schocht det ianfach bisonders ütj (Guck mal, das Holz, wie das aussieht, das geht mit seiner Maserung direkt über ins Watt, das bei Niedrigwasser natürlich sehr schön ist. Das Wasser hinterlässt seine Spuren im Schlick und gerade jetzt, wenn es so diesig ist, sieht das ganz besonders aus.)".
Wie Piraten im Watt
Sie kennt diesen Ort gut. Nebel ist ihr Heimatdorf und hier, am sandigen Ufer der Wattseite, hat sie ihre ganze Kindheit verbracht. "Det wiar üüs spelplaats, det könst dü di daalang goor ei muar föörstel. Diar moost dü daalang goor ei muar hen, as ales ufsperet. Man heer haa wi piraatengeschichten salew belewet (Das war unser Spielplatz, das kannst du dir heute gar nicht mehr vorstellen. Da darfst du heute gar nicht mehr hin, ist alles abgesperrt. Aber wir haben Piratengeschichten selbst erlebt)".
Vom Kunstunterricht zum Beruf
Schon als Sechs- oder Siebenjährige macht Kinka Tadsen ihre ersten Fotos auf der Insel, damals ist sie gerade zur Schule gekommen. Die Kamera ist ein Mitbringsel von den Reisen ihres Vaters, einem Kapitän. In der Oberstufe auf dem Gymnasium auf der Nachbarinsel Föhr fängt sie richtig Feuer: Im Kunstunterricht im Fotografie-Kurs. Sie kommt gar nicht mehr raus aus der Dunkelkammer, erzählt sie. Kinka ist damals so begeistert, dass sie sich nach dem Abitur für eine Fotografenlehre bewirbt. Drei Jahre Festland, Bad Oldesloe, Lehrling und Assistentin eines Fotografenmeisters. Dabei entdeckt sie ihre Liebe zur Landschaftsfotografie.
Norwegen, Bali, Neuseeland
Kinka Tadsen bereist als junge Frau die ganze Welt, ist drei Jahre als Bordfotografin auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Dass sie nach Amrum zurückkehren werde, ist ihr damals schon klar. "Schau dir mal erst die Welt an", rät ihr der Vater. Aber irgendwann reicht es ihr mit dem Umherreisen: "Haale jam mi uf (Holt mich ab)", hat sie gesagt "an do san jo kimen an haa mi ufhaalet (und haben sie mich abgeholt)". Im Hafen von Venedig schließen Bene und Monika Tadsen ihre jüngste Tochter wieder in die Arme.
Wieder auf die Insel mit eigenem Fotostudio
Seit 2003 ist Kinka zurück auf Amrum. Im Jahr 2008 eröffnet sie ihr kleines, feines Foto-Atelier "Knipskasche" in einer der Ferienwohnungen in Nebel, im Haus ihrer Großeltern. Postkarten, großformatige Landschaftsbilder und Jahreskalender mit ihren liebsten Insel-Motiven verkauft sie hier. Strand, Dünen, Heide und Watt in Farbe und Schwarz-Weiß, aber auch die traditionelle Amrumer Friesen-Tracht mit ihren Silberknöpfen und weißen Schürzen inszeniert Kinka Tadsen auf ihre ganz eigene Weise inmitten der Insellandschaft. Mit den Trachtentänzerinnen verbindet sie seit vielen Jahren eine besondere Freundschaft.
Zwischen Zeitung, Putzen und Theater
Was sie sonst noch so macht? Foto-Reportagen für die Amrumer Zeitung und AmrumNews umsetzen, zum Beispiel. Den Eltern helfen, die Ferienwohnungen der Familie zu reinigen - das geben die Tadsens nicht aus der Hand - oder auch: Theaterspielen mit den Kindern der Öömrang Skuul, der Amrumer Schule.
Und klar, sobald der Himmel aufreißt und seine Insel-Magie voll entfaltet, lässt sie alles andere stehen und liegen und eilt hinaus an die Westseite der Insel.
"Das ist meine Insel"
Der kilometerlange Kniepsand sei der beste Spot, um den Sonnenuntergang zu fotografieren, sagt Kinka Tadsen und sie muss es wissen. Sie liebt es, die Spiegelung des Himmels im Wasser festzuhalten. In ihrem Allwetter-Anzug wirft sie sich in jede Pfütze, die die Flut am Strand hinterlässt. Kann sich die Fotografin der Insel Amrum vorstellen, woanders zu leben? "Nimer. Det as ianfach min eilun (niemals, das ist einfach meine Insel)", sagt sie und strahlt noch einmal um die Wette mit der Sonne, die gerade im Meer versinkt.